Zeltschrisl für Hunlor unö Aunjl
69
Warum lich Ktuöiosus Vuhke den Auß verstauchte.
Hmnoreske von Hngo Maro.
leich als er die Schwelle seiner Wohnung überschritten
hatte, bemerkte Studiosus Ntar Butzke einen Brief auf
dem Tische; mit gesxannter Miene ging der junge
Mann rasch näher, doch schon stockte sein Fuß, und in dem Ge-
sichte des angehenden Doktors zeigte stch lebhafte Enttäuschung;
ein Blick auf die Adresse hatte ihn die energischen Schriftzüge
seines vaters erkennen lassen.
Studiosus Max Butzke hatte es nie eilig, von den Zuschriften
seines alten lserrn Renntnis zu nehmen; enthielten sie doch
selten etwas Angenehmes: vorwürfe, daß der Lserr Sohn so
viel Geld verbrauche, Anfragen, wann man denn endlich zum
guten Abschlusse seiner Studien kommen werde, Lrmahnungen,
Rlagen. Der lserr Studio ließ die Briefe seines Lrzeugers
manchmal stundenlang liegen, bevor er sie öffnete. Man verdirbt
sich doch nicht gern die Laune. In den weitaus meisten Fällen
wünschte er von den väter-
lichen Lpisteln, daß es Briefe
wären, ,die ihn nicht er-
reichtenl Auch heute ließ
sich Max reichlich Zeit, bis
er das väterliche Schreiben
endlich las. Ls lautete:
„T>a sieht man doch, daß mein alter bserr manchmal auch ganz
vernünftige Briefe schreiben kann."-—
Ein paar Tage später traf der Studiosus Friedrich Rurz-
bein seinen dicken Rommilitonen Butzke, der eiligen Schrittes
ein funkelnagelueues Zweirad schob.
„All lseill Dickerchenl Ja, sehe ich denn recht, ist's kein
Trugbild — Du, Max, Lrnst Butzke, bist unter die Radler ge-
gangen? — Na, Zeit wär's, daß Du Deinem bedrohlich wach-
senden Bierbauch, der die Schönheitslinie des männlichen Rörxers
schon bedenklich überschritten hat, den Rrieg erklärtest. — Doch
wohin so eilig, zur Radfahrschule? Bder — —"
Lin höhnisches Lachen schnitt Rurzbein das Wort ab.
„Radfahrschule — so 'n Llödsinn. Zur Pfandleihe will ich selbst-
verständlich."
(Lortsetzung beite 70.)
Verraten.
Lieber Sohnl
In der Lotterie der
Gewerbe- und Industrie-
Ausstellung habe ich zwei
Fahrräder gewonnen,
hochfeine erstklassige Fa-
brikate. Das eine Rad
mache ich Dir zum Ge-
schenk. Besonders Dir, da
Du bei Deinem xhlegmati-
schen Temperament und
infolge des vielen Sitzens
am Biertische schon be-
denklich zur Rorpulenz
neigstzdürftedieAusübung
des Sports zum Remedium
gegen übermäßigen Fett-
ansatz niit allen seinen
üblen Folgen werden. Ich
hoffe, daß das Rad Dich
der verderblichen Atmo-
sphäre der Rneipen ent-
ziehen, Dich ost hinaus-
lockcn wird in dic schöne,
freieGottesnatur.— Nach
dem alten Satze: meris
8unu in corpore sano
wird dann auch Dein Geist
an Frische, Lnergic und
Llastizität gewinnen, und
in gleichem Maße wird der
Gedanke an die Examina
seine Schrecken verliercn.
Die Maschine geht Dir in
den nächsten Tagen als
Frachtgut zu. All kseill
Ls grüßt Dich herzlich
Dein vater.
Max legte den Bries
schmunzelnd aus der lsand.
jdassant Izum Södnchen eines Settiersj: „IDie lange ist denn Dein Batcr blind?"
Rleiner „^mmer von acht Rhr früh bis sechs Uhr abendsl"
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Warum lich Ktuöiosus Vuhke den Auß verstauchte.
Hmnoreske von Hngo Maro.
leich als er die Schwelle seiner Wohnung überschritten
hatte, bemerkte Studiosus Ntar Butzke einen Brief auf
dem Tische; mit gesxannter Miene ging der junge
Mann rasch näher, doch schon stockte sein Fuß, und in dem Ge-
sichte des angehenden Doktors zeigte stch lebhafte Enttäuschung;
ein Blick auf die Adresse hatte ihn die energischen Schriftzüge
seines vaters erkennen lassen.
Studiosus Max Butzke hatte es nie eilig, von den Zuschriften
seines alten lserrn Renntnis zu nehmen; enthielten sie doch
selten etwas Angenehmes: vorwürfe, daß der Lserr Sohn so
viel Geld verbrauche, Anfragen, wann man denn endlich zum
guten Abschlusse seiner Studien kommen werde, Lrmahnungen,
Rlagen. Der lserr Studio ließ die Briefe seines Lrzeugers
manchmal stundenlang liegen, bevor er sie öffnete. Man verdirbt
sich doch nicht gern die Laune. In den weitaus meisten Fällen
wünschte er von den väter-
lichen Lpisteln, daß es Briefe
wären, ,die ihn nicht er-
reichtenl Auch heute ließ
sich Max reichlich Zeit, bis
er das väterliche Schreiben
endlich las. Ls lautete:
„T>a sieht man doch, daß mein alter bserr manchmal auch ganz
vernünftige Briefe schreiben kann."-—
Ein paar Tage später traf der Studiosus Friedrich Rurz-
bein seinen dicken Rommilitonen Butzke, der eiligen Schrittes
ein funkelnagelueues Zweirad schob.
„All lseill Dickerchenl Ja, sehe ich denn recht, ist's kein
Trugbild — Du, Max, Lrnst Butzke, bist unter die Radler ge-
gangen? — Na, Zeit wär's, daß Du Deinem bedrohlich wach-
senden Bierbauch, der die Schönheitslinie des männlichen Rörxers
schon bedenklich überschritten hat, den Rrieg erklärtest. — Doch
wohin so eilig, zur Radfahrschule? Bder — —"
Lin höhnisches Lachen schnitt Rurzbein das Wort ab.
„Radfahrschule — so 'n Llödsinn. Zur Pfandleihe will ich selbst-
verständlich."
(Lortsetzung beite 70.)
Verraten.
Lieber Sohnl
In der Lotterie der
Gewerbe- und Industrie-
Ausstellung habe ich zwei
Fahrräder gewonnen,
hochfeine erstklassige Fa-
brikate. Das eine Rad
mache ich Dir zum Ge-
schenk. Besonders Dir, da
Du bei Deinem xhlegmati-
schen Temperament und
infolge des vielen Sitzens
am Biertische schon be-
denklich zur Rorpulenz
neigstzdürftedieAusübung
des Sports zum Remedium
gegen übermäßigen Fett-
ansatz niit allen seinen
üblen Folgen werden. Ich
hoffe, daß das Rad Dich
der verderblichen Atmo-
sphäre der Rneipen ent-
ziehen, Dich ost hinaus-
lockcn wird in dic schöne,
freieGottesnatur.— Nach
dem alten Satze: meris
8unu in corpore sano
wird dann auch Dein Geist
an Frische, Lnergic und
Llastizität gewinnen, und
in gleichem Maße wird der
Gedanke an die Examina
seine Schrecken verliercn.
Die Maschine geht Dir in
den nächsten Tagen als
Frachtgut zu. All kseill
Ls grüßt Dich herzlich
Dein vater.
Max legte den Bries
schmunzelnd aus der lsand.
jdassant Izum Södnchen eines Settiersj: „IDie lange ist denn Dein Batcr blind?"
Rleiner „^mmer von acht Rhr früh bis sechs Uhr abendsl"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Verraten
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Passant (zum Söhnchen eines Bettlers): "Wie lange ist denn Dein Vater blind?" / Kleiner: "Immer von acht Uhr früh bis sechs Uhr abends!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 62.1905, Nr. 763, S. 69
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg