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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 20
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Berger, Ernst: Neue Lehrbücher für Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0081

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KUMSTIEOMKRE

München, 29. Jnni 1908.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst " (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

IV. Jahrg. Nr. 20.

Inhait: Neue Lehrbücher für Maierei. Von E. B. — Zur Nomenkiatur der Anstrichfarben, Binde- und Mal-
mittei. — Ueber Gesichts-Assymmetrie in der biidenden Kunst. Von Prof. Dr. R. Liebreich in Paris.
— Künstier-Ausrüstung für die Studienreise.

Neue Lehrbücher für Malerei.

Von
Seit jeher hat es Künstler gegeben, die dem
Wesen und den Grundiagen ihrer Kunst dadurch
näher zu kommen trachteten, dass sie ihre Ge-
danken darüber niederschrieben. Sie gaben sich
auf diese Weise Rechenschaft über Dinge ihres
täglichen Gedankenkreises, die auf andere Art
des Meinungsaustausches meist in ein fruchtloses
Debattieren verlaufen wäre. Sind nun solche
Niederschriften durch den Druck auch anderen
zugänglich gemacht, dann werden sie zu wich-
tigen Dokumenten zur Kenntnis des jeweiligen
Standpunktes, den der Künstler den seine Zeit
bewegenden Kunstproblemen gegenüber einge-
nommen hat.
Von Lionardo da Vinci angefangen bis John
Ruskin und Anselm Feuerbach, von Albrecht Dürer
bis Klinger und Paul Signac haben wir eine statt-
liche Reihe solcher Schriften, die teils didaktischer,
teils polemischer Natur, ein getreues Bild der sich
stets befehdenden Richtungen abgeben, oder durch
philosophische und ästhetische Betrachtungen das
künstlerische Empfindungsleben zergliedernd in
Worte kleiden.
Neuerlich liegen uns wieder zwei Bücher vor,
die sich mit dem Wesen und den Grundproblemen
der Malerei befassen.*) Ernst Kiesling hat
sich Lionardos Ausspruch „Malerei ist eine Wissen-
schaft" zum Motto gewählt; er bezeichnet damit
*) Wesen und Technik der Maierei. Ein
Handbuch für Künstier und Kunstfreunde von Ernst
Kiesling. Mit !o Textabbiidungen und 17 Voiibiidern.
Verlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig. Preis geh.
3,60 Mk.; geb. 4,80 Mk.
Grundprobleme der Malerei. Ein Buch für
Künstler und Lernende von Rudolph Czapek. Verlag
von Klinkhardt & Biermann, Leipzig. Preis geh 3 Mk.;
geb. 4 Mk.

E. B.
den Weg, auf dem er zur Erkenntnis vom Wesen
der Malerei gelangen will oder vielmehr: er will
beschreiben, was in der Malerei durch Wissen
erreicht werden kann. Dass sich die Malerei
zusammensetze aus Linien, Form und Farbe, hat
Lionardo bereits erwiesen, und da eine Linie aus
unzähligen Punkten besteht, begann er seine Be-
trachtungen von dem nicht mehr weiter teilbaren
Punkte. Geometrie und Perspektive, die Lehre
vom Licht und Schatten, Statik der Bewegungen
des menschlichen Körpers und physikalische Optik
hielt Lionardo für die wichtigsten Grundlagen des
Studiums des angehenden Malers.
In seinem Buch geht Kiesling auch von der
Zeichnung aus, insofern durch sie die Darstellung
der Form bezweckt und zur unmittelbaren Wieder-
gabe des Natureindruckes verwertet wird. Aber
er behandelt die „Farbe" schon in dem Sinne
neuerer physikalischer Erkenntnis, indem er die
durch Newton bekannt gewordene und jetzt gel-
tende Theorie von der Zerlegbarkeit des weissen
Lichtes und deren Anwendung auf die Malerei
des genaueren erörtert. Komplementäre oder
Kontrastfarben, kalte und warme Farben, Zu-
sammenstellung zu Paaren und Triaden, vor-
springende und zurücktretende Farben sind in
besonderen Abschnitten behandelt. Wenn Kiesling
hier ebenso wie in den vorhergehenden Kapiteln
sich vielfach auf bekannte Autoritäten stützt und
deren Aussprüche zitiert, so kann ihm dies nie-
mand verübeln. Mitunter kommt es mir aber
vor, als ob er dabei sein eigen Licht allzusehr
unter den Scheffel gestellt hätte, und dies um so
mehr, als gerade Kapitel wie das über die „Kom-
position" zeigen, dass der Autor Entlehnungen
nicht nötig gehabt hätte. Die Erklärung der
 
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