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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 4 (April 1928)
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Stiehler, Georg: Arbeitsschule - Kunstunterricht - Die gegenwärtige Krise der Schulreform
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0110

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Arbeitsschule — Kunstunterricht —
Die gegenwärtige Krise der Schulreform^

Von Georg Siiehler.

Die krilische Linstellung zur Arlieitsschule ist seik 3nhr und Tag lebendig. Linige Aeurteiler machen
eS sich leicht, sie nehmen von vornherein eine ablehnende Skellung ein, fertigen mit leichter Geste Träger
einer slarlien Äewegung ab, einen nach dem andern, unbektimmerk um die besahende, vormärtskrelbende
Arbeik der Führer wie Kerschensteiner, Gaudig, Fischer und der führenden Lehrervereinigungen, sowie der
Schulreformer., Sie sind allzumal Sünder; kapitelweife wird ohne Anterschied im Vleichmasz sorgioiel
Kritik verfahren. Es i st nicht ersichtlich, ob diese Kritiker' den Einspcuch er-
heben auf Grund eigener Äersuche, eingehender Besuche Ler Stätten deS
FortschritkeS und persönlicher F ü h l u n g n ah m e. LrkenntniS-theoretisch wird von einer anderen
Platkform auS geurkeilt. Sie vecfallen daher in den gleichen Fehler, den man den unbekümmerten und
von der praktischen Durchftthrbarkeit unbeschwerten Aeformern zur Last legt, dafz sie den Gegner, den
Bertreker der alten Staatsschule, nicht verffehen wollen, und dafz fie die Kontinuität deS pädagogischen,
kulturellen Geschehens im Uebereifer übersehen.

Bor uns liegt die Schrlfk des Studiendirektors Dr. P. Zoffmann, üer als Deutschlehrer (literarischer
Kunstlehrer) und Leiter ciner höheren Mädchenschule zu dem Fragenkreis der Arbeiksschule, des Kunskunter-
richtS Slellung nimmt und in der gegenwärtigen Lage eine Krisis in der Schulreform siehk; er gehört nicht
zur Gruppe der alles verneinenden und nichtorientierten Kritiker. Der Berfasser nimmt eine selbständige
und maszvolle Untersuchung der Fragen vor und suchk ein scheinbar anderes an die Stelie der orängenden
Aesorm zu sehen. Seine Ansführungen bernhren lebhaft die Fragen des Kunstunterrichks in der Schule.
Er bekundet starkes 2nteresse sür die allgemeinen kunsterzieherischen Fragen, so dasz es sich lohnt, auch
in unserem Berbandsorgan auSführlicher auf seine anregenden Ausführungen einzugehen.

Am besken tun wir das in Form von Sah und Gegensah.

2 o f f m a n n

bedauerk, dafz auch der reformfreudige Lehrer durch
die Ueberspannungen und Ueberspannkheiken unbe-
sonnener Modernitälsapostel, durch Anschluf; an den
expressionistischen Zeitgeist am freudigen Miktun ge-
hindert und von Zweifeln und Belilommenheiken ge-
quälk wird.

Die Berwirrung ist deähalb so groh, da begriff-
liche Unklarheiken über die Grundgedanken der Är-
beiksschule beskehen, die Klarsteliung der Grund-
begriffe inusz im llnteresse eines einheiklichen beson-
nenen GesamlwillenS erfolgen.

Die Grulidsähe des Arbeiks- und Erlebnisunter-
richtS liönnen nur klar erfaßt werden, wenn man
bei der begrifflichen Formung nicht vor harker Ge-
dankenarbeit zurückschreckt.

Wir

geben P. Loffinanii rechk, daf; Ueberkreibungen in
der Arbeiksschulbewegung der Sache selbst Abbruch
tun. Es ist aber das Los seder triebkräftigen Be-
wegung, über daS Ziel hinauszuschiehen, man
denlre nur an die Sport b e w e gu n g, Wander-
vogelb ew eg u ng. Ohne Enkhusiasmus und Ber-
skehenwollen wird jeder Erzieher von gestern und
heute mit der Bewegung in Bedrängnis geraken.
Logische Klarheik über die Grundbegriffs, eine Bsr-
einbarung und Prägung von Gedanken und Wort
ist unerläf;lich fllr die Aussprache. Mir vermissen
eine grundsätzliche Formulierung der
Arbeitsschule, von einem Zerrbild aus darf
das nichk geschehen. Wir vermissen die einfache
schlichke Prägung der Gedanken unker Bermeidung
öer vielen F r e m d w ö r t e r.

Der Anschluf; an den expressionisti-
schen Zeltgeist bedeukek Entartung in der Er-
ziehung! Der „expressionistifche Zeikgeist" zeigt nur
Mängel, übertriebene tlndividualitäk, Differenziert-
heit stakt Einheit, Aelativität stakk Eindeukigkeik und
Lebensbejahung. Fernhalken solcher Entartungs-
erscheinungen ist Aufgabe der Erziehung. Der Sport
soll die körperliche Enkarkung fernhalten; gesunde
Vildungsmekhoden müssen Enkartung des Geiftes und
der Seele verhüten.

Wer an eine Berjüngung des Geschlechts glaubt,
muf; sich von der „Duldsamkeit deS Gehenlassens
befreien und für sich das Aechk beanspruchen, die
Zeit durch dIe Schul e mitzügestalfen".

Die genaue Begriffsformulierung
des expressionistischen Zeitgeistes
fehlk, ebenso wie oben die eingangs erwähnke Fas-
fung der Arbeiksschule. Hosfmann redet nur von der
Enkartung des expressionlstischen Zeitgeistes. Deder
Eczieher mutz ihm rechk geben, datz Enkarkungen jeg-
licher Art von der Schule fernzuhalken sind, auch
die eines reakkionären Zeikgeistes. Zoffmann steht
nichk den Kern der expresfionistischen Aewegung:
Befreiung der Gemütskräfte aus den
Fesseln der starren Autorität, des
kaiken llntellektualismus auf d-er
ganzen Linie. Er sieht auch hier nur das Kranke
jeder Vewcgung, bedingt durch falsche Apostel und
Einseitigkeiken, die jede Zelt kennt.

tzokkmami, Die gegenwärtige Krise in der Schulreform. Leipzig, TeubnerMM. L.ö0. 1027.
 
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