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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 5
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Halm, Philipp Maria: Die neuen Münchener Brückenbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0193
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146

Die neuen Münchener Brückenbauten

Rustikaquaderung, der Betonung der Pfeiler und
den durchbrochenen Erkertürmchen bei normalem
Wasserstande fast zu mächtig und gewaltig, aber
man darf nicht vergessen, dass sie der eigentlichen
Stadt als Hauptbollwerk gegen die tosenden Hoch-
wasserfluten zu dienen hat. Daher auch der Ver-
zicht auf jedes kleinliche Beiwerk. Ihr Schmuck
ist der Trotz und der Ernst ihrer Erscheinung. Sie
gemahnt an das mittelalterlich "Wehrhafte, wie es uns
an alten Stadtbrücken, etwa der Donaubrücke in
Regensburg oder der Elbbrücke in Dresden, so
kraftvoll entgegentritt. Am westlichen Pfeiler der
Südseite wird sich bald auf dem bereits stehenden
durchbrochenen Sockelbau das Reiterstandbild
Ottos von Wittelsbach, ein Werk Wrbas, erheben.

V Einen Kilometer stromabwärts treffen wir zu-
nächst auf die Reichenbachbrücke; ihre Architektur
ist ein Werk Friedrichs von Thiersch. In der Aus-
gestaltung ihrer vier Bogen mit Quadermauern
schliesst sie sich eng an den Bau der Wittelsbacher
Brücke an. Ihre Brüstung ist durchbrochen gehalten.
Die Form hiefür boten in ästhetisch nicht einwand-
freier Weise riesige Eisenkettenglieder, die etwas
eintönig und in Stein materialwidrig wirken. Auf die
Pfeiler sollen noch Figuren zu stehen kommen;
zunächst bilden Putten mit Wappenschildern in
Reliefs ihren bescheidenen Schmuck. V

V Nur wenige Schritte führen uns zur Cornelius-
brücke, deren architektonische Ausstattung gleich-
falls Friedrich von Thiersch zum Schöpfer hat.
Wie bei allen Brücken der oberen Isar ist auch
bei ihr eine gewisse Schlichtheit massgebend
gewesen. Die Bogen, deren einer den west-
lichen und zwei den östlichen Isararm über-
spannen, zeigen nur einfache Quadermauern, die
nach oben eine Platte mit einer Art Wellenband
abschliesst. Auch die Brüstung entbehrt kräf-
tigerer Akzente, denn die Flachreliefs riesiger Köpfe
Münchener Volkstypen an den Pfeilern derselben,
kommen - - man darf gestehen glücklicherweise —
nicht zu starker Geltung. Der Mangel reicherer
Gliederung und Ausstattung an dieser Brücke wird
jedoch verschwinden, wenn gegenüber der halb-
runden, zwischen den Isararmen nach Süden aus-
ladenden Terrasse mit ihren gärtnerischen Anlagen
sich einst am Ende der Kohleninsel das Denkmal
König Ludwigs II. erheben wird. Aber auch ohne
die architektonisch erst noch auszugestaltende Um-
gebung entbehrt die Brücke nicht reizvoller Wir-
kung in dem einfachen Zuge ihrer leichtgeschwellten
Fahrbahn. V

V An der ebenfalls erst vor wenigen Jahren er-
bauten Isarbrücke vorbei gelangen wir zur Maxi-
miliansbrücke. Stadtbaurat A. Zenetti hatte hier

in den Jahren 1857 bis 1863 die beiden alten Brücken
gebaut, die längst nicht mehr den Verkehrsbedürf-
nissen genügen konnten. So entschloss man sich
denn auch hier zu einem Neubau, der im Spätsommer
1905 dem Verkehr übergeben wurde. Die Maximi-
liansbrücke ist die imposanteste. Nicht zum wenig-
stens trägt hiezu die stattliche Breite von 22 m
und die ansteigende Führung der Fahrbahn und
Fusssteige vom westlichen zum östlichen Ufer bei.
Genau genommen sind es eigentlich zwei Brücken,
die jedoch zu einem Ganzen zusammengezogen
wurden. Die westliche Brücke mit drei Bogen-
spannungen ist in dem Unterbau schlicht in ein-
fachen Zweckformen ausgebildet, nur die Brüstung
nimmt ihre reicheren Formen von der grösseren
östlichen Brücke. Diese schlägt zwei riesige Bogen
über den Fluss; die Wirkung ist imposant, aber
bei aller Wucht in der fast filigranartigen Auflösung
der Massen doch zugleich von einer ausserordent-
lichen Zierlichkeit. Auf den Bogen erheben sich
senkrechte Pfeiler, auf denen die eigentliche Fahr-
bahn ruht. Vorgelegte Runddienste auf Kragsteinen
mit Fratzen erhöhen den Eindruck der schon durch
die Durchbrechung der Mauermassen gegebenen
Leichtigkeit. Oben nehmen diese Dienste grössere
gleichfalls als Fratzen gebildete Kragsteine auf, die
als die Fusspunkte der Brüstungspfeiler gedacht
und im Gegensatz zu den reich durchbrochenen
steinernen Füllungen ohneSchmuckbelassen wurden.
Diese Füllplatten entlehnen ihre Motive der Pflanzen-
welt. Wegerichblätter, Mispelzweige, Bohnenranken,
Lärchengeäst, ins Riesige übersetzt und ohne eigent-
liche Stilisierung dem Steinmaterial angepasst, wirken
wie Prachtexemplare einer paläontologischen Samm-
lung und entfalten in ihrer Eigenart merkwürdige
Reize. Auch diese Brücke schwächt ihre Haupt-
tendenz horizontaler Erscheinung, wie sie im eigent-
lichen Wesen einer Brücke liegt und wie sie im
gegebenen landschaftlichen Bild als eine Forderung
zu betrachten ist, nicht durch irgendwelche domi-
nierende vertikale Faktoren; nur eine einzige Figur
wird auf den nördlichen Mittelpfeiler der östlichen
Brücke zu stehen kommen — wir hören eine
Pallas Athene. Friedrich von Thiersch hat auch
die Architektur dieser Brücke geschaffen, ein Werk
würdig seines Meisters und mit Theodor Fischers
Bearbeitung der Bogenhausener Brücke die schönste
unter den vielen guten Lösungen. V
V Noch ein weiteres Werk klassischer Schönheit
schuf Theodor Fischer in der Luitpoldbrücke. Die
Katastrophe von 1899 hatte hier mit einer wenig
glücklichen Schöpfung aufgeräumt; die alte Luit-
poldbrücke wäre uns auf lange hinaus ein uner-
freuliches Vermächtnis geblieben, hätte die Natur
 
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