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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 6 (Juni 1928)
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Altherr, Heinrich: Natur und Form
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Walbe, Heinrich: Vom Bildungswert des Zeichnens, [1]: aus der Antrittsrede des Rektors ... an der Techn. Hochschule in Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0174

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DeShalli ist dieses Eine gewitz: Wird die Natur ent-
göllert, so wird sie der Kunst zum Fluch und sie inusz
zcrsallcn! —

Nakur und Forin — daä eine nicht ohne das an-
dere! Was vor wenigen 3ahren noch als ein Kom-
promijz bezeichnet worden ist, die Durchdringung von
beiden — von Nakur und Form — das wird doch
heute wieder als die wesentlichste Ausgabe wirklicher
Gestallung erkannt!

Wie wir die Seele ohne die Verbindung mit einer
körperlichen Vorstellung schwer zu sassen vermögen,
so iibergeben wir den Körper, dem die Seele ent-
flohen ist, üer Erde oder dem Feuer, damit ein neuer
Lebensprozeh beginne! — Die Basis künstlerischen
Schasfens scheint dadurch wohl schmaler geworden,
dafür sind ihr der Höhe zü keine Grenzen geseht und
man kann wohl sagen, dah zu allen Zeiten hoher
künstlerischer Kultur gerade diese Durchdringung von
Nalur und Form zu einer untrennbaren Einheik ihr
Kennzeichen gewesen Ist! — Darum wurde uns auch
elne Feskigung, sofern sie blosz rein formaler Art
wäre, nichk viel helfen! Alle die bedeutsamen Er-
kenntniste von unumstöhlichen Form-Gesehen hcitken
nichk sehr viel zu bedeuken, wenn das innere Le-
ben, wenn die geistige Spannung dadurch sich ver-
mindcrke! Dle Znuberer, denen es mit ihren Pro-
blem-Skellungen nicht gar so ernst gewesen ist, haben
Zweifel an der neuen Kunst und Mihtrauen gesät —
so sehr — dajz eine ernsthafke Problembehandlung
beinahe verdächlig geworden ist! Der Pendel schwingt
nun nach der andere» Seike.

Dem expressioniskijchen Gefühl-Ueberschwang sind
die Nüchkernheik und die sogenannke Sachlichkeit auf
dem Fuhe gefolgk und es ist traurig zu sehen, wie
vtele, die einmal berauschk schienen von den neuen
Erkenntnissen, so bald wieder zu einer fast reinen
Taksächlichkeil oder Gegenskändlichkeit zurückgefun-
den haben! — Schonstehtderverhaszte und
verhöhnte G i p s - Z e i ch n u n g s l e h r e r,'
der uns um die besken Skunden unserer
llugend bekrogen hat und der mit
Schimpf und Schande davongejagt
wurde, wieder vor üer Tür und rvir müs-
sen uns mit allen Krciften dagegen
wehren, dah das unter schweren Kämp-
fen meist mit echter Begeisterung Ge-
wonnene v o n einer bedenklich über-
h a n d p e h m e n d e n K l e i n m ü k i g k e i t nich!
wieder verschllttetwir d!-Wer sich der Zeit
erinnert — es war nicht lange vor dem Krieg — als
der „Skurm" seine erste Ausskellung veranskaltete —

er warf seine Wellcn auch hierher, der weiß, dafz
es schien, als käme für die Kunst der Himmel auf
Lrden! — Es war die Zeit, da die Kokoschka, die
Meidner und andere noch sung waren! Eine Zeit
des HoffenS und der Lrwartung ohnegleichen! Es
war, wie wenn ein neuer, schöner Tempel gebaut
würde, an üem jeder mit eigenen Händen mikbauen
dürfte, und es war wirklich ein neues Schauen! Und
ein Entdecker-Glück! — Die 2dee von der geschlvsse-
nen V i l d ha fti g k e i k, als Ausdruck unserer in-
nere» Welt — die Erkenntnis von Naum — die
Lntdeckung des Nhythmus für die bildende Kunst —
das alles war einfach llberwältigend und niemand
hätke es damals für möglich gehalten, dast all das
Wertvolle so bald nachher als eine Modesache hin-
gestellt werden dürfte! Sind das die Hüter der Tra-
dilion, die sich an alles das nicht erinnern, weil sie es
nie verstanden haben? — Wir wollen nicht, dah sie
sagen dürfen: partui-iunt montes, uasostur riclieulus
mus — eS kreihen die Aerge und es wird eine lächer-
liche Maus geboren —! Wir hören in Gedanken, wie
uns wieder entgegengehalten wird, dasz wir diele
Dinge zu tragisch nehmen! — gewisz, wir wollen nichk
ängstlich sein! Das Gute geht ja bekanntlich nicht
verloren, lrohdem bald jede grosze Nee in den Siaub
gekreken wird! — Wie der Zugend-Slil eine erlte
cntscheidende Manifestation eigenen Lebens, die Ab-
kehr von aller Kulisse bedeutet hak, so wird sich auch
das Echte der neuen Vewegung — der Äusdruck
eines vertieften und erhöhken Lebens-Gefühls noch
auswirken! ES wäre aber falsch, ivenn wir uns ein-
sach üamit beruhiglen! Was wir in der Gegenwart
zu ändern imstande sind, dns dürfen wir nichk der
Zukunst überlassen! Die junge Generation träg!
schwer an der Skepsis, an der Enttäuschung der
Aelkeren! ckn Zwiespalt, wo sie sich hinwenden soll,
leidet sie doppelt daran, dast ihc ein hohes Ziel fehlk!
Lin wertvolles Ziel kann aber nicht ein Äeusteres
sein! Es wäre ein Fremdes! Es muk von Innen kom-
men! Erst recht in einer, in allen Dingen nach
Zweckdienlichkeit fragenden Zeit! — Der Fetzen
Leinwand und der Klumpen Ton, sollken sie nicht, wie
zu allen Zeiten genügen, Dinge zu erweisen, die ihren
Zweck in sich selbsk tragen? —

Menn dem nichk so wäre, dnnn müjzte das Beste zu-
grunde gehen! — Wie der Baum grünt, wie die
Blume blüht, so ist auch ein Kunstwerk um seiner
selbst willen da! — mit dem einen hohen, dem höch-
sten Ziel, eine ewig sich erneuernde Offenbarung des
Göttlichen zu sein! —

Abdruck aus dem Stuttgarker Tagblalt.

Vom Bildüngswert des Zeichnens ^

AuS der Auskritksrede des Nekkors Geheimen Nats Professor Malb e an der Techn. Hochschule In

Darmstadk im 2ahr 1920"

5n hohem Masze hak uns immer die Borbil-
dung zum technlschen Studium beschäftigk und be-
schäftigk uns noch. llst die Oberrealschule oder das
Nealgymnasium oder das Ghiiinasium — besser ge-
sagk: isk die sogenannte humanistische oder die natur-
ivissenschnfkliche Borbildung die geeignelere — das
war und ist die Frage. llch will diese Frage hier
keineswegs entscheiden, obwohl ich meine ganz be-
stimmke Ansichk darüber habe. Aber ich möchke einige

Gedanken dazu äutzern, zu denen ich angeregt wurde,
als im Okkober v. l!s. 20 Archikekturprofelsoren in
Bamberg über die Borbildung für daS Sluoium der
Archilekkur berieken. Sie erklärken damals mit 19
gegen 1 Stimme, dajz die humanistische Borbildung
für das Skudium der Architektur eine besonderS
wertvolle sej.

Fllr den Fernerstehenden vielleicht ein über-
raschender Beschlusz und ftir den Ausländer vol-
 
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