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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 20
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Zur Nomenklatur der Anstrichfarben, Binde- und Malmittel
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Liebreich, R.: Ueber Gesichts-Assymmetrie in der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0083

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Nr. 20.

Münchner kunsttechnische matter.

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demnach die Begriffe: Lichtechtheit, Luftechtheit,
Säure-, Aikaii-, Kaikechtheit usw. Es wurden
diesbezüglich folgende Definitionen festgelegt:
$. Unter Lichtechtheit versteht man die rela-
tive Beständigkeit der Farbstoffe gegenüber den
Einwirkungen des Sonneniichtes (und der künst-
lichen Lichtarten).
6. Unter Luftechtheit versteht man die rela-
tive Widerstandsfähigkeit eines Farbstoffes gegen
die Einflüsse der Atmosphäre.
7. Unter „kaikecht" versteht man die relative
Widerstandsfähigkeit einer Farbe beim Zusammen-
kommen mit gelöschtem Kalk, wie er zu Anstrich-
zwecken und in der Freskomalerei verwendet wird.
In sinngemässer Weise wäre der Begriff „säure-
echt" zu definieren. Hierin gehören auch die
Begriffe „wasserecht" und „ölecht". Ein Farbstoff
ist wasser- und ölecht, wenn er in beiden Mitteln
absolut unlöslich ist.
Um die Unterschiede zwischen natürlichen
und künstlichen Farben festzulegen, wurde noch
bestimmt:
8. „Naturecht" ist ein Farbstoff, wenn er so,
wie die Natur ihn bietet, d. h. ohne Zusätze her-
gestellt ist.
Prof. Eibner unterscheidet zwischen Fälschung
im absoluten Sinne, wenn der Farbstoff die durch
die Art seiner Deklarierung festgelegte und als
vorhanden angenommene Zusammensetzung nicht
besitzt und Fälschung im bedingten Sinne, wenn
er undeklarierte Zusätze wie Verdünnung, Be-
deckung, Schönung usw. enthält. Diese letztere
Art der „Verfälschung" soll als erlaubt betrachtet
sein, sobald sie aus der Namengebung oder aus
Zusätzen zu Namen durch den Preis hervorgeht.
Da diese Methode jedoch zu Misständen führen
könnte, soll jedoch angegeben werden, durch V,
ob die Farbe verschnitten, durch S ob dieselbe
geschönt, durch M ob dieselbe gemischt ist.
Die Farbstoffe selbst teilt Eibner ein in:
I. Nach den stofflichen Unterschieden;
a) Anorganische oder mineralische Farbstoffe:
1. natürliche Erd- und Mineralfarben,
2. künstliche anorganische Mineralfarben.
b) Organische Farbstoffe aus dem Pflanzen-
und Tierreiche:
1. natürliche Farbstoffe,
2. künstliche Farbstoffe
oder, was er als zweckmässiger vorzieht.
II. Nach den Unterschieden in technischer Hinsicht:
a) Grundfarben,
b) Mischfarben,
c) Verschnittfarben,
d) Substratfarben und
e) Surrogate oder Ersatzfarbstoffe.
aj Grundfarben sind solche, weder ver-
schnittene noch geschönte Farben, deren Ton
nicht durch mechanische Mischung, sondern durch
natürliche Bildung (Fabrikation) bedingt ist.

b) Mischfarben sind solche, die durch Mischung
von Grundfarben ohne weitere Zusätze hergestellt
sind (Bezeichnung: M) (z. B. Zinkgrün aus Zink-
gelb und Pariserblau).
c) Verschnittfarben sind solche, die durch
mechanische Mischung von Grund- oder Misch-
farben mit nicht buntfarbigen Füllstoffen zur Ver-
dünnung oder Beschwerung hergestellt sind. (Be-
zeichnung: V) (z. B. Viktoriagrün = Zinkgrün -L
Füllstoff; Holländerweiss = Bleiweis -j- Spat).
d) Substratfarben sind solche, bei deren Her-
stellung ein weisser Füllstoff verwendet werden
muss. Substratunterlage (z. B. Krapprosa).
(Schluss folgt.)
Ueber Gesichts-Assymmetrie in der
bildenden Kunst.*)
Von Prof. Dr. R. Liebreich in Paris.
Bekanntlich gibt es in der organischen Welt
keine absolute Symmetrie. Nie sind beide Hälften
eines Blattes oder einer Blume einander vollständig
gleich. Die Ursache hiervon liegt in der Wirkung
der Schwerkraft, dem Heliotropismus, und der
ungleichen Ernährung der beiden Hälften.
Auch beim Menschen sind beide Körperhälften
nicht genau symmetrisch, was durch die ungleiche
Ernährung der beiden Körperhälften und durch die
ungleiche Muskelentwicklung infolge ungleich inten-
siver Muskelarbeit derselben (Ueberwiegen der
rechten Körperhälfte, insbesondere der Hand) sich
erklärt.
Weit mehr als an allen anderen Körperteilen
ist diese Assymmetrie an den beiden Gesichts-
hälften nachweisbar, was schon dafür spricht, dass
dieselbe auf wesentlich von obigen verschiedenen
Ursachen beruht. Alle bisherigen Versuche, diese
auffallende Gesichts-Assymmetrie zu erklären,
haben nur wenig befriedigt. Eine sehr inter-
essante Erklärung derselben gibt Prof. Lieb-
reich: Während des embryonalen Lebens liegt
die eine Gesichtshälfte auf den Beckenknochen
der Mutter auf, während die andere keinem Drucke
ausgesetzt ist, weshalb beide Gesichtshälften wäh-
rend des embryonalen Wachstums sich ungleich
entwickeln müssen.
Prof. Liebreich führt in seiner interessanten
Schrift aus, dass er an zahlreichen, aus verschie-
densten Zeiten (prähistorische Perioden, Altertum,
Neuzeit) stammenden Schädeln diese Gesichts-
assymmetrie nachweisen konnte.
„Unter den Bildhauern haben nur die realisti-
schen Porträtisten die Assymmetrie wiedergegeben,
*) Durch das freundliche Entgegenkommen des
Verfassers sind wir in der angenehmen Lage, das hier
foigende sehr interessante, kurze Kapitet, welches aus
der eben erschienenen Monographie des Verfassers
„Die Assymmetrie des Gesichts und ihre Entstehung"
(Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden) entnommen
ist, hier zum Abdruck zu bringen.
 
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