Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

DOI issue:
Nr. 23
DOI article:
Anfragen und Beantwortungen
DOI article:
Notiz
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0096

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
92

Münchner kunsttechnische matter.

Nr. 23.

ist mir nicht möglich, zumai ich Proben der K.schen
Versuche auch jetzt noch nicht gesehen habe; aber
auf Grund eines neuerlichen, in einer Zeitschrift für
Altertumswissenschaft erschienenen Artikels von F.
Gertich, der ausführiich darüber berichtet, kann ich
feststeiien, dass K. und sein Berichterstatter durch die
genaue Befoigung der Vorschriften Vitruvs zu einem
ganz anderen Resultate geführt worden sind, ais
beide gewoiit und erwartet hatten und in den wich-
tigsten Punkten jetzt meine Behauptungen haben be-
stätigen müssen.*)
Zwar wird im Eingang noch daran festgehalten,
dass Donner, der „die antike Wandmaltechnik in ihren
Grundprinzipien mit unserer heutigen Freskotechnik
für identisch" erklärte, „damit das Wesen der an-
tiken Technik richtig erkannt" habe, aber es folgt
sofort das nicht mehr zu verhüllende Geständnis, dass
er „in einigen wichtigen Punkten ihr doch nicht
ganz gerecht geworden" sei, und im weiteren Ver-
lauf stellt sich ein mehr und mehr wachsender Gegen-
satz heraus. „Bereits" bei der Herstellung des Stuck-
grundes und seiner „gründlichen und energischen"
Bearbeitung mit dem Schlagholz sowie bei der zum
Zweck der unerlässlichen Glättung vorzunehmenden
Politur „zeige die antike Technik bedeutende Ab-
weichungen, wenn auch nicht vom Prinzip, so doch
von der Ausführung der heutigen Freskotechnik",
„Unterschiede von einschneidender Bedeu-
tung für die Bemalung des fertigen Grundes", welche
die „Tatsache" erklären, dass es „ganz unmöglich sei,
ein modernes Fresko, wie z. B. die Rottmannschen
Fresken, in antiker Freskotechnik herzustellen" und
umgekehrt „mit den heutigen Mitteln der Fresko-
technik jene antiken Malereien zu erzielen" — eine
Tatsache, die von mir „ganz richtig erkannt" worden
sei (wenn ich auch mit meinen Folgerungen mich auf
einem falschen Wege befinden soll!).
Ich kann mich mit diesen „wichtigen" Zugeständ-
nissen, mit der endlichen Anerkennung der von mir
aus Vitruv erschlossenen, von der Gegenseite bisher
beharrlich bestrittenen Hauptpunkte: Auftrag, Fär-
bung und Glättung (polttio) des Stuckgrundes vor der
eigentlichen Bemalung einstweilen begnügen. Doch
muss ich den Autor des Artikels noch an einige Tat-
sachen erinnern, die ihm nicht gegenwärtig sind. In
Rom und Pompeji, z. B. in Casa della fontana grande
gibt es bekanntlich grosse Wandgemälde mit land-
schaftlichen Szenerien, den Rottmannschen vergleich-
bar. In welcher Technik sind denn jene gemalt, wenn
nicht in der antiken?
Die Behauptung, bei den pompejan.-römischen
Malereien sei nur der Grund eben und glänzend, die
darauf befindlichen Ornamente usw. aber stets er-
haben und matt, zeugt von ungenauer Beobachtung
und verrät keine ausreichende Kenntnis der Samm-
lungen in Rom, Neapel und Pompeji. Selbst bei den
wenigen Originalproben, die im Deutschen Museum
ausgestellt sind, hat G. nur gesehen, was er sehen
wollte: den geglätteten Grund mit aufgemalten Orna-
menten, aber die Originale mit völlig in den Grund,
„in eine Ebene" geglätteter Malerei (das grösste
und schönste Stück der Sammlung!) und die zwei
Proben, die deutlich zwei Glättungen übereinander
zeigen (den Faunkopf auf blauem und die Weintraube
auf schwarzem Grunde), scheint er nicht beachtet zu
haben. Gerade diese Stücke sind so wichtig für die
Erkenntnis, dass nicht nur der Grund, sondern auch
die Malerei geglättet werden konnte und dass dem-
gemäss nicht eine, sondern mehrere Arten von

*) Bitte auch die Ihnen vor zwei Jahren gegebene
Antwort in Nr. 13 des II. Jahrgangs vom 2. April t9oö
zu vergleichen.

Technik anzunehmen sind, wie ich es getan und mit
selbstangefertigten Beispielen belegt habe. Möchte er
bei einem künftigen Besuche ohne Vorurteil auch
diesen Stücken seine Aufmerksamkeit zuwenden, um
sich vor derart falschen und ungerechten Schlüssen zu
bewahren, wie sie in seinem Aufsatze zu finden sind!
Nach dieser Abschweifung möchte ich noch ein-
mal auf Ihre Anfrage bezüglich der K.schen neuen
Versuche zurückkommen. Sie bestehen, G.s Aus-
führungen zufolge, zum grossen Teil in der Wieder-
holung der von mir vor 13 Jahren gemachten Ver-
suche, durch genaues Eingehen auf Vitruvs Angaben,
d. h. durch die Reihenfolge der Bewürfe, durch Dichtung
der Oberfläche mittels des Schlagholzes und daran-
schliessender Polierung des gefärbten oder weissen
Marmorstucks eine glatte Fläche zu erhalten, auf
der dann weitere Ornamente usw. gemalt werden
konnten. Die besten Erfolge hatte ich endlich erzielt,
nachdem ich mich einiger dem Stukkolustro ähnlicher
Verfahren bediente.
Bei den K.schen Versuchen wurde übrigens auch
festgestellt, dass „es auf den Grad der Trocken-
heit des Stucks und nicht auf die Anzahl der Schichten
ankommt", um die gewünschte Glätte durch Polieren
zu erzielen. „Zwischen den einzelnen Polierungen
müsse man einige Zeit verstreichen lassen, damit
der Mörtel etwas anziehen kann", und diese Politur
müsse „sehr häufig, je häufiger, desto besser,
vorgenommen werden, denn nur der gründlich polierte
Verputz erreiche Glanz und Festigkeit". Das stimmt
alles mit meinen vielen einschlägigen Versuchen über-
ein. Ich bezweifle nur, wenn auf so geglättetem und
fast trockenem Grunde eventuell „noch 14 Tage
lang" mit Kalkfarben gemalt werden soll, ob man dies
eine ä Fresko-Malerei nennen kann, denn eine Kalk-
sinterbildung, eine Verbindung mit dem Grunde findet
dann nicht mehr statt, sondern die Bindung ist nur
eine äusserliche Adhäsion, abhängig von der Klebe-
kraft des Kalks. Nach G.s Angaben „blättert die Mal-
schicht in ganzen Scheibchen vom Grunde ab,
wenn man sie mit dem Fingernagel vorsichtig löst".
Beim richtigen Fresko ist das doch nicht der Fall!
Wohl aber bei der pompejanischen Technik, sofern
die Malereien mit irgendeinem Temperamittel (mit oder
ohne Mischung mit Kalk) auf dem bereits ge-
glätteten Grund aufgemalt werden!
Aus dem Obigen können Sie ersehen, wie es
mit den „theoretisch und praktisch unanfechtbaren
Beweisen" für die Richtigkeit der Freskotheorie be-
stellt ist. Ihr Vorschlag, durch Versuche auf dünnem
und auf dickem Bewurf die Bildung einer glänzenden
glatten resp. matten Oberfläche zu beweisen, kann von
jedermann leicht ausgeführt werden. Von meiner Seite
ist es wiederholt versucht worden, jedesmal mit dem
gleichen negativenErfolg. Auch bei denVersuchen
Böcklins gelegentlich der Baseler Fresken im Sinne
der „Freskotheorie" vorzugehen, hat er die Erfahrung
gemacht, dass die Glätte nicht mit der Dicke der
Bewurfschichten Zusammenhänge. Erst als Böcktin
darauf kam, die Malerei selbst zu glätten, erzielte er
besseren Erfolg.
Wohl liesse sich den obigen Ausführungen
manches hinzufügen; doch möge Ihnen dies iür
heute genügen. E. B.
Notiz.
Zum Artikel „Das Klebrigbleiben der Oel-
farben" sind einige Zuschriften eingelaufen. Sie
werden in der folgenden Nummer dieser Blätter zum
Abdruck gelangen.
 
Annotationen