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Meggendorfer-Blätter, München
I
HelnlMd Volke?.
^ke wilden lassen duften Im Lande
Vs fteyt in roten Vlüte such das
Milde Hosen, Oonnen tragen sie,
veiner Hüsse denk' ich dsbei, Marke!
Freue und Hofen können nicht ewig blichn,
ftlammen müssen in grauem Mel) oerglichn,
veiner roten Hüsse vergeh' ich nie,
^ ßüße wilde vornenrose Marie!
V22
weit
Leid
„Und wenn Du einen Lid ablegen müßtest? . .hat der
Postenführer gesagt.
„Das könnt' i schon. Aber das glaubt so auch ein jeder,"
war die lachende Antwort.
Der Gendarm hat darauf einige Notizen gemacht und sich
empfohlen. Der Kohlenbrenner hat sich nicht erklären können,
warum der Postenführer das ausgeschrieben hat, aber es hat
ihn gefreut, daß der strenge Herr so gut aufgelegt war. Nicht
gar lange danach ist der Gemeindediener vom Dorf mit einem
großen Brief heraufgekeucht.
Der Michel müßt' am Samstag vor's Gericht, hat er ge-
sagt und ist wieder fort. Der aber hat ein dummes Gesicht
gemacht.
Db's wohl einen Krieg gibt, oder ob's wegen der (Ohr-
feigen ist, die er im letzten Rausch dem Hausknecht vom
Kirchenwirt 'geben hat?
Im Tal hatte es etwas abgegeben. Das konnte der
„deutsche Michel", der schon fast vier Wochen im Schlag oben
war, freilich nicht wissen. In der Früh nach dem kieseltage
wollte der Bergleitner vor die Haustüre gehen, da siel
er in der Dämmerung über etwas drüber, wie er
schaut, war es ein frischgeschossener Gemsbock ohne
Bart und Krickel. Weil die Gemsen für gewöhnlich
nicht auf einer Haustürschwelle eingehen, ist er gleich
auf das Richtige verfallen. Daß der Bock aus seinem
Reviere stammte, war klar, weil niemand sonst weit
und breit eine Gemsjagd hatte. Lrst hat der Bauer
fürchterlich geschimpft und dann Anzeige erstattet.
Aber kein Mensch hätte es herausgebracht, wer der
Uebeltäter gewesen — wenn sich nicht der Graben-
Hofer-Lipp darum angenommen hätte. Wie der dem
Bergleitner den Wildschänder genannt hat, hat es
der Bauer nicht glauben wollen. — — —
Neben dem Besitze des Bergleitner lag das
Lechnerbauerngut und von unten her grenzte der
Grabenhof an. Die beiden Söhne des Nachbarn
hatten sich schon einige Zeit um das schöne Lverl,
des Bergleitners einziges Kind, bemüht, denn ein
Nachbargut erheiraten ist keine üble Spekulation.
So dachte der alte Bergleitner auch, denn die zwei
Bewerber waren ebenfalls die einzigen Söhne und
Lrben ihrer Eltern, weil aber die beiden Nachbar-
höfe ziemlich gleichen wert hatten, war der Bauer
unentschieden, wem er seine Tochter geben sollte.
Das Lverl freilich war schon lange mit seiner Er-
wägung fertig, oder hatte gar keiner bedurft.
Der Lechnerbauern-Hans konnte ihm diesen
Streich nicht gespielt haben! Der wollte ihn zum
Schwiegervater haben. Aber der kipp verstand das
Zeug. Er wußte den Alten zu überzeugen, daß
alles nur geschehen sei, um ihn, den kipp, zu ver-
dächtigen und aus der Gunst des Bauern zu drängen.
Ueberdies hatte er einen Zeugen, den er dem Berg-
leitner noch nicht nannte.
Gestern abend hatten die Gendarmen den
kechnerbauern-Hans abgeholt. Jetzt war der Berg-
leitner auch über die Zukunft seiner Einzigen im
reinen. Blieb ohnehin nur mehr einer übrig.
So kam der Samstag heran und der Bauer
fuhr in seiner neuen Kalesche zur Verhandlung.
Selbstverständlich nahm er auch den kipp, den in
Betracht kommenden Schwiegersohn, in seinem Ge-
fährt mit.
Das Lverl saß mit nassen Augen auf der Sommerbank vor
dem Hause und schaute dem Wagen nach.
Die Verhandlung war im besten Zuge. Der Grabenhofer
und der Gendarm hatten ihre Aussagen bereits zu Protokoll
gegeben. Der angeklagte Lechnerbauer leugnete mit größter
Beharrlichkeit. Nur als der Richter fragte, ob er Nachweisen
könne, daß er sich an jenem Abend, an dem der Wildfrcvel
verübt worden war, an einem unverfänglichen Grte aufgehalten
habe, schwieg er verlegen. Das verhör wurde fortgesetzt.
Da wird der Kronzeuge aufgcrufen und an der Seite des
Gerichtsdieners erscheint der reingewaschene Kohlenbrennermichel-
Nach Feststellung der Personalien, die wegen der Schwer-
hörigkeit des Zeugen umständlich ist, fragt der Richter, der kein
Freund vom vielen Schreien ist, gleich kräftig heraus: „Ist's der?
Dazu weist er auf den Angeklagten.
Dem Michel ist beim Anblicke seiner Umgebung ein kiäsi
aufgegangen. Der Herr Gendarm und der kipxl Na ja, und
der Bergleitner als Vater . . . „Sein tut er's schon," sagt
auf die Frage.
Meggendorfer-Blätter, München
I
HelnlMd Volke?.
^ke wilden lassen duften Im Lande
Vs fteyt in roten Vlüte such das
Milde Hosen, Oonnen tragen sie,
veiner Hüsse denk' ich dsbei, Marke!
Freue und Hofen können nicht ewig blichn,
ftlammen müssen in grauem Mel) oerglichn,
veiner roten Hüsse vergeh' ich nie,
^ ßüße wilde vornenrose Marie!
V22
weit
Leid
„Und wenn Du einen Lid ablegen müßtest? . .hat der
Postenführer gesagt.
„Das könnt' i schon. Aber das glaubt so auch ein jeder,"
war die lachende Antwort.
Der Gendarm hat darauf einige Notizen gemacht und sich
empfohlen. Der Kohlenbrenner hat sich nicht erklären können,
warum der Postenführer das ausgeschrieben hat, aber es hat
ihn gefreut, daß der strenge Herr so gut aufgelegt war. Nicht
gar lange danach ist der Gemeindediener vom Dorf mit einem
großen Brief heraufgekeucht.
Der Michel müßt' am Samstag vor's Gericht, hat er ge-
sagt und ist wieder fort. Der aber hat ein dummes Gesicht
gemacht.
Db's wohl einen Krieg gibt, oder ob's wegen der (Ohr-
feigen ist, die er im letzten Rausch dem Hausknecht vom
Kirchenwirt 'geben hat?
Im Tal hatte es etwas abgegeben. Das konnte der
„deutsche Michel", der schon fast vier Wochen im Schlag oben
war, freilich nicht wissen. In der Früh nach dem kieseltage
wollte der Bergleitner vor die Haustüre gehen, da siel
er in der Dämmerung über etwas drüber, wie er
schaut, war es ein frischgeschossener Gemsbock ohne
Bart und Krickel. Weil die Gemsen für gewöhnlich
nicht auf einer Haustürschwelle eingehen, ist er gleich
auf das Richtige verfallen. Daß der Bock aus seinem
Reviere stammte, war klar, weil niemand sonst weit
und breit eine Gemsjagd hatte. Lrst hat der Bauer
fürchterlich geschimpft und dann Anzeige erstattet.
Aber kein Mensch hätte es herausgebracht, wer der
Uebeltäter gewesen — wenn sich nicht der Graben-
Hofer-Lipp darum angenommen hätte. Wie der dem
Bergleitner den Wildschänder genannt hat, hat es
der Bauer nicht glauben wollen. — — —
Neben dem Besitze des Bergleitner lag das
Lechnerbauerngut und von unten her grenzte der
Grabenhof an. Die beiden Söhne des Nachbarn
hatten sich schon einige Zeit um das schöne Lverl,
des Bergleitners einziges Kind, bemüht, denn ein
Nachbargut erheiraten ist keine üble Spekulation.
So dachte der alte Bergleitner auch, denn die zwei
Bewerber waren ebenfalls die einzigen Söhne und
Lrben ihrer Eltern, weil aber die beiden Nachbar-
höfe ziemlich gleichen wert hatten, war der Bauer
unentschieden, wem er seine Tochter geben sollte.
Das Lverl freilich war schon lange mit seiner Er-
wägung fertig, oder hatte gar keiner bedurft.
Der Lechnerbauern-Hans konnte ihm diesen
Streich nicht gespielt haben! Der wollte ihn zum
Schwiegervater haben. Aber der kipp verstand das
Zeug. Er wußte den Alten zu überzeugen, daß
alles nur geschehen sei, um ihn, den kipp, zu ver-
dächtigen und aus der Gunst des Bauern zu drängen.
Ueberdies hatte er einen Zeugen, den er dem Berg-
leitner noch nicht nannte.
Gestern abend hatten die Gendarmen den
kechnerbauern-Hans abgeholt. Jetzt war der Berg-
leitner auch über die Zukunft seiner Einzigen im
reinen. Blieb ohnehin nur mehr einer übrig.
So kam der Samstag heran und der Bauer
fuhr in seiner neuen Kalesche zur Verhandlung.
Selbstverständlich nahm er auch den kipp, den in
Betracht kommenden Schwiegersohn, in seinem Ge-
fährt mit.
Das Lverl saß mit nassen Augen auf der Sommerbank vor
dem Hause und schaute dem Wagen nach.
Die Verhandlung war im besten Zuge. Der Grabenhofer
und der Gendarm hatten ihre Aussagen bereits zu Protokoll
gegeben. Der angeklagte Lechnerbauer leugnete mit größter
Beharrlichkeit. Nur als der Richter fragte, ob er Nachweisen
könne, daß er sich an jenem Abend, an dem der Wildfrcvel
verübt worden war, an einem unverfänglichen Grte aufgehalten
habe, schwieg er verlegen. Das verhör wurde fortgesetzt.
Da wird der Kronzeuge aufgcrufen und an der Seite des
Gerichtsdieners erscheint der reingewaschene Kohlenbrennermichel-
Nach Feststellung der Personalien, die wegen der Schwer-
hörigkeit des Zeugen umständlich ist, fragt der Richter, der kein
Freund vom vielen Schreien ist, gleich kräftig heraus: „Ist's der?
Dazu weist er auf den Angeklagten.
Dem Michel ist beim Anblicke seiner Umgebung ein kiäsi
aufgegangen. Der Herr Gendarm und der kipxl Na ja, und
der Bergleitner als Vater . . . „Sein tut er's schon," sagt
auf die Frage.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Wilde Rosen
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildbeschriftung: Die wilden Rosen duften im Lande weit, / Da steht in roter Blüte auch das Leid. / Wilde Rosen, Dornen tragen sie, / Deiner Küsse denk' ich dabei, Marie! // Treue und Rosen können nicht ewig blühn, / Flammen müssen in grauem Weh verglühn, / Deiner roten Küsse vergeß' ich nie, / Süße wilde Dornenrose Marie!
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2013-11-21 - 2013-11-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 63.1905, Nr. 777, S. 80
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg