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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 9
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[Notizen und Besprechungen]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0123
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Cincm weiteren Kreise als dicses durchaus wiffenschaftliche,
luxurios ausgestattete Werk wird das neue Hetjens-Museum in
Düsseldorf zugänglich sein. Das Matcrial diescr Sammlung
ist das gleiche. Das rhcinische Steinzeug, wie es sich in den
Crzeugniffcn sciner vier Aentrcn darstellt, bildet den Hauptinhalt
der Sammlung. Für die Cntwicklung des Steinzeugs gibt sie
in allen Teilen ein übersichtliches Bild. Daß bei der Fülle der
Stücke sich kllnstlerisch Unbedeutendes sindet, ist selbstverständlich.
Daher wird, zumal da in der Sammlung Wiederholungen ähn-
licher und auch dersclben Formcn nicht zu den Seltenheiten
gehören, sich für manche der Cindruck der Einförmigkeit auf-
drängen. Allein wer sich an die zahlrcichen hervonagenden
Stllcke der Sammlung hält, wird an dem Reichtum charakte-
ristischster Formen des rheinischen Steinzeugs seine Freude haben.
Während von Köln - Frechen, Höhr - Grenzhausen und Siegburg
die Cntwicklungskette nicht völlig geschloffen zur Anschauung ge-
bracht wird, sind dic Stücke der Iiacrener Werkstätten in einzig-
artiger Bollzähligkeit vertreten. Besonders ist auf einige der
besten Arbeiten des Jan Emens hinzuweiscn: auf den Krug
mit Aposteldarstellungen und die Schnellen mit mythologischen
Schildcrungen aus dcr Frühzeit des Meisters, dann auf den grau-
blauen Krug mit dem Josefsfries und auf den braunen Susannen-
krug aus der späteren Ieit des Künstlers.

Cbensoschr vom technischen L-tandpunkt intercssant wie für
die Forschung bedeutungsvoll ist die Sammlung alter Hohlformen,
dic in den verschiedcnsten Werkstätten und von den verschiedensten
Meistern benutzt wurdcn. Wcnn diese Hohlformen auch manchc
Fingerzcige für die Entstehung dcr Krüge geben können, so muß
doch in Bctracht gczogen werden, daß gute Formen noch lange
Ieit, nachdem ihr Crfinder sie vielleicht nicht mehr benutzte, in
dcn Werkstätten weiter gebraucht wurden, und daß auf dicse
Weise sich manche Cigentümlichkeiten frllhercr Aeit in dic Periode
cines ganz andcrs gearteten Kunstgefühls hineingerettet haben.
Durch solche Nückgriffe in die Blütezeit der rheinischcn Keramik
crhalten dann die bisweilcn phantasicarmen, ornamentalen Formen
des I?. Jahrhunderts eine rcizvolle Belebung. G. E. Lüthgen.

<^>ominik Müllers „Verse".

(„Samstag"-Verlag, Basel I-2S, 2. Aufl., geb. Fr. Z,7 5).

In Basel warten die Leute allc vierzehn Tage mit einer
Mischung von Ungeduld und Angst auf ein kleines Blättchen,
das sich ,,Der Samstag" nennt und das für die Schweiz etwa
dasselbe bedeutet, was der „Simplizissimus" für Deutschland ist;
ein Blättchen, das übcrall da mit Spott, Ironie und Iorn cinsctzt,
wo sich Banausentum, Klaffendünkcl und Crbärmlichkeitcn breit-
machen. Dann aber sind in dem Blättchen jedesmal kürzere
oder längere Gedichte von Dominik Müller zu finden, hintcr
welchem Pscudonym sich der Hcrausgeber des „Samstag" ver-
steckt; es sind Gedichtc, Satircn, lyrische Scherze, Epigramme,
die allemal das Beste darstellen, was es in dem jeweiligen Blatt
zu lesen gibt. Als er zur letzten Weihnacht ein Bändchen daraus
machte, war die erste Auflage in acht Tagen vergriffen, und auch
die zweite ging unterdeffen zu Cnde'. der bis dahin nur den
Baslern Bekannte wurde mit einemmal von der ganzen Schweizer
Presse gepriesen und in deutschcn Aeitschriftcn mit Achtung genannt.

Dominik Müller ist ciner, der lange gewartet hat, ehe cr zu
schreiben anfing. Er ist als Naiv-Genießendcr durch Spanicn ge-
wandert, hat schönen Frauen gedient und eine alte Kultur restlos
auf sich einwirken laffen, cr ist als Hauslehrer durch Rußlands
Steppen gekommen, hat das russische Elend und die Tragik des
russischen Volkes kcnnen gelernt, cr hat sich jcden Wintcr in das
verschneite Arosä zurückgezogen, um dort in der stillcn Winter-
einsamkeit cincr heroischen Gcbirgswclt, Heilung für sein Lungen-
lciden zu finden. Und überall und immer hat da sein llberwacher
Geist den Sinn des Lcbcns zu crgründen gesucht. Und achtlos
und fast gleichgültig hat er seine Beobachtungen, seine Bckennt-
niffe in Neimen auf eincn Fehen Papier geschriebcn. Jeht liegen
fic in cinem schlichtcn Bändchcn vor uns und wir müffcn es
immer und immer wieder zur Hand nehmen, um bei diescm
oder jenem Gcdicht, sci es nun ein träumerisches Kaprizio oder
eine boshaftc Satire, zu verwcilen und darüber froh zu werden.

Dominik Müller ist Humorist und Satiriker; seine Gedichte
sind von einem lcbhaft irisierenden Wih, doch wirkt diese Jronie
niemals vcrlctzend, weil hinter ihr ein Dichter steht, dcr viel
Güte und Toleranz und viel Menschenliebc in sich hat. Scine
Naturschilderungen und Stimmungsbilder aus alten Baslcr

Winkcln sind nicht mindcr fcin erlauscht und gezeichnet, als seine
satirischen Porträts aus dcn Basler Aristokraten- und Spießer-
kreisen; überall ist er ein virtuoser Meister des Worts und der
echten lyrischen Stimmung, die, vereint mit dcm wahrhaft er-
frischenden Humor des Dichters, zwingend wirken.

K. H. Maurer, Basel.

Interlaken

hat die Kursaalverwaltung dcn selbstbewußtcn Cinfall ge-
habt, cs einmal mit einer Kunstausstellung zu versuchcn; und
zwar mil einer, die nicht dem bequemen Bildungsstand des land-
läufigcn Kurortbesuchcrs schmeichclt, sondern mit eincr O,ualitäts-
Ausstellung, die sich an Menschen von künstlerischcr Gcsinnung
wendet und selbst denen noch manche Nuß zu knacken gibt. Daß
eine Kurhausverwaltung den Mut hat, eine solche Veranstaltung
dcn Malern Ferdinand Hodler und Max Buri ganz in die Hand
zu geben, ist ungewöhnlich und nur mit der Dolkstümlichkeit zu
erklären, die die Schweizer Kunst zum wenigsten in der Deutschen
Schwciz besiht. Die Schweizer habcn keine Kunstakademie, ihre
Maler sihen deshalb im Land herum, vielfach in kleineren Orten
und jede größere Stadt hat ihrer einige; Kunststädte in unserem
Sinnc gibt es nicht. Scitdcm Böcklin seine Triumphe erlebte und
nun Hodler europäische Gültigkeit erringt — was die Schwcizer
mit Stolz vermerken, so sehr sie selber sich gegen seine Kunst
vielfach noch wehren — sind sie geneigt, die Kunst als cine Ehren-
angelegenheit des ganzen Volkes anzusehcn, das darin Nuhm
und Ancrkennung in der Welt gewinnen kann. So wird in
eincm Kurort von 7000 Cinwohnern eine Kunstausstellung gezeigt,
die mancher Großstadt in Curopa nicht unwürdig wäre.

Daß sie freilich gleich eine internationalc ist, scheint mir
nicht richtig; schon weil der Raum viel zu beengt ist, als daß
eine Übersicht auch nur der bekanntesten Dinge ernsthast «ersucht
wcrden könnte. Don den 80 Nummern, die die Ausstellung
überhaupt nur umfaßt, ist etwa ein Diertel ausländischer Hcr-
kunft; das kann natürlich nur eine zufällige Auswahl sein, so
gut die einzelncn Stücke von Liebermann, Steinhausen, Uhde,
Cottet, Torop usw. sind.

Das Hinderliche aber daran ist, daß sie den Eindruck der
schweizerischen Ausstcllung verwirren; und das kann eigentlich
doch nur der Sinn in einer solchen Kursaalausstellung scin, daß
sic den internationalcn Fremden ein Bild dcr Kunst des Landes
gibt. Umsomehr, als dicse Kunst — soweit die Malerei in Frage
kommt — origineller, einheitlicher und modcrner als sonst cine
in Europa ist. Das betrifft, wic unsere Lcser wiffen, nicht nur
den Kreis um Hodler, dem in Amiet, Buri, Giacometti, Gattiker
und Welti z. B. Persönlichkeiten von eigenen und auch gegcn-
sählichen Absichten gegenüber stehenl allen aber cignet eine Ab-
wcndung vom Jmpressionismus uud eine Ncigung zur dekorativen
Auffaffung dcr Malerei in jedem auch dem monumentalen Sinn,
dcr weder mit der übermächtigen Persönlichkeit Hodlers noch mit
dcr Überzeugungskraft scincs Prinzips völlig crklärt wcrdcn kann.
Daß dieses Prinzip, statt dcr vorgetäuschten Naumtiefc eine klar
aufgeteilte und geschmückte Flächc zu geben, zwar cine Rückkehr
zur Malerci der Alten ist, aber mit modcrnstem Leben gefüllt in
modernen Formen sich geben kannl hat freilich niemand über-
zeugender darlegen können als Hodler selber, der auch in dieser
Ausstellung natürlich dominiert.

Lcider fehlen Welti und Gattiker ganz und auch Amiet und
Giacometti treten nicht so vor, wie sie es im Kunstleben dcr
Schweiz tatsächlich tun. Sic stehen van Gogh und den jungen
Franzosen näher und bieten mit ihrem farbigen Flächenaufbau
das Gcgcnbild zum zeichnerischcn Aufbau Hodlers. (Womit
übrigens weder gesagt sein soll, daß Hodler nicht ein Meister
der feinsten Farbe wäre, oder daß bei Amiet die Form vernach-
lässigt wäre; es ist nur eine anderc Art zu baucn; die sie trennt.)

Cine Überraschung brachte die Ausstellung mit der Plastik; nicht
nur, daß mir in Despiau ein junger Franzose von reinstem Stil-
gefllhl als neu vorkam, sondern daß die Schweizcr selber einige
Bildhaucr von ungewöhnlicher Art besitzen l so den Genfer Vibert,
der in seiner Bronzebüste der Frau Hodler tatsächlich ein Meister-
stück plastischer Formenbildung lieferte, so vor allen Niedern-
häusern, der als Schlller Rodins zwar längst bekannt ist, aber
mit seiner Gruppc „Melancholie" sich allcr Schlllerschaft cnt-
wachscn zeigt. Von ihm wird bald noch Ciniges zu sagen sein.

Cs wäre unrecht, nicht zu verzeichnen, daß zwci Schwestern
Gillard aus Genf und Edoardo Berla mir glcichfalls als neu
 
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