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III.

IM INNEREN DER FREMDEN PALÄSTE

ARIS hatte einen wunder-
vollen Mai. Die Sonne warf
ihren Goldstaub auf die
Seine und durchschimmerte
die weichen Nebelschleier,
die über den Dächern und
Türmen und über den zahl-
losen altertümlichen Schorn-
steinen der Stadt ruhen und
die dem Bilde von Paris so oft seinen besonderen,
unbestimmbaren Zauber geben. Die Kastanien in
den Champs-Elysees hatten sich mit weissen Blüten
geschmückt und überall hatte der Frühling — der
diesmal so lange gezaudert hatte — seine Blumen
ausgestreut. Dieser Maimonat war ein richtiger
Festmonat. Es war sehr schade, dass in der Welt-
ausstellung die grosse Festperiode noch nicht be-
ginnen konnte. Aber wenn am Tage die Sonne
versch wend erisch

ihr Licht über diese
bunte improvisierte

Ausstellungsstadt
ausgegossen hatte
— die irdischen Be-
leuchtungstech-
niker, die für die

Helligkeit am
Abend sorgen soll-
ten, waren um so

sparsamer. Die
Maschinen und die

elektrischen Be-
leuchtungs-Anlagen
funktionierten noch
nicht.
Einweihung So konnte der

DER DERASTEsChÖIle Ma{ daS lan&

fremden verheissene grosse

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NATIONEN

Fest nicht bringen. Aber er brachte eine Reihe kleiner
Feste, für einen intimeren Kreis. Fast täglich, fast
an jedem Nachmittag, gab es auf dem „Quai des
Nations", im Angesicht der golddurchzitterten
blauen Seine, solch ein intimeres Fest. Die General-
kommissare der fremden Staaten weihten ihre Paläste
ein, mit einem five o'clock, einem Empfang mit
kaltem Büffet und Champagner. Sie empfingen in
ihrem Hause die französischen Leiter der Weltaus-
stellung, die anderen Kommissare, die Presse, und sie
machten ihren eigenen Landsleuten die Honneurs.

Das deutsche Haus wurde am 15. Mai eingeweiht.
Geheimrat Richter empfing und bewirtete in den
Prunkräumen des ersten Stockes zwölfhundert
Gäste. Während man im Hause auf das Gelingen
der Ausstellung und auf einiges andere anstiess,
fuhr draussen auf der Seine ein Dampfer vorüber,
auf dem der amerikanische Generalkommissar Peck
mit vielen Landsleuten von Vincennes zurückkehrte,
wo man die amerikanische Annex-Abteilung für
Transportwesen eröffnet hatte. Der Dampfer stoppte
vor dem deutschen Hause, am Mast stieg die
deutsche Flagge empor und die Musikkapelle am
Bord spielte die deutsche, die französische und die
amerikanische Hymne. Zum ersten Male seit 1871
hörten die Seinejungfrauen das deutsche Nationallied.

Was die fremden Generalkommissare zuerst ihren Wanderung
Gästen und später dem grossen Publikum in ihren DURCH D!E

,-.-..., . t , FREMDEN

Palasten zeigen konnten, war sehr verschiedener paläste

Art. Von all den
Wanderungen, die
man in der Aus-
stellung unterneh-
men kann, ist fast
keine andere so
amüsant und jeden-
falls keine andere so
abwechslungsreich,
wie diese Wande-
rung durch die

fremden Paläste,
von Palast zu Palast,
auf dem „Quai des
Nations". Und sie ist
nicht nur amüsant,
diese Wanderung,
sie ist für jeden, der
mit offenen Augen
um sich blickt, un-
endlich lehrreich. Denn man sieht hier nicht nur
mehr oder weniger glänzende Kunstwerke, mehr
oder weniger schöne Ausstellungsobjekte - man
sieht etwas ganz anderes, man sieht ganz einfach
den Geist der Nationen selber. Man erkennt diesen
Geist nicht immer in der Architektur der einzelnen
Bauten. Aber das Innere dieser Paläste spricht
eine viel klarere Sprache. Man schaue nur auf-
merksam hin und man wird immer, oder doch fast
immer, etwas wie eine Aufklärung über den wirk-
lichen Nationalcharakter finden. Man wird die

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DER FESTSAAL IN DER MASCHINENHALLE

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