Nr. 1237
Zeitschrift für Hurnor und Kunst
211
Der Brief
Des Tages Bürde hielt mich fern
Bis spät zur Nacht.
And doch, ich trug sie gern, so gern
Im Leim mir lacht
Ein frohes Kinderantlitz
dann entgegen,
Noch unberllhrt von dem. was
Sorge heißt.
Obwohl schon weicher Flaum
die Lippe ziert
!lnd Kinderhände schon das
Bärtchen pflegen.
Obwohl die Stimme schon mutiert
And tatenlustig Blut schon kreist
Im jungen Leib.
Kaum sechzehn Iahr!
Doch mir noch Kind, bei
alledem noch Kind!
Wo wär' die Grenze auch für den,
Der alles, alles
In seinem Kind besitzt!
And Gott gefall' es,
So bat ich oft,
Daß stets den rechten Weg es gehe
And ihm kein bittres Leid geschehe!
An einem Abend war's, er
stand vor mir.
Wir hatten grad ein hübsches
Buch gelesen,
Ich glaub', es ist der Cid gewesen,
And voll Romantik steckten wir.
Da fing er plötzlich an zu prahlen,
Der Prahlhans der, der
Sausewind!
„Du." jprach er „bin ich erst
mal groß.
So weiß ich, was ich tu,
Ich kaufe mir ein großes Schloß
And nenn es Papa's Ruh'.
And in dem Schloß dann
wohnen wir,
Wir beide ganz allein,
And niemals trenn' ich mich vondir;
Wie herrlich wird das sein!
Gelt?"
„Ia!"
And nun?
Iäh flammt im Zimmer auf
das Licht,
Es irrt umher und zuckend legt
Sich's auf vertraute Gegenstände
Wie schmale weiße Geisterhände:
Es flackert auf, es flackert nieder,
Als ob es nirgends Ruhe fände,
And ob es scheue sich, zu rasten
Auf einem Fleck. Doch
schließlich liegt
Es unbewegt.
And fahl
Zeigt's meinem Auge einen Brief.
Die steile Knabenschrift verrät,
Von wem er ist.
Ich kam zu spät!
„Verzeih mir Vater-
Liebster Vater-
— „Goddam diese Germans haben auf einmal so viele Schiffe, — ich sehe sie alle doppelt!"
Mit Allgewalt-
Des Lerzens Drang--
Dem Vaterland-
Mein Blut jetzt — meine Kraft.
Ich wußte, daß du, liebster
Vater-
And ich entlief.
Verzeih, leb wohl!"
Wie eines Demants Funkeln glitt
Vor meinem Aug' es auf.
Verzeih, leb wohl —-
Nein, nein, nicht so, mein
braver Sohn,
Nicht so, nicht so!
Last recht getan!
petersbulg
lMcl. „Nn äer Laalc kettem Ltranäe".)
lln iier Ilews grünem Strsnäe
Mtert jelbst im Schill äer
Lurch,
llnä er bebt im siorst äie kule,
venn ein grsussm llngstgeheule
eönet Isut aus petersburch.
0, wie alles kläglich eitterl
llnä mit Lchlolterknieen bebt!
0, wie slles mit llewimmer,
Msnnsbilä sowie7rauenrimmer,
Schleunigst schon nsch lletlung
strebt!
llrsben weräen schnell gegrsben,
Päer ist sech; Meter tiek;
llingsum riehtmsnStschelärsht,
llenn msn schreit: ver seinä,
er nsht,
llnä jetzt geht es eklig lchiel.
llieles wirä noch schnell
rertöppert,
sjsmmerlich ksput gemscht;
lllss sn lverten lorteutrsgen,
Airä noch eiligst »nterlchlsge»
llnä in Licherkeit gebrscht.
Leb wohl auch du, mein Kind!
Aus Wiedersehn! So Gott es will!
And still
I» mir und um mich ward es still.
C. A. Lenntg
lllelch ein Leben, Srsulen, ?ürchten.
sisnäeringen, Schreck unä llot, —
kh' wir nsch äer llews kommen,
kh' noch petersburg genommen,
lst SUS stngst lchSN Sller 10t. 0cä-nenN-
Zeitschrift für Hurnor und Kunst
211
Der Brief
Des Tages Bürde hielt mich fern
Bis spät zur Nacht.
And doch, ich trug sie gern, so gern
Im Leim mir lacht
Ein frohes Kinderantlitz
dann entgegen,
Noch unberllhrt von dem. was
Sorge heißt.
Obwohl schon weicher Flaum
die Lippe ziert
!lnd Kinderhände schon das
Bärtchen pflegen.
Obwohl die Stimme schon mutiert
And tatenlustig Blut schon kreist
Im jungen Leib.
Kaum sechzehn Iahr!
Doch mir noch Kind, bei
alledem noch Kind!
Wo wär' die Grenze auch für den,
Der alles, alles
In seinem Kind besitzt!
And Gott gefall' es,
So bat ich oft,
Daß stets den rechten Weg es gehe
And ihm kein bittres Leid geschehe!
An einem Abend war's, er
stand vor mir.
Wir hatten grad ein hübsches
Buch gelesen,
Ich glaub', es ist der Cid gewesen,
And voll Romantik steckten wir.
Da fing er plötzlich an zu prahlen,
Der Prahlhans der, der
Sausewind!
„Du." jprach er „bin ich erst
mal groß.
So weiß ich, was ich tu,
Ich kaufe mir ein großes Schloß
And nenn es Papa's Ruh'.
And in dem Schloß dann
wohnen wir,
Wir beide ganz allein,
And niemals trenn' ich mich vondir;
Wie herrlich wird das sein!
Gelt?"
„Ia!"
And nun?
Iäh flammt im Zimmer auf
das Licht,
Es irrt umher und zuckend legt
Sich's auf vertraute Gegenstände
Wie schmale weiße Geisterhände:
Es flackert auf, es flackert nieder,
Als ob es nirgends Ruhe fände,
And ob es scheue sich, zu rasten
Auf einem Fleck. Doch
schließlich liegt
Es unbewegt.
And fahl
Zeigt's meinem Auge einen Brief.
Die steile Knabenschrift verrät,
Von wem er ist.
Ich kam zu spät!
„Verzeih mir Vater-
Liebster Vater-
— „Goddam diese Germans haben auf einmal so viele Schiffe, — ich sehe sie alle doppelt!"
Mit Allgewalt-
Des Lerzens Drang--
Dem Vaterland-
Mein Blut jetzt — meine Kraft.
Ich wußte, daß du, liebster
Vater-
And ich entlief.
Verzeih, leb wohl!"
Wie eines Demants Funkeln glitt
Vor meinem Aug' es auf.
Verzeih, leb wohl —-
Nein, nein, nicht so, mein
braver Sohn,
Nicht so, nicht so!
Last recht getan!
petersbulg
lMcl. „Nn äer Laalc kettem Ltranäe".)
lln iier Ilews grünem Strsnäe
Mtert jelbst im Schill äer
Lurch,
llnä er bebt im siorst äie kule,
venn ein grsussm llngstgeheule
eönet Isut aus petersburch.
0, wie alles kläglich eitterl
llnä mit Lchlolterknieen bebt!
0, wie slles mit llewimmer,
Msnnsbilä sowie7rauenrimmer,
Schleunigst schon nsch lletlung
strebt!
llrsben weräen schnell gegrsben,
Päer ist sech; Meter tiek;
llingsum riehtmsnStschelärsht,
llenn msn schreit: ver seinä,
er nsht,
llnä jetzt geht es eklig lchiel.
llieles wirä noch schnell
rertöppert,
sjsmmerlich ksput gemscht;
lllss sn lverten lorteutrsgen,
Airä noch eiligst »nterlchlsge»
llnä in Licherkeit gebrscht.
Leb wohl auch du, mein Kind!
Aus Wiedersehn! So Gott es will!
And still
I» mir und um mich ward es still.
C. A. Lenntg
lllelch ein Leben, Srsulen, ?ürchten.
sisnäeringen, Schreck unä llot, —
kh' wir nsch äer llews kommen,
kh' noch petersburg genommen,
lst SUS stngst lchSN Sller 10t. 0cä-nenN-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Goddam, diese Germans haben auf einmal so viele Schiffe, ich sehe sie alle doppelt!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Goddam, diese Germans haben auf einmal so viele Schiffe, ich sehe sie alle doppelt!"
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1914
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1919
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 98.1914, Nr. 1237 (10.09.1914) mit Kriegs-Chronik, S. 211
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg