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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 20
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Liebreich, R.: Ueber Gesichts-Assymmetrie in der bildenden Kunst
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Künstler-Ausrüstung für die Studienreise
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0084

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So

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 20.

in den idealisierenden Porträts und in den Kompo-
sitionen ist dagegen eine möglichst vollkommene
Symmetrie zum Schaden der Aehnlichkeit und
Natürlichkeit angestrebt. In der griechischen und
römischen Skulptur habe ich eine Assymmetrie
gefunden, welche zu der natürlichen in keiner
Beziehung steht und einem künstlerischen Zwecke
dient, der von allen Künstlern jener Zeit nach
einem Prinzip erzielt wird, das weder den Bild-
hauern des Mittelalters noch denen der Neuzeit
bekannt war. Dieses Prinzip findet nur bei den-
jenigen Werken seine Anwendung, die so gestellt
sind, dass sie für eine gewisse Richtung des Be-
schauers bestimmt sind. Bei denjenigen, um die
der Beschauer herumgehen kann, wie bei den in
der Mitte eines freien Platzes aufgestellten, findet
dies Gesetz keine Anwendung. Ebensowenig bei
denjenigen Köpfen, welche ganz en face zur Be-
trachtung kommen. Sowie der Kopf nur eine
leichte Drehung annimmt, und am stärksten in
einer für vollkommene Profilansicht gebildeten
Büste oder Statue, zeigen alle griechischen und
römischen Altertümer die folgenden, einem be-
stimmten künstlerischen Zwecke dienenden und
keineswegs der Naturbeobachtung entnommenen
Unterschiede in der Behandlung der beiden Ge-
sichtshälften. Es erscheinen nämlich immer auf
der verkürzten Seite, nach welcher der Kopf ge-
dreht ist, folgende Abweichungen von der Form
der anderen Seite: die in der Verkürzung zu be-
trachtende Seite ist von der Stirn ab bis zum
Unterkiefer rückwärts gedrückt, Augen, Mund und
Nasenflügel abgeflacht, das Ohr in den Schädel
gedrückt.
Sieht man einen Kopf, der für % oder Profil-
ansicht bestimmt ist, en face an, so ist er ver-
zerrt, während er vom richtigen Standpunkt an-
gesehen vollkommen erschien. Die Kenntnis dieses
Prinzips ist sowohl für die Reparation vom Körper
getrennt gefundener Köpfe, als für die Aufstellung
von Statuen von Wichtigkeit, wie man dies zum
Beispiel an der in Berlin falsch aufgestellten Kopie
der Venus de Milo konstatieren kann, welche von
links statt von rechts beleuchtet war, als ich sie
dort vor mehreren Jahren sah, und welche daher
die verkürzte abgeflachte Seite des Gesichts voll
beleuchtet dem Zuschauer zukehrt. Dasselbe gilt
für die im Museo Nationale di Termi di Diocle-
tiano in Rom falsch aufgestellte Priesterin der
Vesta. Im Museum der Antiken des Vatikans
konnte ich an mehreren Marmorstatuen nachweisen,
dass die Köpfe falsch aufgesetzt sind und dass
die Gruppe des Laokoon nicht richtig gestellt ist,
wie man dies auch durch den Winkel bestätigen
kann, den die alte viereckige Basis mit dem
modernen Gestell macht, auf dem sie jetzt ruht.
Die Gruppe müsste (etwa 20") um ihre Achse
nach ihrer linken Seite gedreht werden, so dass
der in der Mitte stehende Beschauer gegenüber

der antiken Basis und nicht, wie bis jetzt, dem
falsch befestigten modernen Untergestell gerade
gegenüberstehe, dann erst bekommt er eine rich-
tige Vorstellung von dem für diese Gruppe so
wichtigen Ausdruck der Gesichter und kann das
von mir ausgefundene Gesetz bestätigen, welches
in diesem Falle durch die Rückwärtsbiegung des
Kopfes noch etwas kompliziert wird. Auch für
die Einreihung der verstreuten Figuren der Nio-
bidengruppe muss man dieses Gesetz im Auge
behalten, so kann man z. B. der neuerdings auf-
gefundenen und im Lokal der Banca Commerciale
Italiana in Rom ausgestellten Niobide danach ihre
Stellung in der Gruppe anweisen.
In der Malerei aller Zeiten wird sowohl im
Porträt wie in der Komposition die Assymmetrie
durch Vermeidung der vollen Face-Ansicht um-
gangen, doch finden wir sie in den Porträts der
realistischen Schulen verschiedener Jahrhunderte
und wenigstens in denjenigen Kompositionen an-
gegeben, welche treu nach einem Modell gearbeitet
sind. Die idealisierenden Maler gleichen die Ver-
schiedenheit der beiden Gesichtshälften aus."
Künstler-Ausrüstung für die
Studienreise.
Die Zeit des Studienaufenthaltes rückt heran und
jeder trachtet seine Ausrüstung so praktisch als
möglich einzurichten. Was an Farben, Leinwand,
Pinsel usw. nötig ist, muss angeschafft, das Hand-
werkszeug ergänzt werden. Für kleinere Oelstudien
genügen die in Malkästen anbringbaren Klappbretter,
für grössere Arbeiten dienen die zusammenlegbaren
Klapprahmen, deren Hauptvorteil in der Leichtigkeit
und Bequemlichkeit besteht, das noch frische Bild
ohne jede Gefahr zu transportieren. Dazu kommen
noch die Feldstaffelei, Stuhl und Schirm, Paletten-
messer und vieles andere, was bei der Arbeit nicht
gerne vermisst wird. Für Aquarellmaler ist die rich-
tige Wahl der Papiersorte für die Blocks zu treffen,
Verwasch- und Zeichenpinsel nachzusehen, ob die
vom Vorjahre noch tauglich sind usw. In der letzten
Zeit sind uns von einigen Künstlermagazinen Preislisten
und spezielle Kataloge für obige Zwecke zugegangen,
bei deren Durchsicht die Arbeit des Ausrüstens für
die Reise sehr erleichtert wird, denn man findet darin
alles Nötige und auch manches Neue von Interesse.
So sind diesmal neu und äusserst praktisch die
Patent-Tuben für alle Arten von Malmitteln (Leinöl,
Trockenöl, Malbutter usw.), denn sie bieten den
Vorteil, diese Flüssigkeiten wie Farben im Malkasten
aufbewahren zu können. Unter dem Schraubenverschluss
haben sie eine ganz kleine Oeffnung zur Entleerung
des Oeles, und das untere Ende der Tube ist durch
eine runde Feder, welche gleichzeitig das Ausquetschen
erleichtert, geschlossen. Eine treffliche Kombination
bietet auch eine Feldstaffelei, die gleichzeitig photo-
graphisches Stativ, Stalfelei für Oelmalerei und Maltisch
für Aquarell in sich vereinigt; dann für die Maler im
Hochgebirge die Malkraxe mit Riemenzeug zum Ein-
schnallen des Bildes nebst Malkästen usw., bequem
auf dem Rücken zu tragen. Sogar ein im Rucksack
transportables Malzelt zum Schutz gegen Wind und
Regen hat ein Kollege bereits patentieren lassen. Es
ist doch eine Lust, Landschaftsmaler zu sein!
 
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