DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:Werner, H.: Die keramische Manufaktur des Grossherzogs von Hessen
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0215
Gartenschmuck aus Tcrrakotta. Modelle: Bildhauer Karl Huber Offcnbach, und Heinrich Jobst, Darmstadt.
Die keramische Manufaktur des Großherzogs voll Heffen.
/^^"ls vor nunmchr anderthalb Jahrzchnten dle er-
wachcnde modern-kunstgcwerbliche Bewegung dcr
Zeit einer lächerlichcn und schwächlichen Nach-
ahmung und Scheinkunst cin ersreulicheS Ende bc-
reitcte, hat sie sich doch — wie noch jede Neuerungs-
beftrebung — vor Einseitigkeit und vorwärtsdrängender
Hast nicht zu bewahren gewußt.
Die neue Gesinnung kam zunächst mit rechter Kraft
nur der Umbildung unserer Wohnhauögestaltung und
der Möbelsabrikation zugute. Dagegen wurden andere
Dinge und daruntcr vielfältigc, die von alter Zeit
eine wohlgegründete künstlerische Kultur in sich trugen,
wohl einmal in Spiel und Laune flüchtig aufgegriffen,
danach aber wieder verlasten und vcrgestcn. So
bleibt noch viel Ernte einzuheimscn, wozu die Auö-
saat langsam reift. Da brauchen wir daS Wort „deko-
rativ" in stdem Gespräch übcr hand-
werkliche Kunst und können doch
nicht leugnen, daß insonderheit die
Malerci und die Bildhauerei zu ge-
schlostenen, großen dekorativen Wir-
kungen außerhalb einer mächtige
Formcn gebenden und heischcnden
Monumcntalkunst noch kaum gclangt
sind. AlS ob frühcrc Zeitcn sie nicht
auch in Zusammcnhängen für den
kleinen Raum genutzt hättcn. Je
mehr die Technik Mittel und Möglich-
keiten der Matcrialverwendung liefert,
um so reicher und dringender wcrden
die Anforderungen an alle schmücken-
den Künste werden. ES ift kein Iwei-
fel, daß an dicsem Zukunftswcrk in
erster Linie die Keramik cinen vollen
und würdigen Anteil habcn wird. Zu-
mal die ncue Techm'k des mehr und
mehr verwcndcten EisenbetonS arbeitet in der Matcrial-
verbindung bis jetzt ja geradezu widcrsinnig, wenn sie
ihr stählerncS Gerüst mit Hausteincn verklcidct, dencn in
dicser Nutzung gar kcine konstruktive Bedeutung zukommt.
Nun weiscn die ersten Versuche mit der für um-
fastenderen Gebrauch erst zu schaffcndcn Baukeramik
Porträlmedaillon aus Terrakotta, nat.jGr.
Modell: Bildhauer Heinr. Jobst, Darmstadt.
bcreitö cinen guten Weg. Mit ilmen fallcn die erneutcn
Hinweise auf den Wert der großen Vorbilder der
astyrisch-babylonischen Kultur zusammcn, fällt zusammen
die sicb vertiefende und auöbrcitcnde Kenntniö dcr dcko-
rativen keramischen Architektur dcr altcn Pcrser und
der Araber. Somit bedarf eö keiner besondercn Bc-
gründung, wcnn hier einmal von einer Werkstatt ge-
sprochen werdcn soll, dic mit ihrcn Lcistungen schon
cine gcwiffe Führcrschaft m dics Gebict hinein ge-
wonnen hat.
Die Errichtung der kcramischen Manufaktur in
Darmstadt ist aus der eigenen Entschließung des
kunstfreundlichen Großherzogs Ernst Ludwig erwachsen.
Profestor Scharvogel ist der Lcitcr, als Mainzer ein
hessisches Landeökind und schon vor Beginn seiner
Darmstädter Tätigkeit bekannt und gerühmt als Jnhaber
ei'ncr keramischen Anftalt in Ober-
sendling bei Münchcn, deren Scharf-
feuer - Steinzeug in den dcutschcn
Fachkreisen, besonderö auch auf der
Pariser Wcltauöstellung 1900, alö
ausgezeichnct anerkannt wordcn war.
Scharvogel gab semer Ware in rast-
loser Versuchsarbeit ihrcn Eigenwert.
Er bildete zunächst nur Gefäße mit
geflammtcm Glasurübcrzug und fand
für die Leitung des Brandes, dcffcn
Glutgase die in der Glasur enthal-
tencn Metalloryde gewiffermaßen
lösen müsten, neue Möglichkeitcn des
Verfahrens.
Es crgab sich eine glücklichc
Wirkung aus dem rcinen Matcrial.
Fläche und Überzug waren fest ver-
bunden, und die Musterung wie
die Farbe lediglich das Wcrk des
Feuers. Das schuf cin flcckiges und streifiges Geriesel,
i'n jcdem Einzclstück cin ungemein bcwegtes Spiel
dcs mattglänzendcn Toncö, der, ganz aus sich und
ohne jede künstliche Nacharbcit geworden, an daö milde
und warme Lcuchtcn der Halbedelsteine crinnerte.
Dies schon auS der Mühe der Münchener Jahre
Die keramische Manufaktur des Großherzogs voll Heffen.
/^^"ls vor nunmchr anderthalb Jahrzchnten dle er-
wachcnde modern-kunstgcwerbliche Bewegung dcr
Zeit einer lächerlichcn und schwächlichen Nach-
ahmung und Scheinkunst cin ersreulicheS Ende bc-
reitcte, hat sie sich doch — wie noch jede Neuerungs-
beftrebung — vor Einseitigkeit und vorwärtsdrängender
Hast nicht zu bewahren gewußt.
Die neue Gesinnung kam zunächst mit rechter Kraft
nur der Umbildung unserer Wohnhauögestaltung und
der Möbelsabrikation zugute. Dagegen wurden andere
Dinge und daruntcr vielfältigc, die von alter Zeit
eine wohlgegründete künstlerische Kultur in sich trugen,
wohl einmal in Spiel und Laune flüchtig aufgegriffen,
danach aber wieder verlasten und vcrgestcn. So
bleibt noch viel Ernte einzuheimscn, wozu die Auö-
saat langsam reift. Da brauchen wir daS Wort „deko-
rativ" in stdem Gespräch übcr hand-
werkliche Kunst und können doch
nicht leugnen, daß insonderheit die
Malerci und die Bildhauerei zu ge-
schlostenen, großen dekorativen Wir-
kungen außerhalb einer mächtige
Formcn gebenden und heischcnden
Monumcntalkunst noch kaum gclangt
sind. AlS ob frühcrc Zeitcn sie nicht
auch in Zusammcnhängen für den
kleinen Raum genutzt hättcn. Je
mehr die Technik Mittel und Möglich-
keiten der Matcrialverwendung liefert,
um so reicher und dringender wcrden
die Anforderungen an alle schmücken-
den Künste werden. ES ift kein Iwei-
fel, daß an dicsem Zukunftswcrk in
erster Linie die Keramik cinen vollen
und würdigen Anteil habcn wird. Zu-
mal die ncue Techm'k des mehr und
mehr verwcndcten EisenbetonS arbeitet in der Matcrial-
verbindung bis jetzt ja geradezu widcrsinnig, wenn sie
ihr stählerncS Gerüst mit Hausteincn verklcidct, dencn in
dicser Nutzung gar kcine konstruktive Bedeutung zukommt.
Nun weiscn die ersten Versuche mit der für um-
fastenderen Gebrauch erst zu schaffcndcn Baukeramik
Porträlmedaillon aus Terrakotta, nat.jGr.
Modell: Bildhauer Heinr. Jobst, Darmstadt.
bcreitö cinen guten Weg. Mit ilmen fallcn die erneutcn
Hinweise auf den Wert der großen Vorbilder der
astyrisch-babylonischen Kultur zusammcn, fällt zusammen
die sicb vertiefende und auöbrcitcnde Kenntniö dcr dcko-
rativen keramischen Architektur dcr altcn Pcrser und
der Araber. Somit bedarf eö keiner besondercn Bc-
gründung, wcnn hier einmal von einer Werkstatt ge-
sprochen werdcn soll, dic mit ihrcn Lcistungen schon
cine gcwiffe Führcrschaft m dics Gebict hinein ge-
wonnen hat.
Die Errichtung der kcramischen Manufaktur in
Darmstadt ist aus der eigenen Entschließung des
kunstfreundlichen Großherzogs Ernst Ludwig erwachsen.
Profestor Scharvogel ist der Lcitcr, als Mainzer ein
hessisches Landeökind und schon vor Beginn seiner
Darmstädter Tätigkeit bekannt und gerühmt als Jnhaber
ei'ncr keramischen Anftalt in Ober-
sendling bei Münchcn, deren Scharf-
feuer - Steinzeug in den dcutschcn
Fachkreisen, besonderö auch auf der
Pariser Wcltauöstellung 1900, alö
ausgezeichnct anerkannt wordcn war.
Scharvogel gab semer Ware in rast-
loser Versuchsarbeit ihrcn Eigenwert.
Er bildete zunächst nur Gefäße mit
geflammtcm Glasurübcrzug und fand
für die Leitung des Brandes, dcffcn
Glutgase die in der Glasur enthal-
tencn Metalloryde gewiffermaßen
lösen müsten, neue Möglichkeitcn des
Verfahrens.
Es crgab sich eine glücklichc
Wirkung aus dem rcinen Matcrial.
Fläche und Überzug waren fest ver-
bunden, und die Musterung wie
die Farbe lediglich das Wcrk des
Feuers. Das schuf cin flcckiges und streifiges Geriesel,
i'n jcdem Einzclstück cin ungemein bcwegtes Spiel
dcs mattglänzendcn Toncö, der, ganz aus sich und
ohne jede künstliche Nacharbcit geworden, an daö milde
und warme Lcuchtcn der Halbedelsteine crinnerte.
Dies schon auS der Mühe der Münchener Jahre