Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

DOI Heft:
Nr. 9
DOI Artikel:
Berger, Ernst: [Rezension von: Bouvier, Pierre Louis, Bouviers Handbuch der Ölmalerei, 8. Aufl.]
DOI Artikel:
Mai, Johann: Autographische Zeichnungen zur Vervielfältigung im Steindruck
DOI Artikel:
Pudor, Heinrich: "Wie der Japaner zeichnen lernt."
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0040
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 9.

möchte, die sich für den chemischen-technischen Teil
der Maierei interessieren.
Möge diese neue Auflage wieder so viei Freunde
finden, wie die vorigen sie gefunden haben.
München, im Herbst 1910.
Ernst Berger.
Autographische Zeichnungen zur Ver-
vielfältigung im Steindruck.
Von Johann Mai.
Das Zeichnen mit autographischer Tinte auf Papier
ist eine ziemlich unangenehme Arbeit, wenn man keine
entsprechenden Federn, besonders aber keine tadel-
lose Tinte zur Verfügung hat. Ausserdem spielt auch
das Papier eine wesentliche Rolle, da sich nur ge-
wisse Sorten eignen, mit welchen man dann auch
ziemlich gute Resultate erhält.
Die autographischen Zeichnungen sollen nach ihrer
Fertigstellung auf lithographischen Stein oder Zink um-
gedruckt oder übertragen werden, und für den Zeichner
ist eine wenigstens annähernde Kenntnis der auf che-
mischem Wege beruhenden Uebertragung auf Stein,
sowie des Aetz- und Druckprozesses von Wichtigkeit,
weil er dann leichter beurteilen kann, wie er sich
beim autographischen Zeichnen zu verhalten hat.
Der lithographische Stein sowie das Zink haben
im frischgeschliffenen Zustande das Bestreben, sich
mit Fett zu verbinden, d. h. das auf die Fläche ge-
brachte Fett zieht sich in den Stein, und wenn dann
diese fetthaltige Stelle mit schwarzer Druckfarbe über-
fahren wird, setzt sich diese vermöge ihres Fett-
gehaltes gleichfalls dort fest. Der Stein besitzt nun
weiter die Eigenschaft, dass er von den meisten Säuren
angegriffen und aufgelöst wird, weshalb man im Stein-
druck z. B. die Salpetersäure in stark verdünntem Zu-
stande zum Aetzen der Steine gebraucht. Da nun die
verdünnte Säure, Aetze genannt, den Stein nur an-
greift, aber nicht vor dem Fettannehmen schützt,
wird die Aetze noch stark mit echtem arabischen
Gummi in Lösung versetzt, wodurch erst die fettfreien
Stellen des Steines so vorbereitet werden, dass sie
bei Berührung mit Fett und Druckfarbe diese nicht
annehmen, sondern abstossen. Auf diesem Prinzip
beruht der ganze chemische Druckprozess des Stein-
drucks.
Wird nun das mit fetter autographischer Tinte be-
arbeitete Papier auf einen frischgeschliffenen Stein
gelegt und durch eine scharfe Pressung die innigste
Berührung zwischen Stein und Papier bezw. fetter
Zeichnung herbeigeführt, so überträgt sich jede ge-
zeichnete Partie auf den Stein, was mit Umdruck oder
Uebertragung bezeichnet wird. Um nun den Stein an
den fettfreien Stellen vor dem Annehmen der Farbe
zu schützen, wird er nach der Uebertragung der fetten
autographischen Zeichnung vorerst mit Gummilösung
überstrichen, dann getrocknet und hierauf etwas ge-
feuchtet und mit Druckfarbe überwischt, die sich nur
an den fetten Stellen absetzt, dagegen von den gummiert
gewesenen fettfreien Stellen abgestossen wird. Nach-
dem die Zeichnung nun in schwarzer Parbe auf dem
Stein steht, wird sie geätzt, gummiert, später wird der
Gummi abgewaschen, und jetzt ist der Stein druck-
fertig, so dass eine beliebige Anzahl Abdrücke davon
entnommen werden können.
Aus dem hier in Kürze geschilderten Hergange
ergeben sich für den Zeichner folgende beachtens-
werte Winke:
Die Striche der Zeichnungen müssen möglichst
kräftig und satt, aber nicht überladen und klecksig
auf dem Papiere stehen, sonst quetschen sie sich bei
der Pressung breit. Sind sie dagegen zu mager oder,

was sehr oft vorkommt, durchbrochen und unscharf,
dann übertragen sie sich nur mangelhaft auf den Stein;
sie werden in diesem Zustande von der Aetze an-
gegriffen, da sie zu wenig Fett bezw. Farbe enthalten,
und die Abdrücke sehen mangelhaft aus.
Wird dagegen das Papier während der autographi-
schen Zeichnerei mit fettigen, schweissigen Fingern
berührt, oder fällt Lampenruss, Staub oder Kopf-
schuppen usw. auf das Papier, so haftet dieses alles fest
und überträgt sich mit auf den Stein. Derartige Ver-
unreinigungen verursachen den bei den Autographien
von den Steindruckern so sehr gefürchteten „Schmutz",
der oft eine stundenlange Reinigung der Steine er-
fordert. Es ist demnach das Papier, auf dem die
autographischen Zeichnungen hergestellt werden, auf
das sorgfältigste vor den erwähnten Verunreinigungen
zu behüten und während der Arbeits- oder Ruhe-
pausen mit einem Holzdeckel, Pappekasten od. dgl. zu
überdecken, die so gestaltet sein müssen, dass sie die
Zeichnungsfläche nicht berühren, aber auch gegen die
Einwirkungen von Staub und Sonnenschein schützen,
denn durch den letzteren verharzt (vertrocknet) die
Tinte äusserst rasch, worauf ganz besonders auch
w'ährend des Zeichnens geachtet werden muss.
Von wesentlicher Bedeutung zum guten Gelingen
der Uebertragungen auf Stein oder Zink ist das Zeichen-
papier; denn wenn hierzu die gewöhnlichen holzschliff-
haltigen Sorten verwendet werden, die mit allerlei Zu-
taten versehen sind, wie Gips u. dgl., dann erfolgt eine
gewisse Zersetzung der fetten autographischen Tinte
und es kann folglich kein gutes Ergebnis nach der
Uebertrageng auf Stein erwartet werden.
Demnach sind selbst bei gewöhnlichen Arbeiten
vollkommen holzschlifffreie sog. Hadernpapiere allein
zu verwenden, die also nur aus Lumpen angefertigt
wurden. Diese Papiere müssen von tadelloser Glätte
und guter Leimung sein, und man wählt stets die
glättere Seite, die, wenn man das Papier Hach gegen
das Licht hält, sofort erkennbar ist.
(Schluss folgt.)
„Wie der Japaner zeichnen lernt."
Die Auslassungen des Sir F. T. Piggott im „Art
Journal" über die Art, wie der Japaner zeichnen lernt,
sind wertvoll besonders dadurch, wie sie die Pinsel-
haltung des Japaners erklären. Die Hauptsache in-
dessen hat Herr Piggott übersehen, und zugleich das,
was die Methode des Japaners grundsätzlich von der
unsrigen unterscheidet. Der Japaner nämlich setzt sich
nicht vor den Gegenstand, den er malen will, sei es
ein Modell oder die Natur selbst, hin und zeichnet ihn
ab — sondern er hat ihn, wenn er ihn malen will, be-
reits im Kopfe, und zeichnet oder malt das Bild, das
er bereits im Kopfe trägt. Voraus aber geht ein un-
ermüdliches Studium der Natur. Der Japaner zeichnet den
Vogelflug so wunderbar natürlich, weil er ihn in der Natur
hundert- und tausendmal beobachtet hat — in der Tat
so oft und so lange, bis er ihn gewissermassen „aus-
wendig" kennt, dann erst setzt er sich hin und bannt
das Bild seiner Phantasie und seines Gedächtnisses auf
die Leinwand oder aufs Papier. Mein Lehrer, der ein
Schüler von Pizzarro war, sagte mir oft: „Sie brauchen
nicht immerfort zu malen —- sehen, sehen!" Und diese
Methode ist zweifellos die höhere und die richtigere
und sie ist der unsrigen vorzuziehen. Denn wir mit
unserer Methode „kopieren" eigentlich nur streng-
genommen und schreiben die Natur ab, der Japaner aber
malt aus sich selbst, aus seinem Kopfe, aus seiner Seele
heraus: er schafft die Natur zum zweiten Male.
Heinrich Pudor.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig!.
 
Annotationen