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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 18
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Linde, Hermann: Ueber das Restaurieren alter Gemälde, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0073
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München, 1. Jnni 1908.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

IY.Jahrg. Nr. 18.

Inhalt: Ueber das Restaurieren alter Gemätde. Von Herrn. Linde. (Fortsetzung statt Schluss.) — Ist Fresko
oder Stuccoiustro die Technik der römisch-pompejanischen Wandmaierei? Von E. Berger. — Ueber
die Weimarfarbe. Von E. B. — Pinseiwascher „Rapid".

Ueber das Restaurieren alter Gemälde.
Von Herrn. Linde. (Fortsetzung statt Schiuss.)

Wollte man zum Vergleich noch andere
Galerien, namentlich die italienischen, spanischen,
niederländischen und englischen heranziehen, so
würde man der traurigen Tatsache gegenüber-
stehen, dass nur sehr wenige Bilder der Pina-
kothek noch die alte Leuchtkraft und Farbe
haben. Doch schon an der Hand obiger Liste
wird man sich beim Vergleich der angeführten
Gemälde eines tiefen Bedauerns nicht erwehren
können, wieviel von dem kostbaren Schatze unseres
Kunstbesitzes entwertet ist.
Gegenüber dieser Tatsache kann nicht
mehr davon gesprochen werden, dass esAn-
sichtssache sei, ob restauriert werden soll
oder nicht. Tatsache ist aber, dass viele der in
den letzten 20 Jahren restaurierten Galerien nicht
unbedingt der Erhaltung ihrer Gemälde wegen
restauriert zu werden brauchten. Jeder, der z. B.
die Schweriner Galerie in den achtziger Jahren
gekannt hat, wird wissen, dass die dortigen Ge-
mälde — mit geringen Ausnahmen — weder
defekt noch durch zu dicke Lackschicht unsichtbar
geworden waren.
Dass sogar oftmals Bilder durch das Restau-
rieren dem schnelleren Verfall entgegengeführt
worden sind, beweist die schlechte Verfassung
vieler Bilder, namentlich der auf Holztafeln ge-
malten, z. B. der niederrheinischen in der Pina-
kothek, gegenüber denselben Meistern anderer
Sammlungen.
Auch in der Pinakothek selbst kann man
durch Vergleich der wenigen unberührten Bilder
mit den restaurierten zu lehrreichen Schlüssen
kommen. Im Saale III hängt die verhältnismässig
wenig restaurierte und infolge davon nicht um

seine Uebermalung gebrachte „Kreuzigung" von
H. Pleydenwurff, Nr. 2ßQ; daneben die „Bewei-
nung Christi" von A. Dürer. Von beiden Meistern
ist Dürer gewiss der grössere. Beim Vergleich
der beiden Bilder aber kann kein Zweifel herr-
schen, dass, was die Farbe anbelangt, das Bild
von Pleydenwurff hoch über dem Dürer steht, so-
wohl im Zusammenklange des Ganzen wie in den
einzelnen Figuren. Der Kopf des Johannes z. B.
zeigt bei Pleydenwurff die feinste Durcharbeitung
und Abtönung, das Gesicht hat Leben; der Dürer-
sche Johannes dagegen hat harte Farben, keine
Details und keine Durchmodellierung, die Figur
hebt sich nicht im geringsten vom Hintergründe
los. Wie schön abgetönt ist nicht das Rot seines
Mantels auf dem Pleydenwurffschen Gemälde gegen-
über den harten roten Gewändern des Dtirerschen
Bildes; und so alle Figuren.
Woher kommt das? Nicht so sah das fertige
Bild Dürers zu Anfang aus, auch dies hatte sicher
einmal Uebermalungen und feine Lasuren*), nur
sind sie abgerieben; und wenn einmal der Pleyden-
wurff ebenso behandelt werden sollte, wird auch
ein ebenso hartes Bild Zurückbleiben.
Aehnlich ist es fast allen den Bildern der
Pinakothek ergangen, die durch Untermalung und
darüber gelegte Lasuren entstanden sind und die
zu gründlich restauriert wurden.
Wo Photographien vorhanden sind, die vor
und nach der Lackabnahme gemacht sind, können
die schlimmen Früchte des Restaurierens noch
deutlicher nachgewiesen werden. Leider lassen
*) Siehe das ähnliche, kürzlich allerdings auch
restaurierte Bild, angeblich von Schülerhand, in der
Sebalduskirche in Nürnberg.
 
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