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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0225
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219

Berthold (III., von Henneberg, Nachfolger seines 1156 kinderlos verstorbenen Bruders
Bobbo) erlitt in einer Fehde eine klägliche Niederlage. Seine Burg wurde eingeäschert, und
er selber ging elendiglich zugrunde. An Bobbo, der alle seine Kinder verlor und sein gan-
zes Vermögen einbüßte, erfüllte sich das Wort: „Fremde sättigen sich an seinem Reichtum,
und seine Arbeiten sind in einem fremden Haus" (Proverbia 5, 10). Und auch Konrad,
Pfalzgraf bei Rhein, der (Halb)-Brüder des Kaisers (Friedrich Barbarossa), der augen-
blickliche Klostervogt, erfuhr die göttliche Vergeltung. Er sah die kriegerischen Unterneh-
mungen seines Bruders und ihre Familienfehden infoige des gegen sie beide gerichteten
Hasses der Welt zu ihren Ungunsten entschieden. Er fühlte, wie tief seine Wunden saßen,
tiefer, als wären es nur „Verwundungen des bürgerlichen Stolzes" (Lucanus, Bellum civile
I, 1, 32). „Und in dem allem läßt der Zorn des Herrn nicht nach, sondern noch immer ist
seine Hand ausgestreckt" (Jesaia 5, 25). Sein Beispiel möge denjenigen abschrecken, dem
nach dem Propheten (Jesaia 14, 10) angedroht ist: „Auch du bist verwundet gleichwie wir,
und es ergeht dir wie uns" — und so weiter. (Seitenhieb auf den seit 1167, also zur Zeit
der Niederschrift dieses Vermerkes regierenden Fürstabt, den „Hirsaugianer" Sigehart.)
Möge er abgeschreckt werden durch das Beispiel der anderen; und wieder andere durch sein
Beispiel. Möge er wahrlich wissen, daß „der Herr sich an seinen Feinden rächen" werde
(Deut. 32, 41) und „gnädig sein werde dem Lande seines Volkes" (Deut. 32, 43).

VERMERK 155 a

Nachdem Folknand (am 8. Mai 1148) gestorben war, wurde Hildebert aus dem Klo-
ster Fulda zum Abt gewählt, der damals Propst zur Heiligen Jungfrau Maria in Michel-
stadt war. Die Wahl erfolgte zunächst uneinheitlich, dann aber, nach Einigung aller Par-
teien, einhellig. Hildebert wurde durch König Heinrich investiert. Diesen hatte sein Vater
(Konrad III.), als er sich (im Juni 1147) auf den Kreuzzug begab, zum König salben las-
sen. Der neue Abt starb (am 23. Oktober 1148), noch nicht geweiht, im sechsten Monat
(nach seiner Wahl) und wurde beim Eingang der Kirche, auf der südlichen Seite, beigesetzt.
Unmittelbar darauf wurde der Propst Marquard von St. Peter in Altenmünster als Abt
eingestzt und vom gleichen König investiert. Marquard starb (am 10. September 1149) im
elften Monat nach seiner Wahl und wurde mitten zwischen seinen beiden Vorgängern
bestattet. Er teilte der freien Verfügung und der Nutznießung der Mönche das Recht und
die Dienstbarkeit der beiden Huben und des Hofes zu, welche von dem genannten Adal-
bert in Weinheim erworben worden waren. Nach seinem Tode fiel die Verwaltung der
Abtei Lorsch wieder in die Hand des Königs (Sedisvakanz 1149—1151). Die Folge war,
daß die Mönche fast drei Jahre lang bittere Not zu leiden hatten, teils wegen der jahrelang
anhaltenden Dürre, teils wegen der Habsucht der nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten
Verwalter. Sie aber „schrien zum Herrn, und er befreite sie aus ihren Nöten" (Ps. 107, 27).

VERMERK 155 b

Auf den Ratschlag des Königs Konrad wählten (November 1151) die Mönche ein-
stimmig Heinrich aus dem Kloster Sunnensheim (Sinsheim südöstl. Heidelberg; Benedik-
tiner-Abtei seit 1099), einen Mann mit jeder Art von Tugenden erfüllt, in dem die Natur
und die Gnade alles Menschliche „bis auf die Nagelprobe" ausgebildet hatte. Wir wollen
seine Geistesgaben kurz besprechen. Niemand war gefälliger von Angesicht und anmutiger
 
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