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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 11 (November 1928)
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Umschau / Sprechsaal / Buchbesprechungen / Schreibe in Angelegenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0356

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-297

ganz allein. Zuersl von ihrer Puppe, der Frlda, dann
auf einmal:

„Nacht, überall Nacht —

Nacht — hier Nncht,

Drauszen auch Nacht,
ltnr Garten Nacht,

3m Wald auch Nachk,

Üeberall Nacht,

Und Skernlein hoch oben am tzlmmel,

Gros>e Sternlein, üleine Slernlein.

Alle schliifen,

Der Vrunnen schlast,

Dle Väume schlafen,

Der Mald schlaft,

Die Sternlein schlasen,

Der Mond schlasl,

Nlle Leule schlafen,

Schlaft wohl!

Schlaf mohl, Mald!

Schlaf wohl, Garken!

Schlaf wohl, Nachl! —

Lieber Goll, mach mich fromm,

Dasz ich in den tzimmel komm!"

3st daS nicht, nlä ob man ein Quellchen rieseln
hörle, von dem nuZ dle Poesie ihren Ursprung
nimmt? Ienseiks von aller Literntur und ihren Vor-
ralsbehnltern?

Ein Quellchen, auL dem auch die losenden Slurz-
bciche und die stolz hinwandelnden Ströme der
Poesie ihren Anfang nehmen. Die Verwunderung
und daS Slaunen sind dle lebendigen Quellen der
Poesle. Der Verstnnd isl srelllch immer dahlnler her,
slä) die Verwunderung nbzugewöhnen. EZ isl wohj
jeine Aufgabe, und ich will sie ihm nicht absprechen.
WnS ist ihm die Nncht! Da ist doch nichtS zn ver-
wundern. DaS livmml, weil die Sonne auf der nndern
Seite der Erde sleht. Von diesem Slandpunkt aus
wird freilich keiner ein Nnchtlied singen oder ein
Nachllied verslehen.

Sprechsaal

' Ueber die Einheil ii» bilbhasleu Gestallen.

<Ein Worl M.dem Aufsah „Geskalkung der Natur-
sorm" von L. Veliler. Franksurl a. A!.)

Von Karl Hits, Skullgnrt.

Wenn wir heuke die einheitlichen Leistiingen bil-
dender Kunst vergangener Kullur verglelchen mit
den Kunskleiskungen unserer Zeit, so falll uns beson-
derS die Geskaltungszerrissenheit der Kiinsl der leh-
len 3ahrzehnte des vergnngenen Iahrhunderks
schmerzlich auf. WnS nninenllich auf nnseren ^lka-
demlen nnd Kunstschiilen an GeslallungSzerrisjenheit
gelelstel wurde, wird unser geweckteS ?luge in imnier
schärferem Lichle gewahr.

All unser Vemnhen im Knnsliinlerrichi mub bar-
auf gerichkel sein, aus diesec unsicheren, im Grunde
unklinstlerischen Hnlkung heraus zu kvmmen. Die
Mege dnzu sind unS gewiesen. Seil man die enge
Verwandlschaft der volkskiimlichen Kunstbetäligiing
und der Kunsk der Nakurvölker mil den freien Ge-
staltungen des Kindes enkdeckte, beginnt man den
Kuiislunlerrichk nuf der Grundlnge des kindlichen
GestaltenS aufzubauen. Mnn hal auch erkannk, dasz

die Darslellung des Erlcheinungsgemäszen in der
Natur die Geskalkungseinheit zerreW und nur aus
der freien bildnerischen Gestaltung des KindeS und
der Jugend eine neue künsklerische Kultur entwlckelt
werden kann. Zwei Megweiser sehen wir bereils
vor uns ausgerichtet: Kolbs „Bildhaftes Gestalten"
und öas kurz darauf erschlenene Merk: „Die Theorie
der bildenden Kunst von Gustas Vritsä)". Aber beide
Werke sind nur Wegweiser. Die Erfllllung liegl
noch keimhasl ln der deulschen 3ugend, und beide
Werke hätlen überhaupk keinen Sinn, wenn ihr
Mollen nichl dem Sehnen der heutigen liugend und
den künsklerisäzen Grundkräfken, die sich in unserer
Zeil wieder mächkig regen, entspräche. Äus dem un-§
gebrochene» kosniischen Nhlhnius und aus dem i
Nhplhmus ihrer Zeil ist z. V. die Gestaltiingseinheit'
der Nomanik und der Gotik erwachsen. Auch die
Einheit der bildnerischen Gestaltung des Kindes
fließt aus denselben Grundkräften. 3ch glaubte, das
rväre eine selbskverskändliche Erkennknls in unseren
Neihen geworden und ein Nücksall ln Lehrmethyden,
Lie der Gestaltungseinheit zuwider sind, wäre heule
unmöglich. Leider sehe ich mich in dieser Annahme
getäuschk, seit ich den Aufsah über „D i e Gestal-
kung der Naturfor m" unseres Kollegen Ä e si-
lers gelesen habe <Ku»st und 3ugend 1028, Hest 8).

Die Fragen, die der etwas workreiche und ost
widerspruchsvolle Aiifsab behandelk, sind Kernfragen
für uns. An ihrer Lösung entscheidet sich das Schick-
sal unserer heutigen Kunsterziehungsbestrebungen.
Deshalb dürfen die Aiisführungen VehlerS nicht un-
widersprochen blelben.

A. ist der Ansichl, es sei dem Schttler <wir denken
an den DurchschniktSschüler) möglich, aus dem Stu-i
dium der Natur unmiltelbar die Kunslform zu ges
slallen. Die selner Abhandlung beigegebenen Schlllers
arbeilen beweisen das Gegenleil. Vel dem Veispiel!
P h a n l a s i e b l uiii e n ist die Tlufgabe selbst dank-
bar und gul gewählt. Äuf welchem unmitlelbaren
Lialiireindriick beruht aber die Lösung? Itnd kann
man von dleser Lösung tatsächlich nls von einer Ge-
stnllungseinheil reden? sinimerhin ist diese Arbeil
noch die beste der nbgebildeken, da man hier noch
im bescheidenen Sinne von Gestalkung sprechen kann.
Sehen wir uns nber die Abbildung „Sporkliche
Bewegnnge n" näher an. Die zwischen die Dar-
skellung eingeschalteken Beobnchllingen haben die
Geslallungseinheil sicherlich nichl gesördert. Nhi)lh-1
miis und Leben, die Krilerien jeder Gestallung seh-
len hier vollkoinnien. Das Vlalt ist angeslilll, nicht
„ersüllk", einzelne GedächtniSbilder, also „Änsichlen",
nicht Gestnlkungen, sind inechanlsch zusaiiiinengesejjt,
wie es sich gerade traf. Von einer Äildkomposilion,
von elnem blldmäszigen Ganzen sinde ich keine Spur.
Die Vogelstudien <Tauben) sind wohl vor dem a u S-
gestopsken Modell enksianden, nicht nach dem
Leben. Von einer Gedächlnisleislung vder vielmehr
einer „Schauung", die für V. nach seinen Morlen
masigebend ist, findel nian hier nichlS, ebensowenig
von einem raschen Hingeschriebensein der Linien.
Einzelne Linien sind recht gewandt hingesetzt, gehen
aber mit anderen Teilen der Zeichnung nichl zu-
sanimen. Man vergleiche die geschickt gezelchnele
Lichkspiegelung im Auge Ler Taube vben mit Ler un-
verslandenen unorganischen Darslellung des Futzes
der Taube unken. Kann ma» hier vvn einer Einhelt-
lichkeit der Darslellung vder gar der Geslallung
reden? Entsprecheii solche Darslellungen dem Nalur-
 
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