Aleggendorfer-Blätler, München
ff2
Die Geschichte r>om Kaöi, öem Lastträger unö öem Zattelkern.
humoreske von Ernst Welisch.
^ n Bagdad, der Aalifenstadt, lebte einst ein weiser und
^ gerechter Aadi, nainens Ali ed-Danaf. Man nannte ihn
die Sonne unter den Richtern, und die Uebeltäter fürch-
teten ihn, wie Nlesrur selbst, den Schwertträger tfarun er-Ra-
schids, dessen Andenken gesegnet sei in alle Zeiten.
Nun begab es sich, dast dieser Aadi den Lastträger Lsab-
salom, einen geriebenen und abgefeimten Burschen, mit fünf-
undzwanzig Stockstreichen züchtigen ließ, weil er einen fränkischen
Aaufherrn schnöde überoorteilt hatte. Der Lastträger, der der
Ansicht war, es sei eine gute und lobenswerte Sache, die Beutel
der Fremden zu erleichtern, schwur dem
Radi insgeheim Rache zu, und da er
wußte, daß Ali ed-Danaf nicht nur das
Gut anderer zu schützen verstand, sondern
auch seine eigenen Dinare liebte und sorg-
sam hütete, so beschloß er, einen jdlan aus-
zuhecken, durch den der Aadi an seinen
Goldfüchsen Linbuße erleiden sollte.
Ali ed-Danaf xflegte des Abends,
wenn die Sonne ihre letzten, schrägen
Strahlen über Bagdad sandte, in einer
Blattlaube auf dein flachen Dache seines
lfauses zu sitzen, ncben ihm Bustan, die
Blume seines bserzens, und vor ihm, auf
cinem niedern Tisch, eine Schüssel mit
Datteln, die er leideuschaftlich gerne aß.
Und während Bustan auf ihrer Laute aus
Rosenholz wundersame lVeisen sxieltc,
verzehrte Ali sinnend die Datteln, und
warf die Aerne durch die Laube auf die
Gasse.
lfabsalom, dem diese Gewohnheit des
Aadi wohlbekannt war, baute auf sie seinen
jdlan. Lr ging in den Basar zu Lr-Rabia,
winkte dem Uaufmann, zog ihn beiseite und
sxrach zu ihm: „Ich weiß, daß Du unserem
Aadi gram bist, denn er hat
Dich einmal wegen falschen Ge-
wichtes mit einer hohen Geld-
buße belegt. Bist Du bereit,
mir bei einem Streich zu helfen,
denichihmsxielenwill?" —„Ich
bin's," sagte der Aaufmann.
„lVohlan," fuhr der Lastträger
fort, „so gib in meinen Rorb,
was Du an leicht zerbrechlichen
waren hast." — „Ich höre und
gehorche," sagte Lr-Rabia und
lud in den Aorb lfabsaloms für
zweihundert Dinare an Gläsern
und Geschirr. „Die soll Dir
Ali ed-Danaf mit fünfhundert
Dinaren bezahlen l" rief der Last-
träger, und der Aaufmann freute
sich über seine lVorte.
Nun machte sich lhabsalom
auf den lveg, denn es war die
Zeit, um die Bustan ihre süßen
Lieder erklingen ließ. Als er
aber vor dem ksause Alis ange-
langt war, glitt er wie von un-
gefähr aus, so daß des Aorbes
Inhalt iin Bogen auf das jdflaster fiel, und die Scherben lustig
klirrten. Dann hob er ein mörderliches Geschrei an und vcr-
langte vor den Aadi geführt zu werden.
„!Vas ist Dein Begehr?" fragte Ali ed-Danaf, als der Last-
träger vor ihm stand. „lferr," jammerte dieser, „ich bin der
Unglücklichste unter den Gläubigen, und es wäre mir besser,
ich läge gleich in Sahires Pfuhl. Aber sag mir zuvörderst —
denn Deine Linsicht ist klar, wie ein weinroter Rubin, und an
lveisheit kannst Du Dich mit Seijid Abd el Aadir, dein Lsei-
ligen, messen — sag mir, wer muß einen Schaden tragen: der
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Die Geschichte r>om Kaöi, öem Lastträger unö öem Zattelkern.
humoreske von Ernst Welisch.
^ n Bagdad, der Aalifenstadt, lebte einst ein weiser und
^ gerechter Aadi, nainens Ali ed-Danaf. Man nannte ihn
die Sonne unter den Richtern, und die Uebeltäter fürch-
teten ihn, wie Nlesrur selbst, den Schwertträger tfarun er-Ra-
schids, dessen Andenken gesegnet sei in alle Zeiten.
Nun begab es sich, dast dieser Aadi den Lastträger Lsab-
salom, einen geriebenen und abgefeimten Burschen, mit fünf-
undzwanzig Stockstreichen züchtigen ließ, weil er einen fränkischen
Aaufherrn schnöde überoorteilt hatte. Der Lastträger, der der
Ansicht war, es sei eine gute und lobenswerte Sache, die Beutel
der Fremden zu erleichtern, schwur dem
Radi insgeheim Rache zu, und da er
wußte, daß Ali ed-Danaf nicht nur das
Gut anderer zu schützen verstand, sondern
auch seine eigenen Dinare liebte und sorg-
sam hütete, so beschloß er, einen jdlan aus-
zuhecken, durch den der Aadi an seinen
Goldfüchsen Linbuße erleiden sollte.
Ali ed-Danaf xflegte des Abends,
wenn die Sonne ihre letzten, schrägen
Strahlen über Bagdad sandte, in einer
Blattlaube auf dein flachen Dache seines
lfauses zu sitzen, ncben ihm Bustan, die
Blume seines bserzens, und vor ihm, auf
cinem niedern Tisch, eine Schüssel mit
Datteln, die er leideuschaftlich gerne aß.
Und während Bustan auf ihrer Laute aus
Rosenholz wundersame lVeisen sxieltc,
verzehrte Ali sinnend die Datteln, und
warf die Aerne durch die Laube auf die
Gasse.
lfabsalom, dem diese Gewohnheit des
Aadi wohlbekannt war, baute auf sie seinen
jdlan. Lr ging in den Basar zu Lr-Rabia,
winkte dem Uaufmann, zog ihn beiseite und
sxrach zu ihm: „Ich weiß, daß Du unserem
Aadi gram bist, denn er hat
Dich einmal wegen falschen Ge-
wichtes mit einer hohen Geld-
buße belegt. Bist Du bereit,
mir bei einem Streich zu helfen,
denichihmsxielenwill?" —„Ich
bin's," sagte der Aaufmann.
„lVohlan," fuhr der Lastträger
fort, „so gib in meinen Rorb,
was Du an leicht zerbrechlichen
waren hast." — „Ich höre und
gehorche," sagte Lr-Rabia und
lud in den Aorb lfabsaloms für
zweihundert Dinare an Gläsern
und Geschirr. „Die soll Dir
Ali ed-Danaf mit fünfhundert
Dinaren bezahlen l" rief der Last-
träger, und der Aaufmann freute
sich über seine lVorte.
Nun machte sich lhabsalom
auf den lveg, denn es war die
Zeit, um die Bustan ihre süßen
Lieder erklingen ließ. Als er
aber vor dem ksause Alis ange-
langt war, glitt er wie von un-
gefähr aus, so daß des Aorbes
Inhalt iin Bogen auf das jdflaster fiel, und die Scherben lustig
klirrten. Dann hob er ein mörderliches Geschrei an und vcr-
langte vor den Aadi geführt zu werden.
„!Vas ist Dein Begehr?" fragte Ali ed-Danaf, als der Last-
träger vor ihm stand. „lferr," jammerte dieser, „ich bin der
Unglücklichste unter den Gläubigen, und es wäre mir besser,
ich läge gleich in Sahires Pfuhl. Aber sag mir zuvörderst —
denn Deine Linsicht ist klar, wie ein weinroter Rubin, und an
lveisheit kannst Du Dich mit Seijid Abd el Aadir, dein Lsei-
ligen, messen — sag mir, wer muß einen Schaden tragen: der
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Die Geschichte vom Kadi, dem Lastträger und dem Dattelkern
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 663, S. 112
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication