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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 16
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Professor Philipp Fleischer: Die Kunst im Handwerk der Malerei, [2]
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Buss, Otto: Ueber Tempera, Gummi, Leim und Kasein, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0066

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62

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 16.

zwingt, hatte ich für sehr vorteilhaft. Ich möchte
noch hinzufügen, dass die Behandtung dieser Farben
eine äusserst angenehme ist und dass ihre grosse
Leuchtkraft auch nach öfterer Uebermatung erhatten
bteibt. gez. R. B. Wittmann.
Ueber Tempera, Gummi, Leim und
Kasein. (ScMuss.)
Aus dem Nachtass von Dr. Otto Buss -f-
Schon beim längeren Kochen einer Leim-
lösung, bei wiederholtem Schmelzen und Er-
starrenlassen, rascher und vollständiger aber
beim Kochen einer Leimlösung mit Säuren oder
Alkalien, vermindert sich das Erstarrungsvermögen,
der Erstarrungspunkt sinkt und verschwindet hier-
auf vollständig. Eine solche Leimlösung ist bei
normaler Temperatur flüssig und bindet nur noch
ähnlich wie Gummi, durch Eintrocknen. Solche
durch beginnende Zersetzung verflüssigte Gela-
tine heisst Metagelatine. Analoge, mehr oder
weniger ordinäre Leime werden auch fälschlich
als Fischleim bezeichnet und sind unter verschie-
denen Namen, Syndetikon, Derby-Cement, als
flüssiger Leim usw. die im täglichen Leben ge-
brauchten, überall käuflichen Klebemittel.
Aber noch eine grosse Zahl anderer Körper
yermögen den Leim des Koagulierungsvermögens
zu berauben, so z. B. eine grosse Zahl unserer
Desinfektionsmittel, Karbolsäure, Salizylsäure, Rho-
dansalze, Eisenoxydulsalze usw. Auch gewisse
Spaltpilze wirken verflüssigend auf Leimgallerten,
wie dies beim Faulen des Leimes zutage tritt.
So gibt z. B. salizylsaures Natron, in genügender
Menge mit einer Leimgallerte verrührt, glatt einen
flüssigen Leim.
Es ist einleuchtend, dass der verflüssigte
nicht mehr die Eigenschaften des unveränderten,
bei normaler Temperatur nur quellbaren, sonst
aber unlöslichen Leimes besitzt. Er ist dann
eben vollständig wasserlöslich. Maltechnisch ist
diese Tatsache sehr belangreich und kann zu
empfindlichen Störungen Anlass geben.*)
III. Kasein.
Kasein ist ein in der Milch der Säugetiere
enthaltener Eiweisskörper. An Alkalisalze ge-
bunden, ist es darin gelöst und kann daraus auf
einfachste Weise abgeschieden werden. Bei
längerem Stehen an der Luft findet, durch Spalt-
pilze hervorgerufen, in der Milch Milchsäure-
*) Ueber maltechnische Verwendung des Leims
im Altertum berichtet uns Vitruv bei der Beschreibung
seines Tektoriums, wonach Schwarz mit Leim gemischt
dem Stuck beigegeben wurde; ebenso erwähnt Plinius
bei der Bereitung von Schwarz noch einen Zusatz von
Essig zum Leim. Ob damit die Verflüssigung des Leims
durch Essigsäure schon angegeben ist? (XXXV, 43.)
Weitere Stelle bei Plinius XXVIII, 236: Der vor-
züglichste Leim wird aus den Ohren und Genitalien
der Stiere bereitet. Der Rhodische ist der zuverlässigste
und dessen bedienen sich die Maler und die Aerzte.

gärung statt, bei welcher die entstehende Milch-
säure das Kasein abscheidet, die Milch wird sauer
und gerinnt; das durch diesen Vorgang gebildete
unreine Kasein ist unter dem Namen Topfen,
Quark, allgemein bekannt. Eine weitere Dar-
stellungsmethode ist die Fällung mit Lab (fein-
geschnittene und getrocknete Kälbermagen),
dessen Ferment in kurzer Zeit ungefähr die
Hälfte des in der Milch enthaltenen Kaseins
fällt; die Labfällung wird hauptsächlich bei der
Bereitung des Käse angewendet. Die technische
Gewinnung des Kaseins beruht auf dessen Fäl-
lung mit Säuren, wobei als Ausgangsmaterial die
entfettete, durch Auszentrifugieren des Butter-
fettes erhaltene blaue oder Magermilch ver-
wendet wird. Reines Kasein wird z. B. erhalten
durch Fällen von mit der 3 — 3 fachen Menge
Wasser verdünnter Magermilch, mit Essig- oder
irgendeiner anderen Säure, Waschen und Trocknen
des Niederschlags. Es kommt in verschieden
reinen Qualitäten im Handel vor und ist heute
ein überall leicht erhältlicher Artikel.
Kasein ist in Wasser und allen neutralen
Lösungsmitteln, Alkohol, Aether, Benzin, Terpen-
tinöl, Oelen usw. unlöslich, löst sich dagegen
leicht in Alkalien, alkalischen Salzen und Säuren.
Es ist eine schwache, zweibasische Säure, und
man ist daher imstande, mit ganz geringen Mengen
von Alkalien Kaseinlösungen zu erzeugen, die
schwach sauer reagieren. Trockenes Kasein ist
ein hornartiger Körper von ausserordentlicher
Festigkeit und Zähigkeit, im wasserhaltigen Zu-
stand ist es geschmeidig, zähe und knetbar. Mit
Kalk bildet es eine, auch in Alkalien unlösliche,
ausserordentlich harte Masse, die ein beliebter
Kitt für alle möglichen Zwecke ist. Dieses Kalk-
kasein entsteht, wennKaseinlösungenmitgelöschtem
Kalk oder Kalkmilch gemischt werden, die Misch-
ung koaguliert, stockt und bildet beim Eintrocknen
den festen Kitt. Kaseinkalk entsteht auch, wenn
Kaseinlösungen auf Kalkwände aufgetragen werden.
Diese Kaseinkalkbildung ist maltechnisch in ver-
schiedenster Art benutzt worden und zwar mit
bestem Erfolg, da der Kaseinkalk eines der wider-
standsfähigsten Farbbindemittel darstellt.
Das Kasein wird in der Malerei stets als
Lösung in Alkalien verwendet, z. B. in Natron, Kali
Ammoniak, Soda, Pottasche, Borax, Natrium-
bikarbonat, Kalkwasser, doch lassen sich noch
zahlreiche andere Körper, z. B. Natriumsulfit,
Natriumphosphat zu seiner Lösung anwenden.
Es sind relativ geringe Mengen dieser Salze zu
seiner Lösung ausreichend (1—2% vom Gewicht
des Kaseins) und wird die Lösung durch Wärme
sehr befördert. Konzentrierte Kaseinlösungen
sind nur in der Wärme von ca. 35° an flüssig,
unter dieser Temperatur sind sie dicklich bis
gallertig. Kaseinlösungen sind ausserordentlich
dickflüssig (eine 10°^ Kaseinlösung ist z. B. noch
 
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