Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

DOI Artikel:
Meyer, Alfred Gotthold: Die dritte Münchener Jahresausstellung, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0031
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HEKATJSGEBEK:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN

Heugasse 58.

KÖLN
Kaiser-Wilkelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenst, 15. Berlin: W^ELKÜHL^^^

Neue^Polge. HL Jahrgang.

1891)92.

Nr. 4. 5. November.

u. s. w. an.

* __~_ o o __ --___

So»™1"8 Kunstchronik erscheint^ Beiblatt zur „Zeitschrift für bildendeund 7^';^tt\ÄÄ!£
sc^^rfm0naten Juli bi8 September monatlieh einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und «?^Stop!SSilI nehmen außer der Ver-
f"ft fur b«dende Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. - Inserate, a 30 Pf. für die dreispaltige Pet.t7.eile, nenm
^haiidhrngjlie Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler. Eud. Mosae

D

DIE DRITTE MÜNCHENER JAHRESAUS-
STELLUNG.

von ALFRED GOTTHOLD MEYER.
Fortsetzung.

Die englische Abteilung trug diesmal einen an-
deren Charakter als im Vorjahr. Es fehlten ihr die
zahlreichen Erscheinungen aus den vornehmsten Ge-
sellschaftskreisen, welche schon durch die nationale
Eigenart in Physiognomie und Tracht aufzufallen
Pflegen. Ihr Lieblingsmaler Hubert Hcrkomcr hatte
nur eine winzige Zeichnung ausgestellt, eine länd-
liche Scene, in der das natürliche Vorbild in ähn-
licher Weise idealisirt und der Stallgeruch gleichsam
Parfümirt erscheint, wie auf der in Berlin be-
findlichen Dorflandschaft: „Our village". Der Kreis
Herkomerscher Gestalten war nur durch Ochardsons
mit ihrem Kinde scherzende Mutter — ein koloristisch
höchst vornehm in sattem Gelb und Schwarz ge-
haltenes Bild — Gregorys „Ende der Soiree" und
Roussels Modeherren vertreten, die auf den ganz
glatten blauen oder rötlichen Hintergrund tiefschwarze
Schlagschatten werfen. An Stelle Herkomers hatten
m diesem Jahre J. R Brid, J. Hubert Vbs und Dud-
hhBardy die Führung. Reid war reicher als je ver-
treten, vielleicht zu reich! Seine 32 Aquarelle und
Pastelle ermüdeten ein wenig. Sie offenbaren die
nivellirende Wirkung einer individuellen künst-
lerischen Mache. Reid sieht die gleichen prächtigen,
aber stellenweis an Porzellanmalerei erinnernden blau-
en, weißen und rotbraunen Farben, welche das auf
zehn Schritt erkennbare Wahrzeichen seiner Palette
bilden, ebenso im bayerischen Gebirgsland von Ober-
ammergau, wie in den englischen und schottischen

Küstengegenden. Ein Virtuos, oder besser ein Meister
der Technik bleibt er freilich auch in der dürftigsten
Skizze, ein echter Farbenpoet und ein klassischer
Erzähler aber doch nur in seinen bei aller Breite der
Pinselführung bis ins Kleinste sorgsam studirten
Genrestücken aus dem Strandleben, unter denen dies-
mal wohl das große Gemälde „Die Schmuggler" den
Preis verdiente. — Ein Künstler von bedeutendem
Können und seltener Kraft und Vielseitigkeit ist </.
Hubert Vos. Auch er ist Freilichtmaler und Poet zu-
gleich. Schon aus seinem überlebensgroßen Selbst-
porträt, das wie in Luft und Licht gebadet erscheint,
spricht der scharfe, geistvolle Beobachter. In dem
Studienkopf eines Greises mit den durchgeistigten
Zügen stellte er sich Herkomer zur Seite. Aber Her-
komer wäre niemals im stände, ein Bild wie „Das
Altweiberhaus zu Brüssel" zu malen. Das schlichteste
Motiv in schlichtester, völlig objektiver Wiedergabe!
Der kahle, durch drei große Fenster der Rückwand
so kalt und gleichmäßig beleuchtete Raum mit seinem
dürftigen Mobiliar; die alten Frauen auf den Bänken
ringsum, strickend, schwatzend, schnupfend; im
Vordergrund der mit Sand bestreute Backsteinfuß-
boden — das ist alles an sich so wenig anziehend,
ja langweilig, und dennoch ist es ein Stimmungsbild
von seltener Wahrheit, und schaut man länger hin,
dann erzählt jede einzelne von diesen alltäglichen
Gestalten eine lange Geschichte voll Leid und Lust
und schließt mit einem dankbaren Blick auf ihre
jetzige Umgebung, die dann auch für den Beschauer
trotz der schmucklosen Mauern in eine freundliche
Zutluchtstätte verwandelt scheint. Dabei ist dies
Bild ein Meisterstück auch in der technischen Be-
handlung, in der breiten, kecken Malweise. In gleichem
 
Annotationen