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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 23
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Kiesling, Ernst: Neue Lehrbücher über Maltechnik: Church-Ostwald, "Farben und Malerei"
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Makarts Maltechnik, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0094

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Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 23.

Lacke an, sodann folgen eingehende Schilderungen
der grossen Reihe der Farbstoffe nebst Tabellen
beständiger, unbeständiger und veränderlicher
Farben, sowie Darlegungen verschiedener Metho-
den und technischer Ergebnisse.
Wer sich mit der Malerei beschäftigt und
es auch mit der Dauerhaftigkeit seiner Gemälde
ernst nimmt, dem kann das Buch von Church-
Ostwald nicht dringend genug empfohlen werden,
denn es enthält eine Summe gesammelter Er-
fahrungen, die in keinem andern Buch dieser Art
wiederkehren.
Makarts Maltechnik.
Von einem ehemaligen Schüler.
Bei meinem Besuch in der Villa Landau hatte
ich nun Gelegenheit, mich von dem angeblich „desola-
ten" Zustande des Bildes zu überzeugen: Es war
vollkommen intakt! Kein einziger Riss war
darauf zu bemerken! Der Besitzer äusserte sich
mir gegenüber, dass das Bild, seit er es besitze,
immer so gewesen und er niemals ein Ablösen
der Farbe bemerkt hätte. Nach meiner Rückkehr
berichtete ich dem Meister von diesem Besuch
und er meinte, dass er sich den vermeintlichen
schlechten Zustand nicht erklären könnte, da er
das Bild nach vielfachen Vorstudien in wenigen
Wochen ganz prima gemalt und als Trockenmittel
nichts anderes als Sikkativ de Courtray verwendet
hätte.
Woher stammt nun die bornierte Behauptung
des Skribenten in „Westermanns Monatsheften"?
Als ein dunkler Punkt in Makarts Technik wird
auch sein überreichlicher Gebrauch von Sikkativen
bezeichnet und Kiesling ist auch in diesem Falle
bestrebt, diesen dunklen Punkt aufzuhellen, indem
er aus einer Fachzeitschrift älteren Datums eine
Wahrnehmung des Dresdner Kollegen C. E. re-
produziert, die sich hernach als ein fatales Miss-
verständnis herausstellte. E. hatte nämlich ge-
legentlich eines Besuches von Makarts Atelier'
in Abwesenheit des Künstlers, auf einem kleinen
runden Tisch eine leere Weinflasche, ferner ein
schmutziges Weinglas und ein dito kleines Fläsch-
chen gesehen. Dieses letztere trug eine englische
Etikette, die den Inhalt, nämlich „Rowleys Medium"
als vorzügliches Bindemittel für Oelmalerei an-
preist, das mit Wein verdünnt (das Wort „Wine"
noch dazu fett gedruckt!) den Farben einen auf
keine andere Weise zu erreichenden Schmelz und
Glanz von ausgezeichneter Schönheit gebe usw."
„Dieses Medium war", so berichtet der Besucher,
„eine zähe, sirupartige Flüssigkeit von der Farbe
des Asphalts, das erwähnte Weinglas war ganz
bedeckt und überlaufen von einer braunen Kruste,
so dass von dem eigentlichen Glase nichts mehr
zu sehen war." Und bei einem Rundgange durch
das Atelier entdeckte er in einer dunklen Ecke

noch Dutzende von solchen leeren Mediumflaschen!
Daraus schloss er, dass die obenerwähnte, unter
den Farben des Bildes heraussickernde dunkle
Masse nicht Asphalt, sondern eben dieses „Row-
ley-Medium" in Verbindung mit dem Wein ge-
wesen sein musste! Mithin hatte Makart den
Wein nicht etwa getrunken, wie es andere zum
Frühstück tun, sondern hat ihn auf seinen Bildern
— vermalt! „Darin wird also", so schliesst er,
„das Loslösungsvermögen der Farben (von der
Leinwand), das schnelle Dunkelwerden und die
schliessliche Vernichtung der Makartschcn Ge-
mälde zu suchen sein!" — Aber E. hatte die
Ettiquette nur flüchtig gelesen, denn darauf stand
nicht mit „Wein", sondern mit Weingeist (spirit
of wine) vermischt, bildet Rowneys Sikkativ (nicht
Rowley), einen schönen, transparenten Firnis! Alle
übrigen Mutmassungen fallen in sich zusammen,
denn Rowneys Sikkativ ist keine dunkle Masse,
sondern hell wie ein heller Kopalürnis oder wie
Damarlack. Wir haben damals allesamt damit
gemalt, an der Akademie sowohl Professoren
wie Schüler. Damit die Farben nicht allzurasch
trockneten, gaben wir etwas „diese" (gereinigtes
Oel) hinzu und bedienten uns des Rowney-Mediums
in Vermischung mit Terpentin als Schlussfirnis.
Mit Weingeist hatten wir es nie vermischt,
in der ganz richtigen Voraussicht, dass Weingeist-
firnisse viel leichter zum Springen neigen als
Terpentinfirnis.
Der Dresdener Kollege hat sich durch die
„Dutzende" von Rowneys in der dunklen Ecke
einschüchtern lassen, und von dem Weinglas und
der Weinflasche! Wenn man wie Makart Riesen-
flächen in unheimlich kurzer Zeit bemalt hat,
dann braucht man eben auch entsprechend viel
Malmittel! Und das kleine Tischchen mit dem
darauf infolge von heruntergelaufenem Firnis fest-
geklebten Weinglas, wie oft habe ich das ge-
sehen, ohne auf so spitzfindige Auslegungen zu
kommen? Es war eben nichts weiter als ein prak-
tischer Behälter für das Malmittel, weil es eine
weite Oeffnung hatte, in die auch breite Pinsel
eingetaucht werden konnten. Da nun Makart nur
die Lasurfarben, wie Asphalt und die Lacke, mit
Sikkativ vermalte — nie die Deckfarben — erhielt
das arme Weinglas die erwähnte braune Kruste.
Hinsichtlich der Entstehung der Risse durch
den übermässigen Gebrauch von Firnissen und
Trockenmitteln muss freilich dem Verfasser des
Buches„WesenundTechnikder Malerei" zugestimmt
werden, wenn er S. n sagt, dass es allgemein
üblich war, trotz der schlimmen Erfahrungen und
ohne Rücksicht auf den Trockenprozess immer
wieder auf die halbtrockene Farbenschicht neue
frische Farbenmassen aufzutragen, und dass man
es unterliess, der Untermalung die nötige Zeit
zum Austrocknen zu lassen. Dieser Vorwurf trifft
aber nicht Makart allein, sondern viele und ge-
 
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