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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 9
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Ostwald, W.: Stärke-Tempera
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Berger, Ernst: Bilderfälschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0038

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34

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 9.

Kolloiden sich keine irreversiblen befinden. Der
Chemiker aber weiss, dass beispielsweise kolloide
Kieselsäure oder kolloides Eisenoxyd die Eigen-
schaft der Nichtumkehrbarkeit besitzt.
Nun wird seit einiger Zeit ein nichtumkehr-
bares Kolloid, gequollene Stärke, unter verschie-
denen Phantasienamen, wie vegetabilischer Leim
und dergleichen, in den Handel gebracht, welches
als wohlfeiler Ersatz des gewöhnlichen Leims
dient und aus Kartoffelmehl durch Behandeln mit
Alkalien oder gewissen Salzen bereitet wird. Der
Stoff erscheint als eine weisslich durchscheinende,
zähfliessende Masse von ziemlich erheblichem
Klebvermögen; er trocknet zu einer hornartigen
Masse ein, die in Wasser nicht wieder aufquillt
oder gar sich löst, sondern ziemlich unverändert
bleibt. Neben dieser grundlegenden Eigenschaft
spricht für die Anwendung des Stoffes als Farben-
bindemittel seine ganz neutrale Beschaffenheit
und seine voraussichtlich sehr bedeutende Be-
ständigkeit. Auch wird er bereits von den Tün-
chern für gewöhnliche Anstrichzwecke verwendet,
da er sehr billig ist.
Ich habe meine Versuche mit einem Mate-
rial angestellt, welches mir von Herrn Dr. AUen-
dorf & Co., Leipzig-Plagwitz, freundlichst zur Ver-
fügung gestellt worden ist; es wird unter dem
Namen Haptin in den Handel gebracht. Wenn
man es unmittelbar zum Anreiben von Farben
benutzt, so erhalten diese eine etwas zu steife
Beschaffenheit; man verdünnt es daher zweck-
mässig mit dem halben bis gleichen Volum Wasser.
Es ist zweckmässig, reichlich Bindemittel zu ver-
wenden. Selbst bei einem sehr grossen Ueber-
schuss davon zeigen die Farben keine Neigung
zum Abspringen oder Zusammenziehen, und an-
dererseits hellen sie um so weniger beim Trocknen
auf, je mehr Bindemittel sie enthalten. Das Ver-
reiben geschieht wie bei Oelfarbe in der Reib-
maschine oder bei kleinen Mengen auf dem Stein,
bezw. in der Reibschale, und es lassen sich alle
Farben ohne Ausnahme mit diesem Bindemittel
verwenden, falls man neutrales Haptin benutzt.
Die angeriebenen Farben muss man gegen
Austrocknen schützen. Man kann sie in Tuben
oder in Gläser mit gut schliessendem Stopfen
tun. Da das Bindemittel leicht schimmelt, so
setzt man eines der bekannten Mittel dagegen,
etwa Thymol oder Naphthol, dazu. Als Weiss
empfiehlt sich in erster Linie Zinkweiss. Dieses
hat zwar die Eigenschaft, mit wässerigen Binde-
mitteln leicht reissende Schichten zu geben; bei
genügendem Zusatz von Haptin habe ich aber
diesen Fehler zum Verschwinden bringen können.
Auch Litopon ist sehr gut verwendbar, doch ist
zurzeit noch nicht der lichtechte Farbstoff im
Handel.
Das Malen mit solchen „Haptinfarben" kann
auf zweierlei Weise erfolgen. Entweder in rein

wässeriger Technik; die Farben lassen sich dabei
ebensogut für die lasierende reine Aquarelltechnik
wie für Gouachemalerei verwenden. (Schluss ioigt.)
Bilderfälschungen.
Die „M.N.N." brachten vor kurzem (3. Jan. 1908)
unter obiger Aufschrift die folgende Notiz:
„Zwei hiesige Kunsthändler, welche schon seit
längerem einen schwunghaften und lukrativen Handel
mit gefälschten Bildern betrieben haben sollen, sind,
wie wir meldeten, vor einiger Zeit auf Anordnung des
Untersuchungsrichters in Haft genommen worden. Die
schon seit langem ebenso eifrig wie geheim betriebene
Untersuchung hat immer weitere Kreise gezogen: es
wurden neuerdings Verhaftungen von fünf Agenten
vorgenommen, welche in die Betrugsaflären verwickelt
sind. Einer der Festgenommenen, der sich bei dem
Verkaufe der gefälschten Bilder immer im Hintergründe
gehalten hat, erscheint jedoch der Hauptbeteiligte.
Durch seine Vermittlung wurden, meist von auswärts,
Kopien von Bildern bekannter lebender und
verstorbener Münchner Meister bezogen und
hier in sehr geschickter Weise mit dem Namen des
betreffenden Künstlers fälschlich signiert. Als Ori-
ginalwerke wurden sie dann weiter verkauft und hierbei
zum Teil Persönlichkeiten geschädigt, von denen man an-
nehmen sollte, dass ihr Kunstverständnis den Schwindel
hätte erkennen müssen."
So bedauerlich derartige Vorkommnisse auch
sind und von allen Seiten als Schädigungen emp-
funden werden, so ist doch nur wenig Aussicht,
solchen Betrügern das Handwerk zu legen. Sie
werden stets neue Mittel ersinnen, um selbst
Kenner zu täuschen und sie werden bei Nicht-
kennern meist ein leichtes Spiel haben. In dem
oben angegebenen Falle handelt es sich, wie wir
mitteilen können, um Fälschungen von Bildern
gesuchter moderner Meister wie Böcklin, Lenbach,
Spitzweg Corot u. a. Wie geschickt mitunter
solche Fälschungen gemacht sind, kann aus einem
Vorkommnis bei dem berühmten Lenbachprozess,
wo es sich teils um echte, dem Meister gestohlene
und mit gefälschter Unterschrift versehene, teils
um direkt imitierte „Lenbachs" handelte, ersehen
werden. Bei der Verhandlung wurde der Meister
über einige der dem Gerichte vorliegenden Bilder
befragt, ob diese von ihm herrührten, und nach-
dem er bei etlichen diese Frage verneint hatte,
erklärte er zwei davon für von seiner Hand ge-
malt, worauf der angeklagte Fälscher, Maler Z.,
bemerkte: „Herr Professor, diese beiden sind
ebenfalls von mir! Obgleich ich mich dadurch
selbst belaste, muss ich es bekennen." — Wenn
es also Vorkommen kann, dass ein lebender
Künstler sich an seine Bilder nicht mehr genau
erinnert und durch die Fälscherkunst getäuscht
wird, um wieviel leichter ist dies, falls eine
Kontrolle nicht mehr möglich ist. Ueberdies
werden neuestens mit grossem Eifer Jugend werke
berühmter Künstler aufgestöbert und wieder ans
Licht gezogen, für die Zeugen der wirklichen
Autorschaft gar nicht mehr zu finden sind.
 
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