Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

DOI Artikel:
Deutsche Renaissance
DOI Artikel:
Thausing, Moritz: Die Pseudo-Dürerzeichnungen in Berlin, Bamberg und Weimar, und ihr letzter Vertheidiger
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
29

Die Pseudo-Dürerzeichmmgen in Berlin, Bamberg und Weimar, und ihr letzter Verlheidiger,

30

Säulenwerk und Muschelnischen verzierten Schrank, an
>ich Bl. 14 ein Lhnlicher „Ghalter" von älterem
^^Präge mit schönem geschnitztem Zierrath anschließt; an
kunstreichem Geräth auf Bl. 9. den vermuthlich aus
^aninitzer's Werkstatt stammenden, vormals Hertel'schen
Silberbecher in der städtischen Sammkung und auf Bl. 19
einen getriebenen Silberbecher derselben Samnilung,
^er sich tzurch seine, die Gestalt eines Fingerhuts nach-
ahmende, Grundform und die am Rande stehenden Verse
als Znnflbecher des chrsamen Schneidergewerks kundgiebt:

„Heinrich Georg, und Jeronimns, Gewandschneider
gebruedcr Onveudrus, Das Schneiderhandwerk hie ver-
ehrn, Mit diesem Geschirr Freundschaft zu mehrn." rc.

Doch auf Details einzugehen, wird später noch Zeit
genug sein. Hier war es nnr unsrc Absicht, das hochver-
dienstliche Unternehmen den deutschen Künstlern und
Kunstfrennden warm an's Herz zu legen. Jhre Theil-
nahnie leistet die beste Bürgschaft fllr sein Gelingen.

C. v. L.

Äir Psr»do-!>lirrr;cich»imgrn i» Lrrlin, Snmbrrg
nn- Nrimar, und ihr Irtztrr Vrrthridigcr.

Leicht nnd gefällig bewcgt nian sich nur in ausge-
fahrcnen Geleisen, und auf der breiten Heerstraße der all-
gcmeinen Ansichten giebt es kein Rennen mit Hindernissen.
Wer es aber wagt, sich abseits mühselig den Weg zum
Ziele zu bahnen, der wird mehr anf Widerspruch als anf
Nachfolge gefaßt sein müssen.

Dies verhehlte ich mir auch keineswegs, als ich auf den
Wunsch eines in seinei» ästhetischen Gewissen bedrängten
Dürerverehrcrs mein seit Jahren gehcgtes Urtheil über die
Pseudo-Dürerzeichnungen aus den Sammlungen Heller's
und von Derschan's im 4. Hefte des VI. Jahrganges der
„Zeitschrift für bildende Kunst" öffentlich aussprach.

Wenn die anspruchsvolle Publikation dcr Berliner
Profilköpfe zum 400jährigen Dürerjubiläum dazu die
Veranlassung bot, so konntc es mir eben nur leid thun,
daß gerade cine so strebsame VerlagShandlung, wie die
Soldan'sche in Nürnberg, das Opfer einer bis dahin frei-
lich sehr allgcmeinen Täuschnng geworden. Der Ge-
danke an eine Schädigung dieser geachteten Firma kam mir
dabei ebenso wenig in dcn Sinn, wie etwa der an unge-
ahnte gelehrte Miturheber der Publikation.

Um so mehr mnßte ich es bedauern, daß sich v. Ehe
dadurch persönlich getroffen fühlte und in zwei Artikeln
des „AnzeigerS für Kunde deutschcr Vorzeit", 1871,
Nr. 3 u. 4 Angriffc abwehren zu müsscn glaubte, die
gegeu ihn zu richten, mir niemals beigcfallen war. Doch
schätze ich die Verdienste deS mir persönlich hochwerthen
Verfassers von: „Leben und Wirkeu A. Dürer's" zu sehr,
als daß ich nicht glcichwohl gerne einer Polemik mit ihm
ausgcwichen wärc nnd lieber anf eine Nechtfertigung ver-

zichtet hättc; znmal da dieselbe glcichzeitig eineVerthcid:gnng
Dürer's gegen die Anklage auf „außerordeutliche Mängel
in der Zeichnung" ja sogar auf „Dilettantismns" hätte
iu sich schließen müssen. (Vergl. indeß damit die trcffliche
Schilderung von Dürcr's „vollkommenster Mcistcrschaft
als Zeichner", v. Eye, Leben DUrer's, S. 197).

Nur wenn v. Ehe die von ihm zugegebenen
Schwächen der falschcn Dürer-Zeichnungen aus deren
Unfertigkcit nnd Flüchtigkeit erklären möchte, erlaube ich
mir dagegen zu bemerken, daß nach den Anschauungcn,
die ich von Dürer's zahlreichen über Deutschland, Frank-
reich, England nnd Jtalien zerstreuten Zeichnungen zu
gewinnen vermochte, gerade seinc ersten flüchtigen Entwürfe
von Köpfen, sei cs in Kohle, Krcide oder Stift, sich stets
durch richtige Iluffassung der Formen, durch Lebendigkeit
nnd Naturwahrheit am meistcn auszeichnen und daß sie
daran bei weiterer Ausführung wohl verlieren, nie aber
gewinnen — wie das ja, mcines Wissens, auch bei allen
andercu hervorragenden Meistern der Fall ist.

Daß ich hiermit doch auf jene Artikel v. Eye's zu-
rückkomme, geschieht nnr deßhalb, weil sie anderen An
hängern jcner gefälschteu Dürerzeichnungen als Nüst-
kainmer für ihre Erwiederungen dienen. Als letztcr
Bertreter ihrer Echtheit erscheint in Nr. 24 der
„Knnstchroiiik" von 1871 kein Geringerer als Professor
W. Lübke. Es ist ja gewiß — nnd wir verkennen
das nicht — eine besoudcre Ehrc für die kritische Kunst-
forschung, wenn sich der Meister der lliiiversalität anch
zur Besprechnug einer ihrer Detailfragen herabläßt. Nur
die Nolle eincs unparteiischen Dritten, welche Prof. Lübke
beansprucht, möchten wir ihm nicht zugestehen, wenn
schon Parteinahme im kleinen Sinne des Bambergcr
Stadtmagistrates nnd nicht vielmehr hergcbrachte Ge-
wöhnung angerufen werden soll. Wir finden es vielmehr
so angemesseu, Prof. Lllbkc auf Seite des letzten originalen
Biographen Dürer's stehen zu sehen, daß uns nur das
Gegentheil Wunder nehmcn könnte, und wir bezeugen
hiermit auch gern, daß jenem Forscher Alles angehört,
was hicr von faßbaren Gründcn beigebracht wird. Da-
bei ist nur der Uebelstand, daß v. Eye's zicmlich abfälliges
und ungünstiges Urtheil über die fraglichen Zeichnungeu
hier ästhetisch in's Gegentheil umgescbraubt wird und
darum zur Schlußfolgerung gar nicht mehr paßt. So-
bald mir: „verzeichnete Ohren, vcrkümmerte Hinterköpfe,
zu dick gerathene Hälse bereitwillig zugegeben wcrdcn",
dann halte ich nichts mehr von Subtilitäten, wie von
„der schlagenden Prägnanz, mit welcher überall in-
dividnelles Leben zur Erscheinung gebracht ist, von der
Feiuheit der Abstufungeii, die am übcrraschendsten heraus-
tritt", rc. denn immer handelt es sich doch noch um Thpen
von normalen Europäern und nicht um eine Auswahl
von Aztekenschädeln oder Mißgeburten.

Wenn hingegen weiter unten über die falschen
 
Annotationen