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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 8 (August 1928)
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Betzler, Emil: Gestaltung der Naturform
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0243

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wird es Aufgabe des Lehrers sein, mit behuksamen
Worlen und deukenden Linien (autzerhalb der kind-
lichen Arbeit) sein Fühlen und Schauen zu leiten.
Alsdann wird das Kind dahin gelangen, in dem
weilräumigen Bau der Landschaft wie in der zier-
lichsten Vlüte die Offenbarung des unendlichen Le-
benS und seine gesetzmäjzigen Ordnung zu
empfinden, es wird mik Ehrfurcht üen tiefen,
schiclisalhaften Zusammenhang und Einlrlang spü-
ren, der aller Krealur innewvhnt und es wird
in sich und nutzer sich aus den Rhylhmus
horchen, der in seinem elgenen Blut wie im
Blut und Saft aller Nakurwesen schwingt. Es wird
so aus seiner eigenen Gestaltung heraus der Na-
lur und ihren Lebensäujzerungen näher lrommen
(und daraus Gewinn ziehen sür sein ganz späteres
Dasein), alS wenn es im Naturlrundeunterricht nur
verstandlich die Daten und Tatsachen lernt. Und es
wird, da es nun auch in der Gestaltung der Natur-
form ständig auf seine Borstellungs- und Phantasie-
iiräfte angewiesen ist und sie gebrauchen mutz, diese
Kräfle vor dem Einschlummern bewahren und sie
sich über den lirikischen Ilebergang zur Geschlechts-
reife hinaus fruchtbar erhalten.

Ich liomme zum Schlutz meiner Ausführungen. Es
lag mir am Herzen, Ihnen darzulegen, datz die Ge-
slallung der Nnkurform «ut ihren verschiedenen Me-
gen nichl eine der Gestallung aus Phantasie und
Borstellung nolwendig enlgegengesehte Art und
Weise sein musz und datz also im unterrichksgang
nichk unbedingt ein Nitz zu lilaffen hak, der — daS
isl lilar — die ganze Kuusterzichung allerdings als
ein ersl hnlb gelvsles Problein erscheinen lassen
mützle. Bielmehr isl durchaus eine organische Ber-
bindung der beiden Haupldarstellungsweisen mög-
lich, wenn vom Lehrer aus die ausgezeigte gegen-
seilige Durchüringung herbeigesührt wird. Mir haben
niigesichks dieser lalsächlich möglichen Einheitlichlieit
uud dieses jetzl geschlossenen Aufbaus nichl mehr
nvlig, die verborgene Naklosiglieit zu teilen, die aus
ZZarllaubs Worten lönle, als er vor einem 2ahr in
Knrlsruhe von dem normalen Bersiegen der phan-
lasiemätzigen Geslalkungsliräfte sprach und empfahl,
nlsdann »nch diesem Bersiegen im Sinne neuer
Snchlichlieit den Unkerrichl weiterzuführen. Wk
brauchen nuch nngesichts der Durchdringung der
phniiknsiemätzigen Gestaitung mik den Kräfken der
nuS der Beobachlung gespeislen Borslellung — dies
beginueiid i»il dei» 18. oder 1b. Lebensjahr — nicht
mil Pros. Lill die Gesahr der Ilnverslüiidlichlreit der
liindlichen Arbeil und dnmit die Gefahr des rein sub-
jelitiven, n i ch l zur Einordnung in die gegebene Ge-
ineinschaft erziehenden TunS zu befllrchten

Die groszziigige Z u s a m m> e n f a s s u n g unserer
tlnlerrichtsinitlel ist, scheinl mir, die umfassende Auf-
gabe, die der Kunsterziehung in den Iioinmenden
bahren zur LLsung gestellt ist. Mir müssen diese
Spnthese erslreben, um den lrühnen Bau zu voll-
enden, de» wir errichlet haben. Wir mllssen die
reine Pbaiikasiegestallung auS der nur subjelitive»
Willliür befreien, sobald es angüngig ist — und wir
-liönne» es, oh»e Gesahr zu laufen, den lebendi-
gen Aorn jugendlicher Schaffenslust zu verstopfen,

und wir brauchen andererieiks eine Gestallungs-
form mittelbar oder unmiktelvar vor der Natur, dte
nicht eine langweilige, mechanische Abzeichnerei ist,
sondern elne Neuschöpfung der Naturform. Wir
tzennen das Wort vom magischen Realismus, das
eine Kunstrichtung bezeichnen will, eine Kunstauf-
fassung, üie nicht einen nur äuszerlichen Wirlilich-
keitswillen hat, sondern die dte Durchdringung der
realistischen Darstellung mit dem Element des Ma-
gischen, des Lebenswunderbaren und Unergrllnd-
lichen will, das ja für fühlende Augen In jeder Na-
turerscheinung verborgen glüht. Eine solche Gestal-
tungsweise, umgestellt auf das jugendliche
Schaffen, möchte ich uns fllr ünsere Schulen wün-
schen.

Es gibt in allen Unterrichtsgebieten gewisse un-
verrückbare Grundlinien, generelle Gesetze, die wohl
von Modeströmungen einmal vernebelt werden
mögen, aber doch immer wieder mitkels der ihnen
innewohnenden Kraft sich sichtbar machen und durch-
setzen. Die Grundlinie der Kunsterziehung zeigk genäu
wie in der Kunst die Richkung nicht hin aus grötzt-
mögliche Korrektheit gegenüber der Naturform, son-
dern auf die Gestaltung des Schönen aus
der Synthese von Schauen und Fühlen,
von Sinneseindruck und Gefühlsaus-
druck. Nichtig ist also nicht die Zeichnung der
millimekergenauen P.räzision, sondern richtig ist die
Zeichnung, wenn sie die lebendige Emptin-
dung, die der opkische Eindruck auslöst, wahrheils-
aetreu spiegelt. Aus S i n n e s e r f a h r u n g und
E m p f i n d u n g s e r k e n n l n i s ergibl sich
dIe schöpferische Gestallung. — '

Wir liymmen so auch unserm Ziel »äher: de»>
Kinde über seine Schulzeit hinaus ein Merkvolles zu
erhalken: das Gefühl, eininal in der tzugend bei-
nahe ein Künstler gewesen zu sein und gelernt und
erlebk zu haben, dasz auch alle höchste Kunsl immer
ein Groszteil F ormung ist, ja, das, ohne Forinung,
ohne Gestalkung K e l n e Kultur denkbar isl und
datz nur der chas Zeugnis deS gebildeten Nrenschen
im Sinne echker Humanität verdienk, der die innere
Zucht der Form an sich selbst erfahren hat und
dem es Nokwendigkeit bedeutel, immer nach guler
Gestaliung aller seiner Daseinsäujzerungen zu slre-
ben.

Wir versuchen so, die siugend auSzuskalken mit
dem Munsch und Willen, den Nisz zu überwinden,
der sich mit dem Beginn der Geschlechlsreife auslul,
den Ritz, der sonsl so leichl daS Schluszzeichen isl des
einzigen gerundeken, ungebrochenen ÄbschnilleS im
Dasein und der Anfang hofsnungsloser, weil kamps-
loser Dumpfheit. Mir haben den faustischen Sinn
unserer Exislenz zu erfüllen, und mil dem Einsatz
aller Kräfte zu ringen — nicht um die Aushebung
des Dualismus in uns; denn dies isl nichl in unsere
Hand gegeben — woht aber um die F r u ch l b a r -
machung der gegensätzlichen Anlriebe. tind wir
dürfen als Lehrer und Kunslerzieher dns nnspor-
nende Bewujzlsein haben, dnsz es kauin ein anderes
tlnterrichtsgebiek gibt, dem solche Mvglichkeilen deü
geistigen Einwirkens in diesem Sinne nuf die hu-
gend gegeben sind, wie der Kunsterziehung.
 
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