Zeitschrift für Ifumor und Aunst
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(Lin Zeitnngstiger in Witdwest.
das Weinmanko vcrnrsacht zu haben, wollten die Beamten nun j
nicht aufkommen lassen, der Lxpeditor konstatierte den Tatbefund
in einem jdrotokoll, welches der Amtsdiener als Zeuge mit-
unterfertigte. Zugleich wurde eine Abschrift der Tatschrift an
den Vffizial Mähdler gesendet mit der Aufforderung, die
Recherchen nach dem tveindieb gefälligst persönlich vornehmen
zu wollen.
Aaum war das Schreiben an Mähdler abgesendet, kam der
liebenswürdige Zollinsxektor in das Betriebsbureau, um zu
fragen, warum das Fäßel Wein nicht zur Verzollung geschickt
worden sei. Ueber die Tatsache eines so bedeutenden Mankos
am Faßinhalt wunderte sich gleich den Bahnbeamten auch der
Zollinspektor, es erschien allen ein Diebstahl in einer Amts-
kanzlei als unerklärliche Frechheit. Mie ein Lauffeuer, oder so
schnell wie die Aunde einer allgemeinen Beamtengehalts-Auf-
besserung, verbreitete sich die Nachricht vom Diebstahl in allen
Bureaus des Grenzbahnhofes, und somit erhielt auch der
Polizeikommissär davon Aenntnis, der sogleich die Iagd nach
dem lVeindieb aufnahm und zunächst recherchierte, ob an diesem
sonnigen Morgen irgend ein Bahnbediensteter einen Ratzen-
jammer hatte. Im besonderen Maße war das aber nicht zu
konstatieren; Leute mit absolviertem Nachtdienst, waren, sofern
sie sich noch nicht zum Schlafen niedergelegt hatten, allerdings
übernächtig, doch nicht in jenem Stadium, welches ein starker
Weinkonsum hätte unbedingt hervorrufen müssen.
Lin schwacher Verdacht bestand bei einem Rangiergehilfen,
der zugestandenermaßen um Morgengrauen Alkohol zu sich
genommcn habe, jedoch ließ sich hinterdrein beweisen, daß der
Mann Aranewittschnaxs, nicht lvein getrunken hatte.
Ie rätfelhafter der Fall fich gestaltete, um so hitziger wurde
der Polizeikommissär, welcher nun das Fäßlein von außen unter-
snchte, um Bohrlöcher zu finden. Nichts zu sehen. Die Rorke
im Spund, unten und oben, sind unversehrt, stecken normal, die
Eisenreife sitzen ordnungsgemäß. Ls bleibt unerklärlich, wie
dem Fasse der Inhalt entnommen werden konnte. Daß dies
aber geschehen ist, beweist das Schwapxeln und Glucksen des
Weinrestes im stark geleerten Fasse. Auch sind Rotweinsxuren
am Fußboden vorhanden, es hat somit eine Abfüllung im Be-
triebsbureau stattgefunden. Die Frechheit dieses Diebstahls
schreit zum Lsimmel und fordert Rache.
Im Sinnen und Forschen kam dem Polizeikommissär wohl
der Gedanke, ob nicht etwa Vffizial Mähdler selbst sich, im Uebcr-
maße des Nachtdienstdurstes, am eigenen Weinfaß vergriffen
haben könnte; man weiß, daß lNähdler dem tiroler Rötel nicht
eben feind ist. Aber im Dienst ist die Vertilgung eines so großen
weinquantums doch undenkbar.
Der Aommissär las den Lichvermerk am Fäßlein ab: zehn
Liter Inhalt. Nunmehr muß konstatiert werden, wieviel Wein
noch im Fäßel ist. Nnterstützt von dem Schenkkellner der Bahn-
restauration süllte der Polizeibeamte das Fäßlein völlig ab, es
waren noch knapp vier Liter Wein vorhanden. Also hat der
Dieb rund sechs Liter Rotwein dem Faß entnommen und zweisel-
los in einem großen Gefäß weggeschlexpt. Lin Austrinken
von scchs Litern wein ist undenkbar, müßte einen Rausch er-
zielt haben, der unbedingt von Bahnmenschen bemerkt worden
sein müßte.
Ueber den rätselhaften Diebstahl kann somit nur Vffizial
Mähdler selbst Auskunft geben; der Vffizial war im Nachtdienst,
er muß, selbst wenn er zeitweise schlief, wenigstens ein Geräusch
wahrgenommen haben. Den Beamten jetzt am vormittag im
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(Lin Zeitnngstiger in Witdwest.
das Weinmanko vcrnrsacht zu haben, wollten die Beamten nun j
nicht aufkommen lassen, der Lxpeditor konstatierte den Tatbefund
in einem jdrotokoll, welches der Amtsdiener als Zeuge mit-
unterfertigte. Zugleich wurde eine Abschrift der Tatschrift an
den Vffizial Mähdler gesendet mit der Aufforderung, die
Recherchen nach dem tveindieb gefälligst persönlich vornehmen
zu wollen.
Aaum war das Schreiben an Mähdler abgesendet, kam der
liebenswürdige Zollinsxektor in das Betriebsbureau, um zu
fragen, warum das Fäßel Wein nicht zur Verzollung geschickt
worden sei. Ueber die Tatsache eines so bedeutenden Mankos
am Faßinhalt wunderte sich gleich den Bahnbeamten auch der
Zollinspektor, es erschien allen ein Diebstahl in einer Amts-
kanzlei als unerklärliche Frechheit. Mie ein Lauffeuer, oder so
schnell wie die Aunde einer allgemeinen Beamtengehalts-Auf-
besserung, verbreitete sich die Nachricht vom Diebstahl in allen
Bureaus des Grenzbahnhofes, und somit erhielt auch der
Polizeikommissär davon Aenntnis, der sogleich die Iagd nach
dem lVeindieb aufnahm und zunächst recherchierte, ob an diesem
sonnigen Morgen irgend ein Bahnbediensteter einen Ratzen-
jammer hatte. Im besonderen Maße war das aber nicht zu
konstatieren; Leute mit absolviertem Nachtdienst, waren, sofern
sie sich noch nicht zum Schlafen niedergelegt hatten, allerdings
übernächtig, doch nicht in jenem Stadium, welches ein starker
Weinkonsum hätte unbedingt hervorrufen müssen.
Lin schwacher Verdacht bestand bei einem Rangiergehilfen,
der zugestandenermaßen um Morgengrauen Alkohol zu sich
genommcn habe, jedoch ließ sich hinterdrein beweisen, daß der
Mann Aranewittschnaxs, nicht lvein getrunken hatte.
Ie rätfelhafter der Fall fich gestaltete, um so hitziger wurde
der Polizeikommissär, welcher nun das Fäßlein von außen unter-
snchte, um Bohrlöcher zu finden. Nichts zu sehen. Die Rorke
im Spund, unten und oben, sind unversehrt, stecken normal, die
Eisenreife sitzen ordnungsgemäß. Ls bleibt unerklärlich, wie
dem Fasse der Inhalt entnommen werden konnte. Daß dies
aber geschehen ist, beweist das Schwapxeln und Glucksen des
Weinrestes im stark geleerten Fasse. Auch sind Rotweinsxuren
am Fußboden vorhanden, es hat somit eine Abfüllung im Be-
triebsbureau stattgefunden. Die Frechheit dieses Diebstahls
schreit zum Lsimmel und fordert Rache.
Im Sinnen und Forschen kam dem Polizeikommissär wohl
der Gedanke, ob nicht etwa Vffizial Mähdler selbst sich, im Uebcr-
maße des Nachtdienstdurstes, am eigenen Weinfaß vergriffen
haben könnte; man weiß, daß lNähdler dem tiroler Rötel nicht
eben feind ist. Aber im Dienst ist die Vertilgung eines so großen
weinquantums doch undenkbar.
Der Aommissär las den Lichvermerk am Fäßlein ab: zehn
Liter Inhalt. Nunmehr muß konstatiert werden, wieviel Wein
noch im Fäßel ist. Nnterstützt von dem Schenkkellner der Bahn-
restauration süllte der Polizeibeamte das Fäßlein völlig ab, es
waren noch knapp vier Liter Wein vorhanden. Also hat der
Dieb rund sechs Liter Rotwein dem Faß entnommen und zweisel-
los in einem großen Gefäß weggeschlexpt. Lin Austrinken
von scchs Litern wein ist undenkbar, müßte einen Rausch er-
zielt haben, der unbedingt von Bahnmenschen bemerkt worden
sein müßte.
Ueber den rätselhaften Diebstahl kann somit nur Vffizial
Mähdler selbst Auskunft geben; der Vffizial war im Nachtdienst,
er muß, selbst wenn er zeitweise schlief, wenigstens ein Geräusch
wahrgenommen haben. Den Beamten jetzt am vormittag im
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Ein Zeitungstiger in Wildwest
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 662, S. 107
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg