Zeitschrift für Humor und Aunst
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weise Lsauxtmann wird! Ueberhaupt . . . wer ist denn dieser
Leutnant von Rötz — ich kenne den Mann nicht? was ist
denn das tVichtige, das er Dir zu sagen hat? Frechdachs . .
hinter ineinein Rücken?"
„Das weiß ich doch nicht . . . das will er mir ja erst sagen."
„Das tanzt da ein xaarmal initeinander, kennt sich kauin
dem Namen nach und schon ist die Liebelei fertig. Wenn es
wahr ist, daß Dir seine Verhältnisse sremd sind, so weißt Du
auch gar nicht, ob er überhaupt daran denkt, Dich zu heiraten."
„Das sühlt man doch."
„G Isis und Gsiris — man sühlt das! Und da soll einem
nicht ein Frack wachsen! Aurz und gut, so was ißt er nicht,
Dein Vater. Ich will keinen Militär in der Familie. Norgen
wird Dein Aoffer gepackt und Du gehst auf ein paar Ukonate
zu Deinem Vnkel Forstmeister. Gott sei Dank, daß ich diesen
Brief zur rechten Zeit abfingl"
„Niemals geh' ich fort — lieber sterben," xrotestierte Lilly
mit feierlichem Nachdruck.
Der Rat erwiderte kein Wort, sondern schaute ihr nur
ernst und xrüfend in die flammenden Augen und zwar so lange,
bis fie beschämt und kleinmütig ihre Blicke senkte.
„5o, jetzt verschwindest Du auf Deine 5tube, weinst Dich
ordentlich aus, schreibst alles, was Du über mich auf dem kserzen
hast in Dein Tagebuch, und in vier Alonaten vergleichst Du
Deine Gefühle. Das wird sehr lehrreich sein. Im übrigen
reden wir nichts mehr über die 5ache. Schlußl"
Genau vierundzwanzig Stunden später wurde Lilly auf
einem kleinen Bahnhof der Gberxfalz von ihrem Gnkel, dem
Forstmeister Schillinger in
Emxfang genommen.
„Ia grüß Dich Gott,
Bäsle," schrie der alte bserr,
der bei seinen Bauern drau-
ßen ein wenig rauhschalig
geworden war und immer,
wenn er gemütlich sein
wollte, in sein geliebtes
Schwäbisch zurückfiel, „ja,
tusignomol, Du bischt aber
a sauberes Mädle worde.
Gleich gehst her und gibst,
wie sich 's gehört, Deinem
alten Dnkel ein schöns
Schmätzle."
Und ohne viele Um-
stände drückte er seinen ver-
witterten Schnauzbart auf die zarte Wange, die sich ihin sehr
widerwillig bot.
„Weißt," meinte er, „ich saget schon, wir gehn ins Mirts-
haus und trinken, bevor wir zu lfaus fahren, ein Gläsle oder
zwei. Aber ich bin nit fertig worde mit 'm Fäßle, es sind
allweil noch a vier Liter drinnen, weißt, und so a Neigle trau
ich Dir gar nit anz'bieta. <Ls is das G'scheiteste, wir fahren in
einem Saus heim."
Das taten sie denn auch und der Forstmeister benützte diese
Gelegenheit nach Aräften seinen Besuch zu erheitern.
„Dein Vater hat mir schon geschrieben, daß er so ein Dunner-
wetterskreuz mit Dir hätt', weil Du absolut so a Leutnantle
heirate wolltest. Er schreibt, er könnt 's net zahla, das glaub'
ich zwar net, der hat Geld grad g'nug, er hat fich von jeher
die tsosentaschen fest zugehalte, aber wenn er halt amal net
mag, na mag er net — da kannst nix mache, kserr Inschpektor.
5chau Bäsle, da mußt Dich trösten. Ich hab' aUch amal als
Ltudent heirate wolle, an armes Mädle und wie 's mein vater
erfahre hat, sagt er zu mir, was, heirate willst? Ich werd' Dir
was heirate! Na hat er mir eine rechts hing'langt, die ischt
fürs Standesamt, und eine links, die ischt für die Airch', hat
er gcsagt, so . . . !Vas hab' ich machen wollen? Geholfen
hat's."
Der armen Lilly stieg ob solcher Rohheit das Blut zu Aopf.
Sie konnte mit Mühe die Tränen zurückhalten.
„Das war eben die gute alte Zeit," versehte sie ziemlich
bissig.
„Da hast recht, Bäsle, das war's auch," fuhr der Dnkel
fort, dessen dicke ksaut gegen solche Nadelstiche gefeit war. „Du
bischt ebe grad in so 'nem Alter, wo der Mensch nie recht weiß,
soll er e Gidechsle werden oder e Arokodil . . . ."
„Ich danke für beides," unterbrach ihn das gereizte
Mädchen, „ich weiß sehr wohl, was ich werden will, Gnkel."
„Net wahr ischt's, nix wisse sie, die junge Leut', in n' Nebel
steche sie hinein, ich sag' Dir Bäsle, Du weißt gar net, wie
dumm sie in Deinem Alter sind." Und dabei schaute er sie
mit vergnügt lächelnden Augen an und kloxfte ihr zum Zeichen
seines Wohlwollens recht väterlich auf die Schulter.
Lilly biß die Zähne übereinander, um nicht gerade hinaus
zu heulen. Mit so einem Menschen sollte sie ein paar Monate
unter einem Dach verweilen? Niemalsl Lieber davonlaufen,
fort, irgendwohin, in den lvald, zu den wilden Tieren . . . .
„Ich will Dir auch gleich sagen, wie ich mir die Sach' mit
Dir zurecht gelegt habe. Ganz vernünftig sollst werde, hat Dein
Vater geschrieben. Und da gibt's gar nichts Besseres, als ordentlich
umeinanderlaufe, tüchtig esse, tüchtig sause und acht Stund
schlafe wie e Ratzl Ich sag'
Dir, Bäsle, da wirst schaue,
was Du da für rote Bäckle
kriegst, und helle Auge, und
wie Du Dei Leutnantle ver-
gißt . . net angucke tust Du
ihn mehr. So e schöns Mädle
wie Du . . . . was brauchst
denn Du 'nem junge Mensche
nachzulaufe, Du nimmst Dir
ganz was anders! Das sag'
ich Dir."
Glücklicherweisc über-
tönte das Rollen des lvagens
das unehrcrbietige !vort,
das Lillx' zu ihrem eigenen
nachträglichen Schrecken
herausfuhr.
Ls nahm ja schließlich auch dieser Dornenweg sein Lnde
und der Forstmeister führte seinen Gast, den die kfaushälterin,
eine arine Verwandte, knixend begrüßt hatte, in das trauliche
Wohnzimmer, wo bereits der Tisch gedcckt war.
„So," sagte er gutmütig, „jetzt nimm jAatz, es wird Dich
hungern, also nur fest zuglangtl"
Da war eine mächtige Schüssel mit Arebssuxpe, ein sehr
appetitlicher Rehrücken und diverse Aompotte, und am Büfett
harrte eiue Rahmschneetorte von dem Umfang eines Wagen-
rades ihrer Bestimmung.
Aber alle diese kferrlichkeiten konnteu die Lilly nicht reizen,
die von jeder Schüssel nur eine Aleinigkeit kostete. Und lininer
redete ihr der Gnkel zu, immer legte er ihr Stücke auf den
Teller, die für seinen Magen berechnet waren, und er wurde
nicht müde, ihr immer wieder aufs neue zu versichern, daß es
keine wirksamere Medizin auf der Welt gäbe, die mit der un-
glücklichen Liebe so rasch aufräume, als ordentlich esfen und
trinken.
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weise Lsauxtmann wird! Ueberhaupt . . . wer ist denn dieser
Leutnant von Rötz — ich kenne den Mann nicht? was ist
denn das tVichtige, das er Dir zu sagen hat? Frechdachs . .
hinter ineinein Rücken?"
„Das weiß ich doch nicht . . . das will er mir ja erst sagen."
„Das tanzt da ein xaarmal initeinander, kennt sich kauin
dem Namen nach und schon ist die Liebelei fertig. Wenn es
wahr ist, daß Dir seine Verhältnisse sremd sind, so weißt Du
auch gar nicht, ob er überhaupt daran denkt, Dich zu heiraten."
„Das sühlt man doch."
„G Isis und Gsiris — man sühlt das! Und da soll einem
nicht ein Frack wachsen! Aurz und gut, so was ißt er nicht,
Dein Vater. Ich will keinen Militär in der Familie. Norgen
wird Dein Aoffer gepackt und Du gehst auf ein paar Ukonate
zu Deinem Vnkel Forstmeister. Gott sei Dank, daß ich diesen
Brief zur rechten Zeit abfingl"
„Niemals geh' ich fort — lieber sterben," xrotestierte Lilly
mit feierlichem Nachdruck.
Der Rat erwiderte kein Wort, sondern schaute ihr nur
ernst und xrüfend in die flammenden Augen und zwar so lange,
bis fie beschämt und kleinmütig ihre Blicke senkte.
„5o, jetzt verschwindest Du auf Deine 5tube, weinst Dich
ordentlich aus, schreibst alles, was Du über mich auf dem kserzen
hast in Dein Tagebuch, und in vier Alonaten vergleichst Du
Deine Gefühle. Das wird sehr lehrreich sein. Im übrigen
reden wir nichts mehr über die 5ache. Schlußl"
Genau vierundzwanzig Stunden später wurde Lilly auf
einem kleinen Bahnhof der Gberxfalz von ihrem Gnkel, dem
Forstmeister Schillinger in
Emxfang genommen.
„Ia grüß Dich Gott,
Bäsle," schrie der alte bserr,
der bei seinen Bauern drau-
ßen ein wenig rauhschalig
geworden war und immer,
wenn er gemütlich sein
wollte, in sein geliebtes
Schwäbisch zurückfiel, „ja,
tusignomol, Du bischt aber
a sauberes Mädle worde.
Gleich gehst her und gibst,
wie sich 's gehört, Deinem
alten Dnkel ein schöns
Schmätzle."
Und ohne viele Um-
stände drückte er seinen ver-
witterten Schnauzbart auf die zarte Wange, die sich ihin sehr
widerwillig bot.
„Weißt," meinte er, „ich saget schon, wir gehn ins Mirts-
haus und trinken, bevor wir zu lfaus fahren, ein Gläsle oder
zwei. Aber ich bin nit fertig worde mit 'm Fäßle, es sind
allweil noch a vier Liter drinnen, weißt, und so a Neigle trau
ich Dir gar nit anz'bieta. <Ls is das G'scheiteste, wir fahren in
einem Saus heim."
Das taten sie denn auch und der Forstmeister benützte diese
Gelegenheit nach Aräften seinen Besuch zu erheitern.
„Dein Vater hat mir schon geschrieben, daß er so ein Dunner-
wetterskreuz mit Dir hätt', weil Du absolut so a Leutnantle
heirate wolltest. Er schreibt, er könnt 's net zahla, das glaub'
ich zwar net, der hat Geld grad g'nug, er hat fich von jeher
die tsosentaschen fest zugehalte, aber wenn er halt amal net
mag, na mag er net — da kannst nix mache, kserr Inschpektor.
5chau Bäsle, da mußt Dich trösten. Ich hab' aUch amal als
Ltudent heirate wolle, an armes Mädle und wie 's mein vater
erfahre hat, sagt er zu mir, was, heirate willst? Ich werd' Dir
was heirate! Na hat er mir eine rechts hing'langt, die ischt
fürs Standesamt, und eine links, die ischt für die Airch', hat
er gcsagt, so . . . !Vas hab' ich machen wollen? Geholfen
hat's."
Der armen Lilly stieg ob solcher Rohheit das Blut zu Aopf.
Sie konnte mit Mühe die Tränen zurückhalten.
„Das war eben die gute alte Zeit," versehte sie ziemlich
bissig.
„Da hast recht, Bäsle, das war's auch," fuhr der Dnkel
fort, dessen dicke ksaut gegen solche Nadelstiche gefeit war. „Du
bischt ebe grad in so 'nem Alter, wo der Mensch nie recht weiß,
soll er e Gidechsle werden oder e Arokodil . . . ."
„Ich danke für beides," unterbrach ihn das gereizte
Mädchen, „ich weiß sehr wohl, was ich werden will, Gnkel."
„Net wahr ischt's, nix wisse sie, die junge Leut', in n' Nebel
steche sie hinein, ich sag' Dir Bäsle, Du weißt gar net, wie
dumm sie in Deinem Alter sind." Und dabei schaute er sie
mit vergnügt lächelnden Augen an und kloxfte ihr zum Zeichen
seines Wohlwollens recht väterlich auf die Schulter.
Lilly biß die Zähne übereinander, um nicht gerade hinaus
zu heulen. Mit so einem Menschen sollte sie ein paar Monate
unter einem Dach verweilen? Niemalsl Lieber davonlaufen,
fort, irgendwohin, in den lvald, zu den wilden Tieren . . . .
„Ich will Dir auch gleich sagen, wie ich mir die Sach' mit
Dir zurecht gelegt habe. Ganz vernünftig sollst werde, hat Dein
Vater geschrieben. Und da gibt's gar nichts Besseres, als ordentlich
umeinanderlaufe, tüchtig esse, tüchtig sause und acht Stund
schlafe wie e Ratzl Ich sag'
Dir, Bäsle, da wirst schaue,
was Du da für rote Bäckle
kriegst, und helle Auge, und
wie Du Dei Leutnantle ver-
gißt . . net angucke tust Du
ihn mehr. So e schöns Mädle
wie Du . . . . was brauchst
denn Du 'nem junge Mensche
nachzulaufe, Du nimmst Dir
ganz was anders! Das sag'
ich Dir."
Glücklicherweisc über-
tönte das Rollen des lvagens
das unehrcrbietige !vort,
das Lillx' zu ihrem eigenen
nachträglichen Schrecken
herausfuhr.
Ls nahm ja schließlich auch dieser Dornenweg sein Lnde
und der Forstmeister führte seinen Gast, den die kfaushälterin,
eine arine Verwandte, knixend begrüßt hatte, in das trauliche
Wohnzimmer, wo bereits der Tisch gedcckt war.
„So," sagte er gutmütig, „jetzt nimm jAatz, es wird Dich
hungern, also nur fest zuglangtl"
Da war eine mächtige Schüssel mit Arebssuxpe, ein sehr
appetitlicher Rehrücken und diverse Aompotte, und am Büfett
harrte eiue Rahmschneetorte von dem Umfang eines Wagen-
rades ihrer Bestimmung.
Aber alle diese kferrlichkeiten konnteu die Lilly nicht reizen,
die von jeder Schüssel nur eine Aleinigkeit kostete. Und lininer
redete ihr der Gnkel zu, immer legte er ihr Stücke auf den
Teller, die für seinen Magen berechnet waren, und er wurde
nicht müde, ihr immer wieder aufs neue zu versichern, daß es
keine wirksamere Medizin auf der Welt gäbe, die mit der un-
glücklichen Liebe so rasch aufräume, als ordentlich esfen und
trinken.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Lillys Leiden
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 658, S. 57
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication