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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 3
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Berger, Ernst: Zur Frage der römisch-pompejanischen Wandmalerei, [5]: Bemerkungen zu Keims "neuen" Rekonstruktionsversuchen, 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0014
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr 3.

Zur Frage der römisch-pompejanischen
Wandmalerei.
Bemerkungen zu Keims „neuen" Rekonstruk-
tionsversuchen III.
Von E. B. (Schluss.)
Aber auffallend genug ist es, dass Sch. (a. a. O.
S. 15) „bei den schönsten römischen und pompejanischen
Stuccos nur zwei Lagen von Marmormörtei wahr-
nehmen konnte" (auch von einem Stucco aus dem
Bädern des Titus erwähnt er das gleiche), während
Vitruv stets von drei Lagen spricht und drei Lagen
als Bedingung für das gute Gelingen der Arbeit fordert.
Ich kann dies nur so verstehen, dass Sch. die
dritte feinste Marmorstuckschicht für die
Farbschicht gehalten und deshalb nicht mit-
gezählt hatte!*)
Weder Schafhäutl noch Louis waren Maler, denen
möglicherweise nicht das entscheidende Urteil in der
Frage der antiken Freskotechnik zukommt. Ich will
deshalb hier noch das Urteil eines Mannes anfügen,
der gewiss etwas vom Freskomalen verstand, nämlich
des Peter Cornelius, der zu fraglicher Zeit mit den
Glyptothekfresken beschäftigt, um seine Meinung be-
zügl. der Eignung des Vitruvschen Stuccogrundes für
Freskomalerei befragt wurde. Auch er kommt zu
dem gleichen Ergebnis: Der VitruvscheStucco-
grund eignet sichnicht zureigentlichenFresko-
malerei, sondern höchstens zu kleineren Malereien
dekorativen Stils.
In Marggraffs Münch. Jahrbüchern f. bild. Kunst
(Leipzig 1840), 3. Heft, S. 235 Note, findet sich eine
Notiz, die über die angedeutete Ansicht des Cornelius
Aufschluss gibt. Darin wird erwähnt, dass ihm an den
pompejanischen Wandmalereien „ein eigentüm-
licher, leichter und angenehmer Schimmer,
ähnlich dem Fettglanz der menschlichen Haut,
auffiel, wie wir ihn weder mit blossen Leim-
farben, noch auch mit unseren Kalkwasser-
farben auf nassemKalkbewurfhervorzubringen
imstande wären". Er vermutete daher ein anderes
Farbenbindemittel als Kalk oder Leimwasser. Dass
es jedoch auch ein schnelltrocknendes gewesen
sei, schien ihm besonders daraus hervorzugehen, dass
die Farben nicht ineinander vertrieben und die Schatten,
fast wie bei bedruckten Tapeten, meist durch Striche-
lung und Uebereinanderlegung der Töne bewirkt sind.
Daran schliesst die folgende Bemerkung:
„Was das Malen mit Kalkwasserfarben auf
Marmorstuck betreffe (also Wiegmanns Rekonstruk-
tion), so sei dies, wie er aus eigenen Versuchen
wisse — äusserst schwierig und mühsam, und nur für
kleinere Werke, wie etwa die Rundbilder an den
Wänden von Pompeji und die dortigen Dekorations-
malereien, geeignet; die Farbe erstarrt im Pinsel in
dem Augenblick des Auftrages derselben, eine Erfah-
rung, die dem gestrichelten Wesen, zumal in den
Fleischpartien jener Malereien nicht entgegen sei.
Oder es liessen sich auf diese Weise nur kleinere
Gemälde mit einer gewissen Vollendung ausführen, in-
dem es schon zu den allerschwersten Aufgaben ge-
höre, mit Kalkwasserfarben auf blossen Kalkgrund,
der noch lange nicht so heiss ist, als der
Marmorstuckgrund, grosse Massen Fleischpartien
so zu malen, dass sie ein in sich geschmolzenes Ganzes
bildeten und nichts Gestricheltes zeigten."
Dieses Urteil eines unserer ersten Fresko-

*) Es mag hier noch besonders daran erinnert
werden, dass die gefärbte Stuckschicht nur bei
Wanddekorationen des ornamentalen Stiles in An-
wendung kam. Beim Architekturstil oder bei weissem
Grund ist eine Färbung der obersten Schicht selbst-
verständlich nicht im Gebrauch gewesen.

maler ist doch ausschlaggebend! Es besagt das
nämliche wie Schafhäutl, und wie die Anweisung des
Architekten des Pompejanums in Aschaffenburg, die
mit der Freskomalerei auf dem Vitruvschen Stucco-
grund keinen Erfolg hatten, sonst hätten sie doch
nicht zur Bindemittelmalerei und zur Enkaustik ihre
Zuflucht genommen. Es beweist aber auch gleich-
zeitig, dass ich ganz recht hatte, als ich sagte,
der genau nach Vitruv hergestellte Stucco-
grund eigne sich nicht zur Freskomalerei.
Peter Cornelius hatte die gleiche Erfahrung gemacht.
Zum Schluss noch das Interessanteste: Wiegmann,
der Hauptvertreter und Begründer der „Fresko-
theorie", kommt endlich auch selbst dazu, dass
auf dem antiken Stucco mit Kaikfarben ai
fresko nicht der gewünschte Effekt erzielbar
sei und greift (Freskofreunde verhüllt abermals euer
Haupt!) — zu den Leimfarben! S. 206 seines
Buches, die Malerei der Alten (Hannover 1861), be-
richtet er über diese Versuche:
„Der Erfolg war höchst überraschend,
denn ausserdem, dass manche Farben, wie Caput
mortuum, Kobalt usw., weit besser und alle Farben
länger anzogen, erhielt die ganze Malerei ein zar-
teres Ansehen. Die Behandlung bekam etwas
weit flüssigeres, als mit blossem Wasser und Kalk-
farben, und kam der aufder Aldobrandinischen
Hochzeit so auffallend nahe, dass ich keinen
Augenblick zweifle, dass dieses Bild mit
Leimfarben auf demfrischenStuckgemalt ist."
Besonders empfehlenswert erschien Wiegmann
der Zusatz von Leim zum Schwarz. „Die damit
behandelten Flächen nehmen von selbst einen
schönen Halbglanz an, während bei dem gewöhn-
lichen Schwärzen, und vollends, wenn sie ohne Leim
sind, nur eine mühsame Bearbeitung die rauhe
Fläche zu beseitigen vermag."
Dieser „Sinneswechsel" ist für den überzeugten
Verfechter seiner eigenen Theorie höchst bedeutsam,
denn er zeigt, dass seine bis dahin ausgeführten Proben
ihn selbst nicht in dem Masse befriedigt hatten, wie
er es erwartet hatte.
Dass die unter Wiegmanns Leitung im Hause des
Hannoverschen Legationsrates Kestner in seiner „Re-
konstruktion" hergestellten Fresken*) auch andere
nicht befriedigten, kann aus dem Bericht ersehen
werden, den sich Hittorff von dem damaligen (1849)
Direktor der französischen Akademie in Rom, M. Aloux,
und einigen preisgekrönten Pensionären erbat; darin
hiess es: „Der erste Anblick erinnert keines-
wegs an die Malereien in Pompeji; die Farben
des Grundes sind sehr viel matter ... sie scheinen
auch nicht den nämlichen Grad der Adhäsion mit dem
Grunde zu haben, da die Malerei an verschiedenen
Stellen durch Reibung eines Möbelstückes beschädigt
wurde und abgeblättert ist, so dass der Grund
vollständig zum Vorschein kommt. Die technische
Ausführung zeigt eine schwere Behandlung
der Farben anstelle der grossen Leichtigkeit
bei der Ausführung, die die Malereien von
Pompeji charakterisiert (une emploi difhcile des
couleurs, au lieu de la grande facilitö d'execution,
qui caractörise les peintures de Pompei)"**).
Wiegmann ging bei seinen Versuchen, ganz wie
Schafhäutl und die Architekten des Pompejanums,
von den Angaben des Vitruv aus, er bereitete sich

*) Die Fresken befanden sich in einem der Biblio-
thek angrenzenden Raume der Villa Malta, der je-
doch bei einem durchgreifenden Umbau durch den
späteren Besitzer, einen russischen Grafen, abge-
brochen wurde. Der jetzige Inhaber der Villa ist
der ehemalige Reichskanzler Fürst Bülow.
**) Vgl. m. „Maitechn. d. Altert.", S. 68, Note.
 
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