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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0174
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168

Heilmittel verordnet: „Von Kühen die Butter, von Schafen die Milch und von Mast-
tieren den Speck, dann weiter auch das nahrhafte Mark des Getreides, das köstliche Korn-
brot und endlich edelstes Rebenblut" (Deuteron. 32, 14). Je nach Wunsch gibt es auch
vegetarische Kost: „Gurken und Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch" (Numeri
11, 5) und anstatt der „Fleischtöpfe Ägyptens" (Exod. 16, 3) Fische in jeder erdenk-
lichen Menge. — Nichts destoweniger stellte Udalrich auch das Klösterchen in Michelstadt
wieder her, das 253 Jahre lang verödet war, stattete es mit allen erforderlichen Mitteln
aus und besiedelte es mit Ordensbrüdern. (Am 12. Sept. 819 setzte Einhard Laurissa
testamentarisch als Erbin von Steinbach-Michelstadt ein, seither waren 253 Jahre ver-
flossen; die Restauration erfolgte also um 1072.) Dieser Vater hatte nun durch neun un-
unterbrochene Jahre in vollem Frieden und in ungetrübter Ruhe die ihm anvertraute
Gemeinschaft regiert, als plötzlich, da schon das zehnte Jahr begann, das Schifflein der
Lorscher Kirche von heftigen Wellen umbrandet wurde, da unser Herr Jesus um unserer
Sünden willen schlief. Von den Bitten seiner Jünger erweckt, erhob er sich aber sogleich
in gewohnter Güte, „er befahl den Winden und dem Meer, und alsbald wurde eine große
Stille" (Matth. 8, 26). Durch diejenigen, welche mehr ihren Vorteil als die Sache Jesu
Christi suchen, wurde wohl die Freiheit unserer Kirche in einigen Belangen bedroht, sie
wurde aber durch Gottes Gnade weder erschüttert noch vernichtet. Unmittelbar hier
anschließend wollen wir von diesen Ereignissen, deren Urhebern und deren Ende erzäh-
len, wie es uns von unseren Vorfahren überliefert wurde.

VERMERK 123b

Der von uns oben erwähnte Kaiser Heinrich III. hinterließ, aus dem Leben schei-
dend, einen gleichnamigen unmündigen (sechsjährigen) Sohn (Heinrich IV., geb. 1050,
1056—1106), für den die Kaiserin Agnes gemeinsam mit den übrigen Großen des Reiches
die Vormundschaft führte. Erzbischof Anno von Köln, sehr erfahren in religiösen Ange-
legenheiten, hervorragend unter den Reichs- und Kirchenfürsten sowohl durch seinen
Namen als auch durch seine Verdienste, begann bald zu fürchten, daß die Erziehung des
jungen Königs durch seine Mutter mehr durch mütterliche Zärtlichkeit als durch könig-
liche Gesichtspunkte bestimmt würde. Er berief einen Fürstenrat, entführte den jungen
Heinrich und erzog ihn nun selber, unbekümmert darum, daß er selbst dadurch Gegen-
stand lebhaften Neides wurde. Er unterrichtete seinen Zögling in den göttlichen und
menschlichen Wissenschaften und in den übrigen der königlichen Veranlagung, soweit sie
ihm gegeben war, würdigen "Wissensgebieten. Inzwischen war in der römischen Kirche
infolge einer zwiespältigen Papstwahl ein Schisma entstanden, in dessen Gefolge Ent-
zweiungen und blutige Händel an der Tagesordnung waren. Von königlicher Seite wur-
den auf Bitten der Kirche Erzbischof Anno und Herzog Gottfried bestimmt, Frieden
und Einheit in der Kirche wiederherzustellen. Nachdem die Abordnungen beider Parteien
gehört worden waren und in Gegenwart beider erwählten Päpste wurde auf einer Zu-
sammenkunft in Mantua nach kanonischem Recht Alexander (II., 162. Papst 1061—1073;
Gegenpast: Honorius II.) als Inhaber des apostolischen Stuhles bestätigt. Da nun Anno
in Mantua weilte, benützte der habsüchtige Erzbischof Adalbert von Bremen dessen Ab-
wesenheit, um mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Hofleute zu bewegen, des
königlichen Knaben Erziehung und Unterricht ihm zu übertragen. Er machte geltend,
daß Anno zu streng, er selber, Adalbert aber von milderer Gemütsart, daß ferner der
 
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