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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 2.1899

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Mahler, Arthur: Der angebliche Herakles des Onatas
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https://doi.org/10.11588/diglit.22624#0087
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Der angebliche Herakles des Onatas.

Die Pariser Bibliotheque Nationale besitzt in der Statuette des Herakles aus
der Oppermann’schen Sammlung1) nicht nur eine vorzügliche Originalarbeit von
der Wende des 6. Jahrhundertes; sondern auch ein Werk, das durch eine geist-
reiche Vermuthung von Friederichs2) kunstgeschichtliches Interesse gewann.
Friederichs bezog nämlich die Figur auf die von den Thasiern geweihte Statue
des Herakles, ein Werk des Onatas; nach Pausanias V 25, 12 war der Heros
mit der Iveule in der Rechten und dem Bogen in der Linken dargestellt, ein
Koloss von 10 Ellen Flöhe. Dabei deutete Friederichs den Gegenstand in der
Linken der Pariser Bronzestatuette als den unteren Theil des Bogens. Vergl. Fig. 55.

Furtwängler hat mit treffenden Gründen3) die Unzulässigkeit dieser Be-
ziehung* klargelegt4) und nimmt wohl mit Recht für das Werk des Onatas
eine ruhige Stellung an. Aber auch er sieht in der Oppermann’schen Bronze
einen bogenbewehrten Herakles, der „wirklich mit der Keule zu einem mäch-
tigen Schlage ausholt“, wohl ähnlich jenem Minotauros auf den Augenschalen,
der sich „vergebens gegen Theseus wehrt, welcher — fehlt“.5)

Dieser Annahme widersprechen jedoch die Formen des linken Armes der
Statuette. Der Biceps ist mächtig gespannt, genau entsprechend dem des rechten
Armes, der Deltoides stark hervortretend, der Supinator longus und ulnaris inter-
nus kräftig markiert. Ein bloßes Halten des Bogens kann dieses Muskelspiel
nicht hervorgerufen haben, wie hiebei auch die halbe Drehung der Faust nach
innen0) befremdlich wäre. Es wird aber sofort verständlich, wenn wir in dem
stets missdeuteten Gegenstände in der Linken des kämpfenden Heros nicht den
unteren Theil eines Bogens, sondern ein Horn erkennen, und zwar das Horn
des Acheloos, der weggebrochen ist. Herakles hat den Flussgott mit mächtigem
Griff an dem Horne gepackt, das an seiner Stirn, nahe der Schläfe, stand und
drückt den Kopf nach abwärts, der hiegegen nach r. oben auszuweichen sucht.
Dabei holt der Held mit der Keule zum tödtlichen Schlage aus. Es ist ein
Moment höchster Spannung, der hier dargestellt ist.

*) Höhe OU35m. Babelon-Blanchet n. 518, wo-
selbst auch die Literatur; Brunn-Bruckmann Taf. 351.
Zuletzt kurz besprochen von Bulle, Der schöne Mensch
S. 17, Taf. 27.

2) Friederichs, Berlins antike Bildwerke II 442.

3) In Roschers Lexikon s. v. Herakles 2142.

4) Auch Collignon, Histoire de la sculpture
Grecque 285 neigt sich noch, wenn auch zwei-
felnd, der Ansicht von Friederichs zu.

5) Vgl. Klein, Euphronios2 25 f.

6) Dies ist besonders deutlich erkennbar an der
Photographie der Rückseite Ed. Giraudon 219.
 
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