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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Theodor Grosse
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Meyer, Alfred Gotthold: Die dritte Münchener Jahresausstellung, [3]
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anzuerkennen, wird darüber nicht im Zweifel sein, dass
der Malerei die Mittel fehlen, einen so abstrakten
Gedankengang zur sinnlichen Anschauung zu bringen.
Trotzdem muss anerkannt werden, dass Grosse in
Anlehnung an Baffaels Fresken im Vatikan und
in der Farnesina hier eine Reihe idealer Gestalten
geschaffen hat, die, für sich betrachtet, seinem aus-
gebildeten Schönheitssinn ein vortreffliches Zeugnis
ausstellen. Dasselbe gilt von seinen Wandgemälden
und Deckenbildern im Foyer des neuen Dresdener
Hoftheaters, die Szenen aus dem Leben des Dionysos
und einzelne Gestalten aus den griechischen Götter-
sagen wiedergeben. Die letztere größere monumen-
tale Arbeit Grosses sind seine Wandgemälde für die
Aula der Kinderschule in Meißen. Es ist natürlich,
dass Grosse bei so bedeutenden Aufträgen, wie die
erwähnten waren, nur wenig Zeit fand, das Staffelei-
bild zu pflegen. Die Zahl seiner Staffeleibilder ist
daher ziemlich gering. Am bekanntesten dürften
unter ihnen das große Gemälde der Dresdener Galerie:
„Seelenlandung im Büßerlande" (1879 nach Dantes
Divina Commedia) und die kleine „Madonna mit dem
Rosenbusch" (1886) sein. Eine besondere Hervor-
hebung verdienen endlich Grosses Entwürfe für
kunstgewerbliche Arbeiten, unter denen die für
Prachtvasen der K. Porzellanmanufaktur zu Meißen
angefertigten als die bedeutendsten erscheinen. Seit
dem Jahre 1867 war Grosse Mitglied des akade-
mischen Eates und Vorstand eines akademischen
Meisterateliers in Dresden. Die philosophische Fa-
kultät zu Leipzig aber hatte ihm den Titel eines
Ehrendoktors verliehen. Wie die schönen Worte,
die der Direktor der National galerie Prof. Dr. Max
Jordan an seinem Grabe sprach, erkennen lassen,
erfreute sich Grosse im Kreise seiner Freunde wegen
seines idealen Sinnes der höchsten Achtung und
Liebe. Sein künstlerisches Ideal war es, eine Ver-
söhnung der klassischen Kompositionsweise mit den
malerischen Anforderungen der jüngsten Zeit herbei-
zuführen. Hat er es in seinen Werken auch nicht
erreicht, so sichert ihm doch schon das redliche
Bemühen um dieses hohe Ziel ein bleibendes An-
denken und einen Ehrenplatz in der Geschichte der
modernen Malerei. H. A. L.

DIE DRITTE MÜNCHENER JAHRESAUS-
STELLUNG.

VON ALFRED GOTTHOLD MEYER.
(Fortsetzung.)

Die Repräsentation der heimischen Kunst ist
dnrch die Beteiligung der Fremden nicht beein-

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trächtigt worden. Reichhaltiger und liebenswür-
diger als durch den Saal, welchen die Ehrengaben an
den Prinzregenten füllten, konnte die Münchener
Malerei kaum vertreten werden; deutschen und zu-
meist Münchener Meistern waren die Sonderausstel-
lungen gewidmet, welche die Glanzpunkte des dies-
jährigen Salons bildeten. Auch dort ward Einst üig-
keit am wenigsten fühlbar. Neben den Pionieren
der jüngsten Schule eine stattliche Kerntruppe, eine
Reihe volltönender, klassischer Namen! — Links
vom Vestibül begrüßte den Beschauer ein Ehren-
saal deutscher Malerei von historischer Bedeutung,
und dass auch dort Gleichheit und Einheitlichkeit
verbannt blieb, vermochte seinen Wert nur zu er-
höhen. — Der Vornehmheit dieser Gesellschaft that
es keinen Abbruch, dass man in ihr vielen älteren
Bekannten begegnete. War doch schon ihre Zu-
sammensetzung an sich interessant genug. Böclz-
linsche Phantasien und — Verzeichnungen neben
der Wahrheit und Akribie eines Menzel; die stets
hoffähige Muse Kaulbachs neben ihrer Lenbachschen
Schwester, welche, trotz der äußeren Ebenbürtigkeit
im fürstlichen Gemach, so völlig anderen Blutes
ist; endlich die allen diesen so gänzlich unähnliche
Kunst eines Leibi! — Es schien beinahe, als habe
man all dem revolutionären, auf guten und bösen
Wegen zu neuen Zielen vordringenden Kunsttreiben
in den übrigen Sälen hier das ruhige Schaffen
einiger weniger, in sich selbst völlig abgeschlossener
Künstler von echter Individualität gegenüberstellen
wollen, die ihrer ureigenen, bereits „historisch" ge-
wordenen Art auch angesichts des „Modernsten"
treu bleiben, ohne ihren Ruhm zu — überleben. —
Vor allem gilt dies von Böcklin und von Lenbach.
Der Baseler Farbenpoet war durch nicht weniger
als 18 Werke vertreten, von denen die Mehrzahl
freilich bereits durch das Baseler Museum bekannt
und berühmt sind. Aber auch zahlreiche Privat-
sammlungen hatten beigesteuert, und aus den letz-
teren stammten die beiden Bilder, die in anspruch-
losester Form den größten Reiz Böcklinscher Auf-
fassungsweise bergen und in diesem Sinne selbst
neben Hauptstücken wie „Der Centaurenkampf" ge-
nannt werden dürfen: „Der fischende Pan" und „Der
Centaur in der Dorfschmiede". Köstlicher, als in
diesen Panisken, welche in ihrem Netz schmunzelnd
ein üppiges Meerweibchen emporziehen, liebenswür-
diger, als in dem „Rossmenschen", welcher sich hier
beim Dorfschmied die Hufe beschlagen lässt, hat
Böcklin die Gestalten des „klassischen Blocksberges"
nirgends geschildert. Sie besitzen überschäumende

Die dritte Münchener Jahresausstellung.
 
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