Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

DOI issue:
Nr. 3
DOI article:
Lehmann, A.: Carl Brummer
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0110
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
CARL BRUMMER-KOPENHAGEN

VON ARCH. A. LEHMANN, MANNHEIM

Es ist eine zum Teil betrübende Tatsache, dass
in unseren Fachzeitschriften der Text zu den
Abbildungen von den meisten Lesern eine ziemlich
nebensächliche Beachtung erfährt. Der eine schützt
Mangel an Zeit vor, der andere will sich sein Ur-
teil nicht trüben lassen, der dritte glaubt aus eigener
Anschauung genügend zu lernen. Mag einerseits
oftmals eine unangebrachte Ueberschwenglichkeit
in der Kritik dem selbsturteilenden Fachmann den
Geschmack am beschreibenden Wort verdorben
haben, mag andererseits der Schriftsteller ihm nicht
genügend als Autorität gelten, aber schon aus In-
teresse an der gefassten, geschlossenen Meinung
des Schreibers sollte dem Wort eine grössere Auf-
merksamkeit als bisher gewidmet sein, und es wäre
manchmal sogar sehr zu begrüssen, wenn etwaige
falsche Ansichten des Referenten aus dem Leser-
kreise, ohne dabei in polemische Kontroversen zu
geraten, richtig gestellt werden. Die Abbildungen in
den Fachzeitschriften ersetzen in gewissem Sinne
Studienreisen, und wie auf solchen eine Aussprache
mit gleichgesinnten Kollegen nur förderlich sein
kann, so sollen auch die meisten Aufsätze weiter
nichts als persönliche Ansichten eines Einzelnen
darstellen, der eben den Mut, die Fachkenntnisse und
die Gelegenheit besitzt, diese öffentlich zu vertreten.

V Vor mir liegen nach Jahreszahl der Entstehung
geordnet einige Photographien und Grundrisse von
Werken des Architekten Carl Brummer, Kopen-
hagen. Keinerlei Daten über den Werdegang des
Künstlers, keine Angaben über Anerkennung seitens
anderer Fachgenossen, was leicht eine Beeinflussung
hervorrufen könnte, keine näheren Bedingungen
der Bauherren sind mir diesmal bekannt, eine ganz
persönliche unabhängige Meinung wird also dem
verehrlichen Leser präsentiert, deren Richtigkeit
dieser gerade durch den Vergleich mit den Ab-
bildungen prüfen möchte. V

V Ein Landhaus bei Helsingör aus dem Jahre
1896 für den Schriftsteller Axel Swedstrup
bezeichnet, wenn auch nicht gerade als Typus,
immerhin aber nach Entwicklung betrachtet das
früheste Schaffen des Künstlers. Noch ist keine
ausgesprochene Eigenart zu bemerken, kaum ist
der nordische Charakter zu verspüren, wenn nicht
an dem Detail des Dachfirstes; ein niedriges Häus-
chen mit reichlicher Verwendung von Holz, sehr
geschickt in die Landschaft komponiert, idyllisch,

beschaulich, ruhig gelagert, recht geschaffen für die
ungestörte Arbeit eines Schriftstellers. In gleichem
Sinne lässt sich die Abbildung des Eingangs zur
Villa Pedersen in Kopenhagen (1898) besprechen,
nur tritt hier die kernige gedrungene Form des
Nordischen schon deutlicher zutage, man ahnt den
selbständig denkenden Architekten, der die Kon-
struktionsteile in gesundem Fühlen mit seinem ein-
fachen, geschmackvollen Ornament ziert. V
V Ein ganz gewaltiger Fortschritt muss sich aber
bei dem Architekten bis zum Jahre 1902 vollzogen
haben, aus welcher Zeit das Haus des Direktors
Martin Dessau stammt. Ein reifer Künstler zeigt
uns auf dem Gebiete der Innenausstattung ein
respektables Können, in welchem sich verständ-
nisvolle Schulung, nationale Eigenart und
vornehme Lebenserfahrung glücklich ver-
einigen. Nicht ein originalitätssüchtiger Sezessionist
ist er geworden, er hat den urewigen Geist der
Renaissance begriffen und setzt nun hier mit der
starken Kraft seines Volksbewusstseins ein, um auf
denselben Formen seine neue Schönheit weiter
zu bauen. Es ist ein merkwürdiges, vielleicht gar
nicht mitteilbares Empfinden verfeinerten Lebens-
und Kunstgenusses, diese Tische, Stühle, Schränke
mit ihren eigenartigen und doch bekannt anmuten-
den Details nur als Erzeugnisse unserer Zeit prä-
zisieren zu wollen; ich wenigstens habe das Gefühl,
dass diese Zimmer vor zehn Jahren gar nicht hätten
entstehen können. Eine solche Fensternische atmet
eine so angenehme Frische in der Gesamtkompo-
sition, eine so trauliche und gleichzeitig vornehme
Wohnlichkeit durch eine an klassische Linien mah-
nende Ornamentik, einen so gesunden Willen des
Künstlers, der gleichzeitig auch die Individualität
des Besitzers zu Wort kommen lässt. Die Sofa-
ecke, die Türe mit Supraporte beweist den starken
Geist, der alles Schöne in einen einheitlichen Ge-
danken zusammenfasst, ein solcher Bücherschrank
verrät den vielseitigen Schöpfer, der die starren
Formen durch kräftige Profilierung, durch leichte
Schwingung zu beleben weiss, ohne dem inneren
Materialwert Abbruch zu tun, der die Mannigfaltig-
keit des Gebrauchs in natürlichen Einklang mit
seinem Aufbau zu bringen vermag. Dabei ist alles
von einem charakteristischen Hauch der Heimat
durchweht, kaum definierbar und doch für den
Kenner vorhanden. V
 
Annotationen