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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 17
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Dr. Genthes Uviol-Oel
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Wiederherstellung der antiken Kausis?
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0072

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68

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 17.

besonders rasch im Licht, was die grosse Trocken-
geschwindigkeit des Leinöis im Gefolge hat. Die
Bildung des Katalysators geht nun wieder besonders
rasch im ultravioletten Licht vor sich. In neuerer
Zeit hat man in den Quecksilberlampen Licht-
quellen, die besonders reich an ultravioletten
Strahlen sind. Eine von den zahlreichen Kon-
struktionen ist die Uviollampe, wie sie das Glas-
werk Schott & Gen. in Jena in Handel bringt.
Diese Uviollampe (Uviol = Abkürzung von Ultra-
violett) besteht aus einer an beiden Seiten ge-
schlossenen zolldicken Glasröhre von etwa t m
Länge. In diesem Glasrohr befindet sich etwas
Quecksilber und der übrige Raum ist luftleer ge-
pumpt. An beiden Enden sind sog. Elektroden
eingeschmolzen, durch die der elektrische Strom
geleitet wird. Dieser bringt das Quecksilber zum
Verdampfen, der Dampf leitet den Strom und
wird dabei glühend und sendet ein intensives
grünblaues Licht aus, das reich an chemisch
wirksamen Strahlen ist. Diese Quecksilberlampen
eignen sich nun besonders gut zum Bestrahlen
des Leinöls. Dr. Genthe arbeitete in der Folge
ein Verfahren aus, das ihm durch deutsches Reichs-
patent Nr. 195663 geschützt ist. Das Verfahren
besteht im wesentlichen darin, dass Leinöl mit
Luft durch eine besondere Vorrichtung gemischt
wird und dass dieses Gemisch einer intensiven
Belichtung ausgesetzt wird. Das so behandelte
Oel nimmt Firniseigenschaften an und wird nahezu
farblos. Neben den gewöhnlichen Firniseigen-
schaften hat es aber noch besondere Vorzüge.
Die Aufstriche, falls sie nicht allzu stark sind,
erstarren gleichmässig. Die Oberfläche hat einen
schönen Glanz und ist vollkommen dicht, so dass
die Aufstriche den Einwirkungen der Atmosphäre
besser widerstehen. Die Trockenfähigkeit ist
eine sehr gute. In 24 Stunden sind die Schichten
vollkommen hart. Die Uviolölfarben zeichnen sich
besonders durch Reinheit und Feuer der Farb-
töne aus. Für Anstrichzwecke kommt noch in
Betracht, dass Uviolöl und Uviolölfarben viel
sparsamer im Gebrauch sind. Die Ersparnisse
betragen in den meisten Fällen ca. 15%-
Das Uviolöl wird in verschiedenen Stärken
hergestellt bis zum vollständig festen Linoxyn.
Die Sorte I stellt einen dünnen Firnis dar, die
Sorten II—IV sind mehr oder weniger dickflüssige
Firnisse für die Buchdruckfarbenindustrie, in der
die Uviolöle besonders beliebt sind. Die Sorte V
stellt eine starke fadenziehende Masse dar, die
in der Wachstuchfabrikation Verwendung findet.
Die Sorte VI und die sog. Linoleummasse wird
zur Herstellung von Linoleum gebraucht.
Für Bayern hat die Firma Finster & Meisner
für die Sorte I den Alleinverkauf. Der Preis
richtet sich nach der Notierung für rohes Leinöl.
Für Uviolöl zahlt man 20 Mk. mehr per 100 kg
als für Leinöl.

Wiederherstellung der antiken Kausis?
Wir erhalten aus Strassburg i. E. folgende
Zuschrift:
Nach dem langen, im vorigen Jahrhundert
über die Frage der polychromen Ausstattung der
antiken Statuen und Architektur geführten wissen-
schaftlichen Streite (bei welchem als bedeutsamsten
Gegner Gottfried Semper gegen Kugler und seine
Partei sich hervortat) hat sich die Gelehrtenwelt
dahin geeinigt, dass in der klassischen Kunst
neben der noch erkennbaren „enkaustischen
Manier", d. h. Auftrag mit Glasschmelzfarben, die
sogenannte Kausis, d. h. eine Färbung der Kunst-
gegenstände mittels festen illustren Farben be-
standen hat, welche zugleich die Marmorwerke
vor dem zerstörenden Einfluss der Witterung
schützte und so die Ursache ihrer teilweise
besseren Erhaltung bildete.
Gleicherweise geht aus mannigfachen Aeusse-
rungen der alten Autoren mit Gewissheit hervor,
dass jene Kausis chemisch aus einem Wachs-
präparat zusammengesetzt war, das durch Erhitzen
dem betreffenden Stein- oder Tonmaterial auf-
gebrannt wurde, und nach dem Brande als un-
lösbare, harte, durchscheinende Farbenpaste (Glanz-
farbe) erschien.
Da die Kausis sich an keinem antiken
Marmorgegenstande (wohl wegen der in zu ge-
ringem Masse möglichen Erhitzung des Präparates)
sichtbar erhielt, so glaubte man andererseits in
der glänzenden Färbung mancher antiken Gefässe,
besonders der sogenannten Sigillata-Ware, eine
Nuance der Kausis erblicken zu können; ein
Umstand, welcher viele Gelehrte und Techniker
zu wiederholten Versuchen anreizte, die jedoch
durchgängig wegen der Vernichtung eines jeglichen
Wachspräparates bei unmittelbarer Einwirkung
der Hitze zu keinem Resultate führten.
Die Jahrzehnte dauernden Versuche zur
Wiederergründung des antiken Verfahrens zur
Herstellung der römischen Töpferware scheiterten
alle an diesem Umstande; neuerdings ist es dem
Architekten Dr. J. Prestel in Mainz geglückt,
die Kausis nach antiker Manier mit Wachspräparat
auf Tonmasse derart wieder herzustellen, dass sie
die traditionellen Eigenschaften eines „fest er-
härteten glasurartigen Ueberzpgs" in vollstem
Masse erfüllt.
Ist mit diesem Präparate die einstige in
Farbe wie in materieller Beziehung so vielseitige
kaustische Polychromie gewiss keineswegs völlig
neu entdeckt, so muss deren tatsächliche erste
Wiederherstellung von seiten der Archäologie
mindestens als eine wissenschaftlich bedeutsame
Errungenschaft begrüsst werden, die in ihren
fortgesetzten Versuchen auch für das Gewerbe
der Keramik und Kunsttechnik praktischen Nutzen
bieten könnte. T. K.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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