Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Halm, Philipp Maria: Die neuen Münchener Brückenbauten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0192
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE NEUEN MÜNCHENER BRÜCKENBAUTEN

VON DR. PHILIPP M. HALM-MÜNCHEN.

Zweimal innerhalb eines Jahrhunderts hatte die
zu einer verheerenden Hochflut angewachsene
Isar in München furchtbare Brückenkatastrophen
verursacht. Am 13. September 1813 brachten die
gewaltigen Wassermassen vier Joche der steinernen
Isarbrücke, die erst in den Jahren 1760—1770 massiv
aus Lenggrieser Kalksteinen aufgeführt worden war
und für unzerstörbar galt, zum Einsturz und forderten
dabei fast hundert Menschenleben. Die zweite
Katastrophe, der Einsturz der Prinzregent Luitpold-
brücke, steht noch in aller Gedächtnis. Als Ge-
schenk an die Stadt München hatte sie S. K. Hoheit
Prinzregent Luitpold anlässlich seines siebzigsten
Geburtsfestes (1891) durch den Oberbaudirektor
von Siebert mit einem Kostenaufwand von 300000 M.
aufführen lassen, und nur wenige Jahre darnach
- am 14. September 1899— musste auch sie dem
gewaltigen Ansturm der Hochwasserfluten weichen.
Das waren der eindringlichen Mahnungen genug.
Sollten nicht weitere Gefahren, nicht nur für den
Verkehr selbst, sondern auch für die Uferstrassen,
heraufbeschworen werden, so musste man endlich
einmal mit weitschauendem Blick nach dem Rechten
sehen. Nicht um Ersatz und Auswechselung ein-
zelner Brücken konnte es sich dabei handeln, son-
dern um tief eingreifende Regulierungsfragen. Das
Bild der eingestürzten Luitpoldbrücke mit den von
den Fluten zerfressenen und zerrissenen Ufer-
böschungen hatte zur Genüge gelehrt, dass man
nicht leichten Kaufes den wilden ungestüm einher-
brausenden Bergstrom zu fesseln vermochte. Die
Mahnungen verhallten nicht, eine rege Bautätigkeit
setzte ein. Im Verlaufe von einigen wenigen Jahren
wölbten sich sechs neue meist stattliche Brücken
über den Fluss, von einer zur andern ziehen sich
glatte hohe Ufermauern und Böschungen, die der
stürmenden Flut keine Fläche zum Angriff bieten
und die wilde Bergestochter zu städtisch gesittetem
Benehmen zwingen. V
V Diese Brücken beanspruchen in der Geschichte
der Münchener Baukunst der Neuzeit eine hervor-
ragende Stelle. Von einigen wenigen andern Bauten
abgesehen, werden vor allem sie die fortschrittliche
Seite unseres Bauwesens der letzten Jahre, soweit
städtische und staatliche Werke in Betracht kommen,
zu vertreten haben. Und dass es gleich zu Anfang
gesagt sei, sie vertreten den Fortschritt, die Moderne
in absolut künstlerischer und dem Rufe einer alten

Kunststadt durchaus angemessener Weise. Ja wir
müssen es den Schöpfern dieser Brückenbauten
besonders Dank wissen, dass sie gerade zu
einer Zeit, in der die üppigste Nachahmung sich
oft genug noch in brutalster Weise breit machte,
der öden Altertümelei den Rücken kehrten, um,
wir möchten fast sagen, als einen offenen Protest
gegen solche Talmiware diese Werke wahrer
echter Kunst zu schaffen. V
V Die gesamten Bauentwürfe hiezu, sowie die
ganzen ingenieurtechnischen Ausarbeitungen stam-
men von der Bauunternehmung Sager & Woerner
in München, die auch die vollständigen Bauaus-
führungen in der kurzen Zeitspanne von vier Jahren
bewältigte. In der Absicht den Bauwerken, welche
an die Leistungen der Ingenieure zum grossen Teile
ausserordentliche, zum andern überhaupt das erste-
mal gewisse Anforderungen stellten, auch in der
äusseren Erscheinung ein eigenartiges Gepräge zu
geben, sicherte sich die genannte Unternehmung
für die architektonische und dekorative Ausstattung
ihrer Bauten die Mitwirkung der Professoren
Friedrich von Thiersch und Theodor Fischer.
Es war kein Leichtes; den Münchnern sind es all-
bekannte Dinge, welch schweren Stand die beiden
Meister hatten; aber sie Hessen sich nicht beirren.
Freilich für den einen oder besser vielleicht
gesagt, für München — ward seine Kunst insoferne
zum Verhängnis, als man ihr in den massgebenden
Kreisen nicht das nötige Verständnis entgegen-
brachte und ihn aus München ziehen Hess: Theodor
Fischer. Seine genialen Arbeiten an den Brücken-
bauten waren nicht zum wenigsten Anlass dazu.
Wie hiess es doch damals. „Sie (die Brücken-
entwürfe) sind erdacht von unserem Freunde —
Der leider von uns scheiden wird, — Weil von
der Kunst zum Unverstände - Noch immer keine
Brücke führt." Nun aber, da die stattliche Reihe
von Brücken vollendet und dem Verkehr über-
geben ist, sind alle Stimmen des Tadels und ge-
hässiger Kritik verstummt. V
V Die erste Brücke im engeren Stadtbezirke, wenn
wir der Richtung des Flusses folgen, ist die Wittels-
bacher Brücke, die in ihrer äusseren Erscheinung
nach den Entwürfen Theodor Fischers erst vor
kurzem vollendet wurde. In vier Bogen setzt
sie über das Wasser mit seinen breiten Kies-
bänken. Sie erscheint in der Wucht ihrer
 
Annotationen