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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 5 (Mai 1928)
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Petersen, Benno: Ornamentzeichnen??, [3]: Erwiederung zu den Ausführungen von D. E. Günther
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Braig, Adolf: Zum Werk von Professor Gustav Kolb: "Bildhaftes Gestalten als Aufgabe der Volkserziehung''
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0147

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iibimg: Dk> Farbe wird auS vollem Piirsei auf daS
Papier geblej't und dann mit reinem Äasser zurn
lineinnnderslieszen gebracht. Eine bakilrarlige Wir-
linng wird erzielt. Durch daS verschiedenartige An-
vrdnen dcr Klexe (eng — weik — -grosz — klein --
ringeiarkig — streisenförniig) usw. wird dem indivi-
dueiien BediirfniS Aechnung gekragen. Die ferkige
Aialerei hak dekornkive Wirkung nnd verinikkelt
neben Lrfahrungen a-uf diesein Gebiet Kennknisse
der Farbenharinonie und -Mischnngen.

Aehniich -gehen wir bei der Erlernung -des Linol-
schniikes vor. 3n der crsten Arbeik rverden die
Merkzengspuren des 'Aiessers zu einein dekorakiven
Werkskosf-Svinbol ziijaminengeskelik.

2n dieser Ark kann man mit jeder neu zu er-
iernenden Technik verfahren.'Nur so lernt dec Schü-
ler in geeignelcr Aiekhode Gesehe, Eigenheiten und
Bedingungen des Materiais kennen, deren Kennt-
nisse zu eineni unenkbehrlichen Rnstzeug geworden
sind zn neiizeitlichem, schöpferijchem Schaffen.

Lilles „Musterzeichnen" oder Ornamentieren auf
dem Zeich-enbogen mit üem Ziel, diese auf dem
Papier eiilstandencn Motive in anderer Technik, anf
andere Stoffe zu überkcagen, halke ich für verfehlt.
Das Aauh-aus in Dessnn schickt seine Künfkler z. B.
in die chemischen Lnborakorien der Textiifabriken,
damik sie die Skoffarben auf Lichkechkheit, Waschbar-
keit usw. gründlich prüfen nnd die dort gewonnenen
Ersahrungen bei ihren Enkwllrfen für die Skoffdeko-
ralionen im Wohnraume verwerten.

Die Technik hat auf das Perfönliche gewaltigen
Einflnsz gewonnen. Die Möbel zeigen in ihrer Kon-
slruktion deuklich die Herknnfk nus -der Maschine,
sie nnhern sich nicht mehr der handgearbeiteten,
heule als unrakionell anerkannken Form (wer ist
heule noch in der Lnge, nnch Entivürfen bei einem
chandwerker seine Einrichkung herslellen zn lassen?),
sondern zcigen aufrichtig ihre einfache und zweck-
mnszige Hcrsiellilii-g. Der Möbelkechniker, der die
ganze Herstellung mik verankwortungsbeiviiszkcr Ge-

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wissenhaftigkeit übecmacht hat, mufz feines
k ü n sl l e r i s ch es Lmpfinden besihen. Die Er-
ziehung zu diesem künstlerischen Versländnis ist un-
scre rvichkigske und größte Aufgabe. Die Wurzel
dieser Kräfte liegt nicht in -der Technik, sondern in
der schöpferifchen Phantasiebetäti-
g u ii-g. Das „Schmücken" als Pflege der Einbil-
dungskraft ist heuke ein gänzlich falscher Weg im
linkerrichk. Auf anderem Gebiet, ohne Zweckrichtung,
in reiner Ausdruckschuiung darf die Phankasie reifen.

Um diese Kräfte auszulösen, wird einem verstän-
digen Kunsterzieher die Wahl seiner Methode nichk
zweifelhaft sein. Oder sollke es noch in unteren
Äeihen Kollegen geben, die dem Ornament-Lehr-
planvorschlag der Gewerbeschulbehörde gegenüber
den Aedisfederzeichnungen vorsinkflutlicher Tieredes
Stuttgarker Reform-Aealgynmasiums (Hefk 3, 1928)
den Borzug geben?

Künstlerische Lrziehun-g ist heuke nokwendiger als
ehemais. Wir müssen nur die treibenden Kräfte
erkennen, die auf unsere Arbeit Einflujz haben. Mir
müssen mit den wirkschaftiichenKultiirfaktoren rechnen,
die unser Wirken neu orienkieren. Mit Opposition
können wir gegen die Umwälznng nichkS ausrichten.

Die Vereillchnfk der mit der Zeit forkschreitenden
heranwachsenden Generakion zu den Anforderungen
der neuen Kulkur stellt uns vor grojze nakionale
Aufgaben:

2n allen Ländern beginnt -ein Wettbewerb um den
wirtschaftlichen Vor-fprung der neuen Lebensform.
Während es im Osten der'geiskigen Arbeit an ma-
terieller Grundlage fehlt, die eine prakkische Durch-
fllhrun-g vieler guter, aber unklarer 3deen unmöglich
machk, während im Westen (Amerika) die Ratio-
nalisierung in kulturloser, sensakionellcr Aufmnchuiig
propagandiert wird, versucht Deulschlan-d die Lösung
der Probleme unserer llndustrie-Epoche in gründ-
licher Denkarbeit zu organilieren.

Wozu also „lamentieren , weiin ein ?lst abgesägt
wird, der sich als morsch erwiesen hat!

Zum Werk von Professor Gustav Kolb:
„BildhafLes Gestalten als Aufgabe der Volkserziehung"

Von Skudienprofessor Adolf Braig - München.

Der Lehrer, der mit einer Schülerschar aus der
Sladk nuf eine Wanderung auszieht, kann erfahren,
dasz ihm von mancher Seike her, die er in den 3ungen
anriifk, nur ein schwnches Echo ziirückkommk. Auch
wenn er sich vvn schiilineisteriichem Belehrenwollen
^sernhälk — die mit aliem Takt und Sikliakionsempfin-
den gegebenen Hinweise auf nnziehende Bildungen
der Nntur oder der Kunsk finden zumeist nur flüchkige
Benchkung. Die Schüler wollen kaum mehr halk
inachen vor einer Wetkerkanne, die als ein Natur-
dcnkmnl daskehk, und von krafkvoller Zoheit, von
Kampf und Skerben erzählk. Sre wollen sich bei dcr
'-Kast auf dem Httgel knum mehr in die stille Schön-
hcit verfenken, die aus dem Gefüge der Landschafk
sprichk, oder mit eiiiem Blick dem -Fluge des Äaub-
vogels nachgehen, der hoch über dcn Wäldern seine
Krcise ziehk. Sie finden das Dorfkirchlein und die
schmiedceijernen Grabkreuze des kleinen Friedhofs
nichk „inleressant" genug, um ihnen tiefere Veach-
lung zu schenken.

Wenn aber auf der Landskraße ein nahendes Auko
sich hören läßk, so horchen sie gespannt auf, und
lchon am Geräusch aus der Ferne erkennen und
bestimmen sie mit vollster Teilnahme, dajz eS ein
„Opel", ein „Adler" oder ein „Buick" sein iiiusz.
Die Aeskätigung durch den Anblick gewährk ihnen
schliLszlich kiefe Befriedigiing.

3n sotchen Tatsachen o
Wandel der Zeik. Der Gei

fenbart sich deuklich der
t der Technik, des Sports

und der modernen Wirtschaft ist Herr Ler Gegen-
wark und sein sieghaftes Gebaren zieht auch die
Iugend in den Bann. Es wäre sinnlos und un-
natllrlich, ihre Teilnahme davon abziehen zu wollen.
3m Gefolge dieser Erfcheinung meldet sich aber eine
nndere Aufgabe drängend und unabweisbar: die
Seelenkräfte nicht veröden und vergehen zu lassen
unter dem ausschlieszlichen Anerkennen von Nuhen
und Zweck und ihren vollendeken Ausformungen, die
(lnnenwelt zu behaupken unker dem Anskurm der
Auszenmächte, damit die menschliche Natur nicht aus
 
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