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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

DOI issue:
Heft 9 (September 1928)
DOI article:
Schubert, Paul: Allerlei Nachdenkliches über Kunsterziehung und Kunsterzieher, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0278

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Allerlei AachbenMches über Kunsterziehung und Kunsterzieher

dv» Pnul Schubelk, Fraiibsurk u.M, l

Zeuke könneu wir Kunstlehrer mit Befriedlgung
festskelleu, das; es durch begeiskerte und zielbewußke
AufblüruugSarbeik unserer Ärbeiksgeineinschaften, der
Aegsniubeit eiugeluer uud üurch uuser Fachschrift-
kuin geluugen ist, die lrunslergieherliche Arbeit aus
dem Dunbel herauszuheben, das Unkenntnis und
Borurkeile rein inkellektuell eingestellter und bisher
allein maßgebender Schulmänner und Kunskgelehrken
mehr oder weniger absichtlich über den Zeichenunker-
richl an höheren Schulen gebreilek hakten. Bortrcige
in- und auszerhalb der Schule, Aufsähe und nicht zu-
jeht weiten Kreisen zugünglich gemachte Ausstel-
jungen von Schülerarbeiten haben wie ein skarker
Lichlskrom aus Anschauung uud Belehrung das be-
sonders im lehken iöahrzehnt Geleistete beleuchtet und
bewirkt, dasz erfreulich viele Pädagogen lauch Philo-
logen), Künstler und Kunstkrikiker anders übec den
Wert des Zeichenunterrichls denken, als wir es
früher leider gewohnt waren. Mit anerkennenS-
werler Ossenheit haben sie das auch ausgesprochen.
In hochskehenden Zeikschriflsn, in grojzen Tnges-
zeilungen und auch in illustrierten Vlätkern erschie-
iien Abhandlungen — zum Teil mik Abbildungen von
Schlllerzeichnungen —, die beweisen, dasz anerkannk
worden ist, welche reichen, geskaltenden Kräfke spie-
leud srei gemachl wordeu sind. Ein Kuuskschrislsleller
schrieb uach dem Besuche eiuer Schiilerausstelluug:
„DaS Ergebnis der ueueu Lehcmelhode elnes frelen
Geskallens unter gleichzeikiger Berbindung des Zei-
chenuukerrichks mil anderen Ankerri6)ksfächern dec
Schule wird eine Förderung des Berstnndesmäszigen
durch Hinzukrikk des gefiihisinäszige» ErlebenS sein,
die sür die Ausbildung einer harinonischen Persönlich-
keik von einer bis üahin unbekannken Wirkung isi."

Zwischen der Fülle an Anerkennung findek sich
aber nuch Krikik und Falschverslandenes über unsere
Ärbeitsweise, die sich ja — wenn auch die Leit-
gedanken festliegen —, immer noch in einer gesunden
und ruhiger gewordenen Ambildung befindek. Alle
diese ÄiiSlassungen in der Presse verdienen unsere
gröszle Würdigung. Sie mlissen uns, wenn wir Krikik
siudeu, zu strenger Selbstbesiunung und -beobnchkiing
führen, ebenso, wie wir Irrklimer in der Auffassung
über uusere Ärbeit sachlich ausklären müssen. „Der
Kunskerzieher sei sich", so lesen wir in elnem päd-
agogischen Blatke, „der hohen Mission bewuszt, an
einem Kunstwerk mikzuarbeilen, für das unsere
kunstvernrmke Epoche wegen phpsischer und mate-
rieller llnkeressen so wenig Zeit und Berskändnis auf-
bringk." DieseS Kunstwerk ist die neue llugend, und
uusere Missiou verpslichtet uus, alle diese werlvolleu
Abhaudluugen zu leseu, auf Slimmen nuS den inker-
essierten Kreisen zu hören, sie fttr unsere Arbeit
uulzbnr zu machen und nicht in schulmeisterlichec
Ueberhebung, die ganz unzeitgeinälz ist, den „Nicht-
fachmann" als „unzuständig" abzulehnen. Es wäre
eine werkvolle und dankbare Aufgabe, ein „Archiv
der Prelseskimmen" (in Zeikschrifken und Tages-
zeitungen) zu sammeln, damit der heukige und noch
mehr der späkere Zeichenlehrer Gelegenheik hat, die
auszerordentlich erfreuliche Ambildung der Vewer-
kung des Knnstunlerrlchts, die sich in unserer Zeil In
schnellerem Tempo vollzieht, zu studieren.

Deuklich wird erkannt werden, daß die Zelt für
eine solche Amskellung erst reif werden muszke. Und
die Zeikenkwicklung isk unserer Arbeit günstig, was
wir nus der groszzügigen Äede des preuszischen Kult-
ministers Dr. Becker Im Landtage herauslesen dür-
fen. Er sagke: „Es läszt sich nicht leugnen, dasz wir
uns in einer Kulturkrise befinden, die darin besteht,
dasz ein gewalkiger säkularer Generakionsumschlag
andere geiskige Werte in den Bordergrund gerückt
hak, als sie unsern Bätern als endgülkig und unver-
rückbar erschienen. 2ch denke dabei ... an die
Zerskörung öer Alleinherrschaft des
Inkellekkuellen im Bereiche unserer
BIldung und an die Neufassung des Berhälknisses
von Autoritäk und Freiheik auf dem Gebiek der An-
wendung unsereS Bildungsgukes in der Erziehung.
... Gerade die Reakkion auf unsere rakionalisierke
Zivilisakion wird auf allen Gebieten unseres geistigen
Lebens die Znkuikion zum Ausdruck einer sich
kündenden Zeik. Schövfung nus dem u n -
mitkelbaren Erlebnis wird wichtiger
als vererbke Tradition ünd erlern-
bare Uebun g." Wir wollen nichk so köricht sein
und den heutigen Zeichenunkerrichk, der auf der
Pflege inkuitiver Kräfke pnd dem unmiktelbaren Er-
lebnis aufgebnut isk, als einen Eckstein der neuen
Bilduiigsentwiclilung hinskellen: denn gerade, um vor
Ueberlreibungen und Berskiegenhellen zu warnen,
werden diese Zeilen geschrieben. Aber das Bewubt-
sein dürfen wir haben, ein bedeutend wichligeres
Glied im Gnng der llugendbildung zu sein, nls bis-
her trosz Schulreform und Rlchtlinien für die höheren
Schulen Preuszens zugegeben wurde.

Wie stark sich dieser neue Zeikgeist auf elnem
wissenschasklichen Unkerrichksgebieke, der Äeutsch-
kunde — mit der der Kunstunterrlchk am meisten ver-
wandk ist —, schon auswirkk, zeigk eine Berfügung
des Prov.-Schulkollegiums Brandenburg-Berlin llber
das Berbot der Klassikerbearbeikung in den Schulen.
„Eine erskaunliche und überraschende Volschaftl"
schreibt eine grosze Tageszeikung dazu, „Lessing,
Schiller, Goelhe, Kleisk und die andern „Schulklas-
siker" werden amtlich der Vearbeikung in Schul-
aufsälzen enkzogen. ... Alle diese Anakomieüblingen
an klassischen Dichkungen werden jeht aufhören."
Der Aufsah schlieszt: „Älso keine Mißhanülung
der Dichter mehr! Und skatl der phrasenhafken
Unkersuchungen die Pflege einer schlichten, klaren,
iachlichen Ausdrucksweise." Aus unsern groszen Ber-
bcindstagungen Ist uns mehrfach von bedeutenden
Schuliuüunern und Kunslgeiehrkeu die „Berekluug"
der Literatur im allgemeinen uud der Klasslker Iiu
besonderen als warnendes Beispiel vorgehalken wor-
den, und jehk hörk man schon davon, dasz auch „dle
Klassiker der bildenden Kunst" und die groszen Kunst-
werke vor Miszhandlungen geschlllzl weröen sollen,
damit nicht die Museen so leer werden wie die
Klassikervorstellungen und die groszen Bildwerke so
wenig angesehen wie die Klassiker gelesen werden.
Mer in „Muskerlekkionen" und bei „Kunskerziehungs-
wochen" an höheren Schulen gesehen hat, wie Schlller
mik einer Flut von kunstgeschichlllchem Wissen llber-
schllktek wurden oder nach dem Prinzip des „Arbeils-
 
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