Zeitschrift für Lfumor und Auust
3o
„Du, sag mal, Franz, und das ist wirklich alles?"
„Alles, gar alles," versicherte er mit einem so sehr
glaubwürdigen, treuherzigen Anstrich, daß sie gerührt
sich zu ihm herniederbeugte und ihn fast mütterlich
auf die Stirne küßte, gerade als wollte sie hiedurch
der Absolution, die sie ihm erteilte, einen besonders
feierlichen Ausdruck verleihen.
„Also, Du denkst nicht mehr an Deine Iugend-
liebe, Du bereust es nicht, daß Du mich kennen
gelernt hast, Franz?"
„Aeinen Moment," beteuerte er. „Aber Du mußt
mir jetzt ebenso rückhaltlos von Deiner ersten Liebe
erzählen, Mäuschen; na, da werd' ich allerdings so
'n xaar Stunden sitzen müssen," sügte er lachend
hinzu, „denn so ein hübscher Fratz, wie Du, hat sicher-
lich da viel zu beichten."
Sie zog ihn zur Strafe ein wenig an dem Ghr.
„Nicht einmal wahr, da bist Du ganz schies
gewickelt, Franzchen. Gott — verehrer hat man ja
immer einen Sack voll, aber es war keiner darunter,
den ich nur halb so gut leiden mochte wie Dich, ob-
wohl . . . ich mag Dich eigentlich auch nicht, daß
Du es nur weißt!"
Line solche Behauxtung mußte natürlich gezie-
mendbestritten werden, mit Beweis und Gegenbeweis.
Ein wahres Glück, daß der Prozeß nach der ent-
sxrechenden Anzahl von Aüssen durch einen gütlichen
Bergleich beendet werden konnte.
„Ia, aber Llla, Dir ift also gar nichts begegnet,
Dein Leben ist so ganz glatt dahingeflossen.
geh, wer Dir das glaubtel"
Sie zuckte die Achseln. „Das will ich gerade
nicht sagen. Aber wenn ich Dir was erzähle, so
lachst Du mich aus oder bist sonst recht ungezogen."
Lr schwor einen heiligen Eid, daß er keine
Miene verziehen wolle.
„Aber gewiß — sonst hör' ich augenblicklich auf.
Also, Franz, das weißt Du doch, daß ich mich vor
Deinem vater immer schrecklich gefürchtet habe?"
„Du warst so ungeschickt, Mäuschen."
„Du lieber chimmel, ich konnte nicht anders.
Ich gebe ja gerne zu, daß er ein vorzüglicher Mann
ist, aber . . . ja, wirklich, er ist mir halt immer so
vorgekommen, wie der alte Galotti im Trauersxiel.
Weißt Du, so streng, so mißtrauisch, na ja, so wie
einer, der überall Gefahren wittert, überall Steine
des Anstoßes findet — kurzum, ich hatte um so mehr
Angst vor ihm, weil Du mir einmal verraten hast,
daß er von den Münchner Mädeln gar nicht sonderlich
eingenommen wäre."
„lhätte ich gesagt?"
„Ia, Dul Und daß er eigentlich gegen unsere
löeirat war . . . Bitte, laß mich ausredenl Vb be-
rechtigt oder nicht, ich scheute ihn. Und nun erinnerst
Du Dich doch, daß er mich vorigen März einlud, zu
ihm und zu Deiner Mutter zu kommen nach Nürn-
berg, und daß Du, wahrscheinlich um mich vierzehn
Tage anzubringen, darauf bestanden hast, daß ich
hinreise. kferrgott, ich glaube kein Student steigt mit
einer solchen tföllenangst ins Lxamen . . . ."
„Na, Du mußt ein sauberes Gewissen gehabt
habenl"
„Ruhig, mein Lieberl Also höre I Ich reiste ab.Dachte
Der Alte.
Mh kann neama singa,
^ Ih bin's neama g'wöhnt,
Die Zeit hat mih langsam
von Liabn ahg'sxähnt.
Und bal Dih koa Dirndl,
Aoa saubers, mehr mag,
Is 's aus mit 'n Sunnschein
Und aus mit 'n Tag.
Und bal D r koa hoamlicha
Schatz mehr zuag'hört,
Aft is D'r Dein Lebn
Aoan Iodler mchr wert.
köiaz sitz ih mih dasi
Auf d' Dfnbank hi',
Ls kraht eh mein Lebta
Aoa kfahn mehr um mih.
Hans Framigrttbei'.
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„Du, sag mal, Franz, und das ist wirklich alles?"
„Alles, gar alles," versicherte er mit einem so sehr
glaubwürdigen, treuherzigen Anstrich, daß sie gerührt
sich zu ihm herniederbeugte und ihn fast mütterlich
auf die Stirne küßte, gerade als wollte sie hiedurch
der Absolution, die sie ihm erteilte, einen besonders
feierlichen Ausdruck verleihen.
„Also, Du denkst nicht mehr an Deine Iugend-
liebe, Du bereust es nicht, daß Du mich kennen
gelernt hast, Franz?"
„Aeinen Moment," beteuerte er. „Aber Du mußt
mir jetzt ebenso rückhaltlos von Deiner ersten Liebe
erzählen, Mäuschen; na, da werd' ich allerdings so
'n xaar Stunden sitzen müssen," sügte er lachend
hinzu, „denn so ein hübscher Fratz, wie Du, hat sicher-
lich da viel zu beichten."
Sie zog ihn zur Strafe ein wenig an dem Ghr.
„Nicht einmal wahr, da bist Du ganz schies
gewickelt, Franzchen. Gott — verehrer hat man ja
immer einen Sack voll, aber es war keiner darunter,
den ich nur halb so gut leiden mochte wie Dich, ob-
wohl . . . ich mag Dich eigentlich auch nicht, daß
Du es nur weißt!"
Line solche Behauxtung mußte natürlich gezie-
mendbestritten werden, mit Beweis und Gegenbeweis.
Ein wahres Glück, daß der Prozeß nach der ent-
sxrechenden Anzahl von Aüssen durch einen gütlichen
Bergleich beendet werden konnte.
„Ia, aber Llla, Dir ift also gar nichts begegnet,
Dein Leben ist so ganz glatt dahingeflossen.
geh, wer Dir das glaubtel"
Sie zuckte die Achseln. „Das will ich gerade
nicht sagen. Aber wenn ich Dir was erzähle, so
lachst Du mich aus oder bist sonst recht ungezogen."
Lr schwor einen heiligen Eid, daß er keine
Miene verziehen wolle.
„Aber gewiß — sonst hör' ich augenblicklich auf.
Also, Franz, das weißt Du doch, daß ich mich vor
Deinem vater immer schrecklich gefürchtet habe?"
„Du warst so ungeschickt, Mäuschen."
„Du lieber chimmel, ich konnte nicht anders.
Ich gebe ja gerne zu, daß er ein vorzüglicher Mann
ist, aber . . . ja, wirklich, er ist mir halt immer so
vorgekommen, wie der alte Galotti im Trauersxiel.
Weißt Du, so streng, so mißtrauisch, na ja, so wie
einer, der überall Gefahren wittert, überall Steine
des Anstoßes findet — kurzum, ich hatte um so mehr
Angst vor ihm, weil Du mir einmal verraten hast,
daß er von den Münchner Mädeln gar nicht sonderlich
eingenommen wäre."
„lhätte ich gesagt?"
„Ia, Dul Und daß er eigentlich gegen unsere
löeirat war . . . Bitte, laß mich ausredenl Vb be-
rechtigt oder nicht, ich scheute ihn. Und nun erinnerst
Du Dich doch, daß er mich vorigen März einlud, zu
ihm und zu Deiner Mutter zu kommen nach Nürn-
berg, und daß Du, wahrscheinlich um mich vierzehn
Tage anzubringen, darauf bestanden hast, daß ich
hinreise. kferrgott, ich glaube kein Student steigt mit
einer solchen tföllenangst ins Lxamen . . . ."
„Na, Du mußt ein sauberes Gewissen gehabt
habenl"
„Ruhig, mein Lieberl Also höre I Ich reiste ab.Dachte
Der Alte.
Mh kann neama singa,
^ Ih bin's neama g'wöhnt,
Die Zeit hat mih langsam
von Liabn ahg'sxähnt.
Und bal Dih koa Dirndl,
Aoa saubers, mehr mag,
Is 's aus mit 'n Sunnschein
Und aus mit 'n Tag.
Und bal D r koa hoamlicha
Schatz mehr zuag'hört,
Aft is D'r Dein Lebn
Aoan Iodler mchr wert.
köiaz sitz ih mih dasi
Auf d' Dfnbank hi',
Ls kraht eh mein Lebta
Aoa kfahn mehr um mih.
Hans Framigrttbei'.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der Alte
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1902
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 656, S. 33
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg