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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

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Nr. 11
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Schumacher, Fritz: Hamburgs neue staatliche Hochbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.24589#0673
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(x)mODERNE BAUFORMEN ( h ^

HAMBURGS NEUE STAATLICHE HOCHBAUTEN

Entwürfe von Baudirektor Professor FRITZ SCHUMACHER, Hamburg

Die bauliche Tätigkeit einer Grosstadt ist in
verschiedener Hinsicht von weittragendster
Bedeutung. Ganz abgesehen davon, dass die ver-
hältnismässig riesigen Lebens-, Verkehrs- und Ar-
beitsgemeinschaften immer neuartige künstlerische
Aufgaben zu stellen und zu lösen haben und dazu
ungeheuere Mengen von Volksvermögen flüssig zu
machen wissen, ist auch der erzieherische Einfluss
ihrer Bautätigkeit auf den Geschmack und das hand-
werkliche Können der Allgemeinheit von nicht zu
unterschätzendem kulturellem Wert. V

V Das Fehlen einer leitenden Tradition hat die
künstlerische Ausbildung einer grossen Anzahl mo-
dernsten Zwecken dienender kommunaler Bauten
lange empfindlich beeinflusst. Denn die Einsicht,
dass in der typischen Zweckform bereits eine wun-
dervolle Schönheit schlummere, die nur geweckt zu
werden brauche, ward erst mühsam errungen. Statt
im Vertrauen auf das künstlerische Vermögen unserer
stilbildenden Kraft ruhig zu gestalten, vermeinte
man mit angehängtem und erborgtem Schmuck den
baulichen Erscheinungen die nötige Bedeutung und
Eindringlichkeit geben zu können. V

V Das ist jetzt langsam anders geworden. Jede
Stadt hat ihre individuelle Physiognomie, die im
wesentlichen durch Umgebung und Monumental-
bauten charakterisiert wird; die Eigentümlichkeiten
der das Häusermeer überragenden Bauwerke hin-
wieder sind durch ihre besonderen Zweckbestim-
mungen wie durch die örtlichen Baugewohnheiten
und Baumaterialien bedingt. Wer neuen Bedürf-
nissen im alten Rahmen baulichen Ausdruck zu
geben hat, muss demnach diese Faktoren in erster
Linie sorgfältigst berücksichtigen. Er muss die
Materialien des Landes verwenden und die baulichen
Ausdrucksformen benützen, die sich in jahrhunderte-
langer Entwicklung als praktisch und schön heraus-
gebildet haben; er muss eingedenk sein, dass die
beste Gestaltung der Einzelheiten nichts nützt, wenn
die grosse zusammenfassende Form der Zweckmässig-
keit und Harmonie entbehrt; und er darf schliess-
lich nicht vergessen, dass sich alle kommunalen
Bauwerke vor allem die Zweckbauten zu Kristalli-
sationspunkten im Stadtorganismus entwickeln, an
die sich die Privatbauten anzugliedern bemüht sind.
Soll ein Stadtbild also erhalten, erweitert oder er-

gänztwerden, sind unter Vermeidungallesübertrieben
Modernen, in diesem Sinne wohldurchdachte, ihrer
neuzeitlichen Bestimmung sorgfältigst angepasste
Raumgestaltungen zu schaffen, wobei dem Ueber-
nommenen gegenüber in Gesamtheit und Einzel-
heiten jene Selbständigkeit gewahrt werden muss,
die zur Weiterbildung unserer Architektur uner-
lässlich ist. V

V Weil wir so mitten drinnen stehen, in der Er-

kenntnis von der geschichtlichen und kulturellen
Mission unserer Grosstädte, erscheint es beson-
ders wertvoll und interessant einen Einblick in die
Tätigkeit der Baudeputation der Stadt Hamburg zu
erhalten, die gerade im vergangenen Jahr genötigt war,
eine Reihe umfassender Neubauten im Gesamtbau-
wert von rund 16,5 Mill. Mark vorzubereiten und
in Angriff zu nehmen. Ueber die vorbildliche Art,
wie hier vom jetzigen Leiter des Hochbauwesens,
Professor Fritz Schumacher, die mannigfaltigsten
Bauaufgaben gelöst worden sind, geben die zahl-
reichen Schaubilder, Pläne und Detailansichten
dieses Heftes eingehenden Aufschluss. Zum besseren
Verständnis der durch die jeweiligen Programm-
bestimmungen bedingten Projektlösungen sind im
folgenden noch kurze Erläuterungen zu den grösseren
Bauunternehmungen gegeben, die den jeweiligen
Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft ent-
nommen werden konnten. V

V Rein architektonische Aufgaben, die Schul- und

Verwaltungszwecken oder der Krankenpflege zu
dienen haben, herrschen vor. Daneben hat aber
auch eine städtebauliche Frage von grösster Bedeu-
tung eine, wie mir scheint, überaus glückliche Lö-
sung gefunden. V

V Durch den Abbruch der früheren Krayenkamp-
häuser wurde die Lage der neuerstandenen Micha-
eliskirche auf dem Platze unmotiviert; es erschien
dringend nötig die Weite des Abstandes von der
Kirche bis zur Strassenwand des Krayenkamp durch
Anlage eines Kirchplatzes zu erklären und dessen
Ummauerung in ein bestimmtes und intimeres Ver-
hältnis zur Platzgrenze zu bringen. Dies geschah
durch die Errichtung eines Pastorenhauses an der
fraglichen Stelle, das auf die Brüstungsmauer ge-
stellt, die Beziehungen klärt, einen Uebergang zu

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