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Meggendorfer-Blätter — 62.1905 (Nr. 758-770)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9749#0091
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Zeitschrifl für humor und Runsl

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vas Bild des Geliebten.

lassung dic lfand drückte, dann sich aber wieder zu
scinem Nachbar wendete, mit dem er eifrig piauderte.

Als die einleitende Rede verklungen war, be-
nierkte der Doktor, daß die Blicke seiner gegenüber-
sitzenden Nachbarn sich mit einer halb heiteren, halb
neugierigen Miene auf ihn richteten. Lr griff
mechanisch nach seiner ksalsbinde, die er bisweilen
im Drange der Geschäfte entweder gar nicht oder
verkchrt anzuziehen beliebte, aber es war alles in
Mrdnung, so daß er sich auch nicht weiter darum
kümmerte. Lr sann darüber nach, wie er dem
Geheimrat erzählen könnte, was er heute erlebt
Lr wünschte das als einen Beweis der Rückständigkeit
und des unwissenschaftlichcn Denkens seiner volks-
genossen darzustellen, daß sie sich nur deswegen vor
einer Bperation scheuten, weil sie aus ihrem wasser-
koxf keinen Springbrunnen machen lassen wollten.

Mittlerwcile fiel es ihm auf, daß der Geheimrat
manchmal das Gespräch mit dem Nachbar abbrach
und verstohlen zu ihm herüberschielte. Und er hörte,
wie er zu jenem sagte: „Jch sehe nicht gut genug,
aber ich denkc, es wird wohl das einfachste sein,
wir fragen ihn selbcr."

Sofort darauf beugte sich der Geheimrat zu
ihm herüber und sprach: „Lntschuldigen Sie, kserr
Rollege, was ist das für cin Grden, den Sie
erhielten?"

Der Doktor schaute erstaunt. „Vrden? Ich? verzeihen Sie, das muß
ein Irrtum sein, soweit habe ich es leider noch nicht bringen können. lserr
Geheimrat verwechseln mich wohl?"

Der alte lserr rückte seinen goldenen Kneifer zurecht, zog die Augen-
brauen in die bsöhe, erstens, weil er an und für sich der Anschauung war,
daß Geheimräte nicht zu irren pflegen und zweitens, weil er in dem vor-
liegenden Falle die absolute Berechtigung fühlte, sich für geradezu unfehlbar
zu halten.

„Aber gestatten Sie, verehrtester, was ist denn dann das Dings da,
das ich doch — wenn ich nicht irre — an ihrem Frack baumeln sehe, wie?"

Der Doktor schaute völlig verwirrt an seinem Frack hinunter, dann
griff er sich an die Stirne und holte mit der andern ksand mechanisch ein
Taschentuch hervor, mit dem er den Schweiß, der plötzlich ausbrach, zu
trocknen versuchte. Ls gab nämlich keinen Zweifel, im Rnoxfloch seines
Fracks, nur verdeckt durch den sich darüber lcgenden Aragen, hing ein Grden
und zwar von jener kompromittierenden Sorte, wie sie bei Redouten verteilt
werden. Lin wirkliches, nicht abzuleugnendes Redoutenzeichenl Und mit
diesem verwünschten Papierstern ging er zum Aaiserdiner, setzte fich mit
dieser zweifelhaften Zier neben seinen künftigen Schwiegervater, den wirk-
lichen Geheimrat, die demnächstige Lxzellenzl D Doktor Wieser, miesester
aller Medizinmänner, und kein rettendes Mauseloch, in das er sich lautlos
mit überirdischer lvonne versenkt hätte. So etwas genügt, um den ge-
scheitesten Nenschen momentan zu lähmen und hilflos zu machen und es
verriete ein gänzlich verrohtes Gemüt, wollte man da von irgendeinem
Mann verlangen, er sollte in einem solchen Augenblick nicht das allerdümmste
Gesicht schneiden, dessen er fähig ist. Doktor wieser tat's. Darin sind alle
Zuschauer einig. Aber er setzte auch noch stainmelnd hinzu: „Ls ist ein
Redoutenorden — aber ich war ja auf gar keiner Redoutel"

Unter Ungebildeten würde didse im jammervollsten Tone hervorgestotterte
Bemerkung einen schallenden kjeiterkeitsausbruch zur Folge gehabt haben.

ksier rief sie nur eine stille, aber nichts destoweniger innige Fröhlichkeit
hervor. Ukan schaute sich gegenseitig verständnisvoll lächelnd an und ging
schweigend zum Aapaunenbratcn über.

Der arme Doktor abcr versank in ein dumpfes Brüten, so daß selbst
der servierende Kellner ihn nicht dauernd zu rvecken vermochte und weiter-
schreiten mußte.

Sobald er aus der Betäubung ein bißchen erwacht war, wurde ihm
der Sachverhalt sehr bald unumstößlich klar. Line Tatsache, die zwar ge-
eignet schien, ihn zu entlasten, die aber wahrscheinlich von niemand ge-
glaubt würde.

Lr hatte ja schon früher bemerkt, daß sein Diener ab und zu cines
seiner Aleidungsstücke benützte und das hatte der Gauner, weil er sich sicher
wußte, nun auch mit dem Frack getan und im Dusel vergessen, den ver-
räterischen Vrden zu beseitigen. Und er selbst hatte im dunklen Gang, weil
cr überdem Lile hatte, das Unglückszeichen einfach übersehen. So war's, so
mußte es wohl sein. Daran war nun nichts mehr zu ändern. Schlimm
genugl Als der Geheimrat des süßen Sektcs ein wenig voll nach ksausc
kam, erzählte er seiner Tochter — die Ukutter war glücklicherweise nicht
daheim — sofort die lustige Geschichte von dem zerstreuten Doktor, und er
lachte dabei, daß ihm die Tränen aus den Augen liefen.

wäre er nicht in so seliger Stimmung gewesen, so hätte es ihm
zweifelsohne nicht entgehen können, daß Fräulein Llse durchaus nicht in
der Lage sich befand, seine Riesenheiterkeit zu teilcn. Mit dem Scharfblick
des Weibes, das seine kiebe gefährdet sieht, überschaute sie sofort die Trag-
weite des fatalcn Lreignisses. Und zugleich sagte ihr ein innerstes Gefühl,
daß irgend etwas jetzt geschehen müsse, wenn nicht alles verloren sein sollte.
Aber was? Die Gedanken jagten sich mit unheimlicher Geschwindigkeit in
ihrem tödlich erschreckten Aöpfchen — sie fand nichts. Sie lachte scheinbar,
aber dieses Lachen klang wie iveinen, es waren seltsame Töne.

„Das Linfältige daran ist, daß der arme Doktor darüber in ver-
legenheit geriet," schloß der Geheimrat seinen Bericht, „daß er auf der
Redoute gewesen sein sollte. Lächerlichl Sind das Mannsbilder? Zum
Donner noch einmal, wenn ich mir's in den Sinn setzen würde, auf die
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Das Bild des Geliebten und die bösen Buben
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Meggendorfer, Lothar
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Streich <Scherz>
Frau
Vorhang
Bildnis
Gemälde
Plakat
Schrecken

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 62.1905, Nr. 764, S. 83

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
 
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