(28
Meggenöorfer-Bläller, München
Das verdroß den frommen Abdullah sehr. Lr erinnerte
sich jetzt ebenfalls, in seiner Uindheit Leute gekannt zu haben,
die andere Leute kannten, welche Alohammed gesehen hatten
— und — man lachte ihn aus!
„warum verhöhnt ihr mich?" fragte der alte Abdullah
aufgebracht. „Glaubt ihr mir etwa nicht?"
„Wie sollten wir —," antwortete ihm Smail ibni Salih,
der Richter von Mekian, „wie sollten wir Dir glauben, da doch
seit des kseiligen Tode zwei Iahrhunderte verflossen sind?"
„Aber der Derwisch Ldhem ist jünger als ich," erwiderte
Abdullah.
„!sa—ha—ha!" lachten nun alle. „lhört nur — Abdullah
will Llter sein als der Derwisch, der doch vierzig Iahre in der
Wüste gesessen ist, vierzig Iahre am Meeresufer und vierzig im
Schatten einer von Nohammed (alsiki selam!) gepflanzten palmel"
Durch so viel Lüge wurde der fromme Abdullah schmerzlich
berührt und ging stumm und betroffen nach kfause.
Siebzehn Tage hielt er fich im Zimmer eingeschlossen und
befragte die gelehrten Bücher.
Am achtzehnten Tage schritt er, ernster denn je, durch den
Bazar. An der Schwelle des Richters Smail ibni Salih saßen
die ^äupter der Gemeinde um den Derwisch Ldhem versammelt.
Lr grüßte sie segnend,
ging aber gemessenen Schrit-
tes weiter. Als er an das
Lnde des Dorfes kam, sah
er Maurerleute an der Arbsit
„lVas tut ihr da?" fragte
der fromme Abdullah ver-
wundert.
„lVir bauen ein ifaus
für den überaus gelehrten
Derwisch Ldhem, dem es in
Mekian so wohl gefällt, daß
er zu bleiben denkt. Aber
nun fehlen uns dreiund-
dreißig Bretter und ein jdfahl
von dritthalb Lllen Länge
— und wir überlegen, wo
wir den Bauherrn ffnden
könnten, damit er uns die
fehlenden bfölzer beschaffe."
„Dort ist er," sagte der
fromme Abdullah und wies
die Maurer nach einerfals chen
Richtung. Lr selbst aber
kehrte um und setzte sich,
dem Derwisch gegenüber vor
des Richters Haus mitten
unter die ifäuxter der Ge-
meinde. —
Als einige Zeit ver-
gangen war und derDerwisch
seine Zuhörer mit immer
neuen, immer größeren
lvorten betört und wieder
betört hatte, rief Smail ibni
Salih: „Sieh hin — dort
naht Dein Maurer. Was
mag er wollen?"
„lVeiß ich's?" sagte der
Derwisch und zuckte die
Achseln.
Da sxrach der fromme
Abdullah: „wennmichnicht
alles trügt und ich in den
letzten wochen nicht Allahs
Unwillen erregt habe, so
wird der Maurer dreiund-
dreißig Bretter und einen
jdfahl von dritthalb Lllen
Länge fordern."
Indessen war der Maurer
herangekommen und —
verlangte wirklich alles
/Wn Nabe stahl einst einrn King. -
^ Groß war nnn der Skandal;
Die Schlechtigkeit des Asbenvolks
War wirklich kolofsal!
Starr war die gan^e Tierwelt; nur
Ein alter Uhu sxrach:
„Na — seinem Vater sagte msn
Auch 'mal was Solches nach.'
Manch scharfes — sbrr wahres Wort
Vb dieser ^chsndtst stel; —
Am Nsrr weinte teilnastmsooll
Cin altes Krokodil.
Ein Maulwurf rief aus seinrin Loch:
„Wir stnd komgromittiert!
Emxörrnd ist's, dast dieser Kerl
Uns so diskreditiert!"
So schimxfte jedes chestre' Tier —
Maus, Mffe, Hamster, Luchs,
Am allerärgsten aber schrir'n^
— Zwei Elstern und — ein Fuchs.
Ernst Staus^
Meggenöorfer-Bläller, München
Das verdroß den frommen Abdullah sehr. Lr erinnerte
sich jetzt ebenfalls, in seiner Uindheit Leute gekannt zu haben,
die andere Leute kannten, welche Alohammed gesehen hatten
— und — man lachte ihn aus!
„warum verhöhnt ihr mich?" fragte der alte Abdullah
aufgebracht. „Glaubt ihr mir etwa nicht?"
„Wie sollten wir —," antwortete ihm Smail ibni Salih,
der Richter von Mekian, „wie sollten wir Dir glauben, da doch
seit des kseiligen Tode zwei Iahrhunderte verflossen sind?"
„Aber der Derwisch Ldhem ist jünger als ich," erwiderte
Abdullah.
„!sa—ha—ha!" lachten nun alle. „lhört nur — Abdullah
will Llter sein als der Derwisch, der doch vierzig Iahre in der
Wüste gesessen ist, vierzig Iahre am Meeresufer und vierzig im
Schatten einer von Nohammed (alsiki selam!) gepflanzten palmel"
Durch so viel Lüge wurde der fromme Abdullah schmerzlich
berührt und ging stumm und betroffen nach kfause.
Siebzehn Tage hielt er fich im Zimmer eingeschlossen und
befragte die gelehrten Bücher.
Am achtzehnten Tage schritt er, ernster denn je, durch den
Bazar. An der Schwelle des Richters Smail ibni Salih saßen
die ^äupter der Gemeinde um den Derwisch Ldhem versammelt.
Lr grüßte sie segnend,
ging aber gemessenen Schrit-
tes weiter. Als er an das
Lnde des Dorfes kam, sah
er Maurerleute an der Arbsit
„lVas tut ihr da?" fragte
der fromme Abdullah ver-
wundert.
„lVir bauen ein ifaus
für den überaus gelehrten
Derwisch Ldhem, dem es in
Mekian so wohl gefällt, daß
er zu bleiben denkt. Aber
nun fehlen uns dreiund-
dreißig Bretter und ein jdfahl
von dritthalb Lllen Länge
— und wir überlegen, wo
wir den Bauherrn ffnden
könnten, damit er uns die
fehlenden bfölzer beschaffe."
„Dort ist er," sagte der
fromme Abdullah und wies
die Maurer nach einerfals chen
Richtung. Lr selbst aber
kehrte um und setzte sich,
dem Derwisch gegenüber vor
des Richters Haus mitten
unter die ifäuxter der Ge-
meinde. —
Als einige Zeit ver-
gangen war und derDerwisch
seine Zuhörer mit immer
neuen, immer größeren
lvorten betört und wieder
betört hatte, rief Smail ibni
Salih: „Sieh hin — dort
naht Dein Maurer. Was
mag er wollen?"
„lVeiß ich's?" sagte der
Derwisch und zuckte die
Achseln.
Da sxrach der fromme
Abdullah: „wennmichnicht
alles trügt und ich in den
letzten wochen nicht Allahs
Unwillen erregt habe, so
wird der Maurer dreiund-
dreißig Bretter und einen
jdfahl von dritthalb Lllen
Länge fordern."
Indessen war der Maurer
herangekommen und —
verlangte wirklich alles
/Wn Nabe stahl einst einrn King. -
^ Groß war nnn der Skandal;
Die Schlechtigkeit des Asbenvolks
War wirklich kolofsal!
Starr war die gan^e Tierwelt; nur
Ein alter Uhu sxrach:
„Na — seinem Vater sagte msn
Auch 'mal was Solches nach.'
Manch scharfes — sbrr wahres Wort
Vb dieser ^chsndtst stel; —
Am Nsrr weinte teilnastmsooll
Cin altes Krokodil.
Ein Maulwurf rief aus seinrin Loch:
„Wir stnd komgromittiert!
Emxörrnd ist's, dast dieser Kerl
Uns so diskreditiert!"
So schimxfte jedes chestre' Tier —
Maus, Mffe, Hamster, Luchs,
Am allerärgsten aber schrir'n^
— Zwei Elstern und — ein Fuchs.
Ernst Staus^
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der Dieb. Eine Fabel
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildbeschriftung: Ein Rabe stahl einst einen Ring. - / Groß war nun der Skandal; / Die Schlechtigkeit des Rabenvolks / War wirklich kolossal! // Starr war die ganze Tierwelt; nur / Ein alter Uhu sprach: / "Na - seinem Vater sagte man / Auch 'mal was Solches nach." // Manch scharfes - aber wahres Wort / Ob dieser Schandtat fiel; - / Am Ufer weinte teilnahmsvoll / Ein altes Krokodil. // Ein Maulwurf rief aus seinem Loch: / "Wir sind kompromittiert! / Empörend ist's, daß dieser Kerl / Uns so diskreditiert!" // So schimpfte jedes 'bessre' Tier - / Maus, Affe, Hamster, Luchs, / Am allerärgsten aber schrie'n: / - Zwei Elstern und - ein Fuchs.
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2013-10-16 - 2013-10-16
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 52.1903, Nr. 637, S. 128
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg