Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

DOI Heft:
Heft 3 (März 1928)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Versiegt die Gestaltungskraft mit dem Eintritt des jungen Menschen in die Geschlechtsreife?
DOI Artikel:
Günther, Otto Erich: Ornamentzeichnen, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
65

Ä'ie lk'fgchenü die Bestrebungen der deutschen
sjeicheulehrerschnfl heute sind, üiefeu Kunstunlerricht
uuS der Ligengeselilichtieik feiner Mittel heraus,
unturgemnjz, jugeudgemäsz und schulgemäjz zu enk-
ivickelu, legteu wir schon wiederholt dar. Iminer
wieder müssen wir aber be! diesem Aeskreben auf
die Geguerschnfl von Persvuen stoszeu, dcren Urleil
uus ulchl gleichgliltlg seiu liauu, z. B. von wissen-
schastlicheu Lehreru, die mil uuS iu der Zielseszuug
uuserer Aufgnbe einig siud. (Von den anderen wol-
len wir gar nicht reden.)

Man lehut die Rrasznnhmeii, die wir für richtig
halteu, nur allzuoft ab, ohne lndessen einen gründ-
lichen Liublick in den Sachverhalt gewonnen zu
haben.

Nuu meiueii wir aber, ein erusthafter wisseu-
schaftlicher Arbeiker, der an sich schon erfahren hat,
wie die Aeherrschuug jedeS ArbeilsgebleteS eine
volle Areuscheulirafk beanspruchk, müszte doch einem
tüchligen, gewisseuhnfkeii Zeichenlehrer das Necht
zuerlieniieii, darüber zu enlscheideu, welche Wege
ei gehen musz, um seiue Aufgabe nn der Iugend-
erziehuug zu fvrüeru.

Mir erskrebeu ja auch fttr die Pflege der Bild-
sprache nichls nuderes, als was Nudolf Hildebrnuü
sür dle Pslege üer Worlsprache schon vor 3ll llahren
sorderke — was aber immer noch nicht allenkhalbeii
verwlctilicht setn soll —, wenii er ausftthrt: „Solange
die Schule nicht das Wesen der Sprache, die sinn-
liche Krafk, das s ch ö p f e r i s ch e Momeut, die
l u u e r e Aiischauuug !n deu Miktelpuiilit stellt, so-
lauge sie forkfährt, !n den Sprechstunden zur Klug-
heit der Sprache zu erzlehen, solange hat sie ihr
ureigeneS Gebiet nicht gefunden."

Doch kchreu wir zu uusereu „vorsintflutlichen"
ttugekümeu zurücli. Wie ich schon sagte, es war der
Zwecli der Ilebung, dle Schüler zum Erfinden anzu-
regen. Wlr glaubeu uämlich, daß es, abgeseheu vou
aller Kunslbildung, eiue wichtige erzieherische Auf-
gabe der Schule ist, die e r f i u ü e r i s ch c n K r ä f t e
deS juugen Atcnscheu zu weckeu uud zu eiikwickeln.
Wenn dieS auf irgeud eine Art, iu irgendeinem
„Fach" der Schule gelingk, so wirkt das gewijz segens-
retch auf üen ganzen Menschen, ihn innerlich lok-
kernd und befreiend, ein.

Welche Wirkung nuf das Arbeiksleben unseres
BolkeS müszle es hnben, weun diese Aufgabe iiberall
im deulscheu Baterlande planmäjzig durchgeführt
würde! Wahrlich, unser Bolk hat diese Kräfke in
seiuem harken Daseinskampfe bikter nokwendig.

Am den Siun solcher Aebungen noch stärker her-
voizuheben, stellen wlr als Gegenbeispiel die orna-
mentale Vorlagenreihe (Seite b4) unseren Schlller-
arbeiten gegenllber. Sie ist als Mandkafelzeichiiung
gedacht, die vom Schüler zu kopieren ist und stammt
aus einem Lehrgang, den eine Gewerbeschulbehörde —
nichl elwa vor 200 elahren, sondern erst kürzlich —
unseren Bolksschulen uiid höheren Schulen auf-
uötigen wollte, weil es im Hinblick auf das praklische
Leben gälte, nur die rezepkiven Kräfte zu entwickeln.
Es ist mir bekannk, dajz unsere Gewerbeschulkreise
heuke !m allgemeinen der Ansicht sind, auf dieser
Giundlage miijzke der Zeichenunterricht unserer
Schulen aufgebaut sein. Das bedeutete > eine neue
Ürnainenkiasis schlimmster Art!

Was sagk unser verehrker Altmeister der Pada-
gogik, Kerschensteiner, dazu? Gewijz, eine Iugend,
die durch solchen geistlosen Drill hiiidurchgeguekscht
wurde, wird keine schöpferischen Anwandlungen mehr
haben. Bei ihrem Tun H für immer „das Schöp-
ferische abgeschöpft". — Äun ruhen alle Wälder! —

2ch unterbreitete unsere Schülerarbeiten einem
Naturwisse"schaftler. Er hakte, wie ich übrigens vor-
aussehte, oon seinem Standpunkt aus, eine Freude
au ihne». Denii eS blieb ihm nichk verborgen, daß
bei solchen Uebungeu auch etwas wach wird und
sich ausdrückt, was dem Naturwissenschafkler be-
sonders am Herzen liegt, nämlich das organische
Gefühl. Die meisten dieser Phantasiegestaltunnen
erwecken, kroh aller Unvollkoinmeiiheit, den Ein-
druck des Gewachsenen. Sie sind nicht das Ergebnis
einer halkloien, verschwoinmenen Phantastik. Solche
Ungeküme nönnke es, wie die Drachen und Lind-
würmer der Mythen irgendwo und irgendwann ein-
mal gegeben haben.

Und das lst nicht zufällig. Der von innen herauS
gestaltende Mensch kann ja gar nicht anders bilden
als nach jener hvheren Naturgesehlichkeil, dje allem
Erlchaffencn, auch ihm selbst innewohnk, und die sich
bei seinem Schaffen zwaiigsläufig durch ihn hindurch-
wirkt, seinem Werk nus geheimnisvolle Weise dir
Geslalk, die Form gebend.

Es lebt ja in der bildeuden Phantasie die Welt-
gesehlichkeik als ein Stück der großen Bildekrafk
Nnkur.

Wie diescs heilige Geheimiiis jcde» Tag in den
Geskaltungen unserer Schüler offenbar wlrd, sobald
sie, von einem Erlebnis bewegt, aus der inneren
Borstellung geskalten, das ergreift mich immer wie-
der nufs Neue.

Srnamentzeichnen *

Zu dem Aussah von Venno Petersen, Lübeck,

von Otko Erich G

Boraussehuiig uiid Arittelpuukt der oben erwähn-
leu AuSführuiigen ist das Programm der „neuen
Sachllchkeit" anläszlich der Eröfsnung der Stuktgarter
.Ausstellung „Die Mohnung". Es sei hier noch ein-
mal wiederholk: „Lialioiialisierung 'ülid Typisierung
sind nur Miktel, dürfen niemals Ziel sein. Das Pro-
blem der neuen Wohnung isk im Grunde ein geiskiges
Problem nnd öer Kampf um die neue Wohnung
uur ein Glied in dem Knmpf um neue Lebens-
sorinen." Bon diesem Programin ausgehend kommt

in Zefl 1 des 8. Oahrganges von „Kunst und llugend"
iiikher, Bremen

der Berfasser zu seinem Bersuch, dns Ornament-
zeichnen aus der Schule zu verbannen. Die Be-
kämpfung einer wahllosen Ornamenkiersucht ohne
Zweckbindung ist entschieden zu begrllszen, es soll
hier aber nur auf den Teil des Aufsahes eingegan-

* Diese Aeugerung kommt dem Wuusche der Schristleituug
eutgcgen, dte Frage, die vou Benno Petsrjen augsschnitten wurde
uud gerade im gegeuwärtigen Zsitpunkt angeschnttten werde»
michte, allseitig zu klären. Wir bitten um weiters Aichsruiigeii.
iNbschlteiieiid werden wir dann selbst Stelliiug uehmeii.

Dtc Schristleitnng.
 
Annotationen