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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 9
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[Notizen und Besprechungen]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0122

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ichard Muther

ist gestorben und fast schien es so, wie wenn Diele schon
kaum noch wüßten, wcr dieser Mann war. Cin Dozent, der den
Versuch machte, was noch im Streit der Tagesmcinungen stand,
schon in die Betrachtung der Kunstgeschichte zu ziehen. Seine
„Geschichte der Malerei im lg. Jahrhundert" erschien im Jahre
I8?z; da war der Kampf um die moderne Kunst in Deutsch-
land erst in der ersten Hitze und er selber ein junger Mensch von
ZZ Jahren, der dabei Parteigänger werden mußte. Das Buch
hat ähnlich gewirkt wie auf anderm Gcbiet die fast gleichzcitigen
Vorlesungen Litzmanns über „das deutsche Drama in den lite-
rarischen Bewegungen der Gegenwart" (?4): für die Schaffenden
gab es nichts Neues, aber es wurde alle denen eine bequeme
Krücke, die auch in Kunstdingen eine Anerkennung durch die
Autorität der Wiffenschaft für nötig halten; und da die Maffe
der Gebildcten hierhin gehort, war es für die breitere Wirkung
der modernen Kunst ein nicht unwichtiges Buch.

Man weiß, daß sich bald häßliche Dorwürfe an das Werk
hefteten, sodaß es nicht weiter crscheinen konnte und heute
eine Seltenheit im Buchhandel ist; auch sonst knüpften sich an
den Namen des Mannes wiederholt unliebsame Crörtcrungen
und Manche meinten, daß es hieran lag, wenn er bei den Zeit-
genoffen schon in Dergcffenheit geriet. Doch war sein Miß-
geschick aufs engste mit sciner Begabung verknüpft. Cc kam aus
der Wiffenschaft; aber ihm lag das Feuilleton; er wollte plaudern
über Kunst, in Worten ihre Cindrücke und Wirkungen nachbildcn
und lebendiger machen, und er war besonders als Redner über-
aus gewandt dazu. Aber es folgte ihm einer auf dem Fuße,
der bcgabter darin war, statt seiner Geschicklichkeit ein wirkliches
Temperament besaß und durch keine Rllcksicht auf den Anschein
einer wiffenschaftlichen Lehre gehindert war! Julius Meier-Gräfe.
Deffen „Cntwicklungsgcschichte der modernen Kunst" warf über
alles, was Muther jemals von moderncr Kunst geschrieben hatte,
einen breiten Schlagschatten, aus dem er nicht mehr herauskam.
Und in dcr Wiffenschaft kam ihm ein Zweiter noch stärker ins
Licht: scitdem Heinrich Wölfflin a» der Berliner Hochschule
Kunstgeschichte las, und die lebendigste Darstellung mit kalt-
blütiger Wiffenschaft und Gründlichkeit verband: stand Muthers
Schriftstellcrei nicht cinmal mehr im Rang des gewandtcn Fcuille-
tons an erster Stelle, scinc Rolle war ausgespielt, bcvor der Tod
den Neunundvierzigjährigen holte.

Was seinen Name» trotzdcm noch eine Aeitlang erhalten
wird, sind Liebhaberbücher: seine illustrierten Geschichten der
französischen und englischen Kunst im I?. Iahrhundert. Jllu-
strierte Bände, die wie eine Folge von Vormittagsplaudereien
sich schon fast behaglich lesen, in denen der gewandte Sprecher
von der hitzigen Geschichte der Kunst amüsante Geschichten er-
zählt. Ob seine Urteile stimmen, fragt man nicht; er scheint es
auch garnicht zu verlangen; er gibt uns nur eine Bilderfolge,
wie sich nach sciner Meinung und Kennerschaft der künstlerische
Kampf vollzog, und das wird man ihm immer zugestehcn, daß
er seine Meinung als geistreicher Nedner brillant zu illustrieren
wußte. S.

heinischeS Steinzeug.

Zwei besondere Creigniffe haben in der letzten Zcit die Auf-
merksamkeit weiterer Kreisc auf das rheinische Steinzeug gelenkt.
Au Beginn^des Jahres erschien das umfangreiche Werk übcr das
rheinische Steinzeug von Otto von Falke*. Cine Arbeit, die
unter der Benuhung des gesamten, weitverzwcigten Matcrials zu
Forschungsergebniffen führte, die geeignet sind, dauernd die Grund-
lagen für die Geschichte diescs Aweiges des Kunstgewerbes zu
bilden. Cinige Monate nach Crscheinen des Werkes wurde eine
der bedeutendsten Privatsammlungen des rheinischen Steinzeuges
durch Stiftung der Stadt Dllsseldorf testamcntarisch überwiesen
und glcichzcitig damit die Summe zur Crrichtung eines geeigneten
Museumsgebäudes. Das neue Hetjens-Museum in Düffeldorf birgt
jetzt diese Sammlung des bekannten Aachener Nentners Hetjens.

Das Werk Otto von Falkes verdankt seine Cntstehung einer
Anregung des Kunstforschers und Sammlers Crnst Aais, der seine
unerreichte Sammlung des Westerwälder Sleinzeugs dem Kunst-
gewerbe-Museum der Stadt Köln seinerzeit nur unter der Be-

Otto von Falke, Das rheinische Steinzeug. 2 Bde. Jn
Kommission bei Meisenbach, Riffarth s- Co., Bcrlin-Schöneberg.

dingung vermacht hatte, daß von Falke eine Geschichle des
Westerwälder Steinzeugs herausgeben solle.

Unter Benutzung der Forschungsergebniffe von Crnst Zais,
die sich zwar nur auf Westerwälder Werkstättcn beziehen, wuchs
sich die Arbeit von Falkes zu einer Geschichte des rheinischen
Steinzeugs aus, wie sie so großzügig und detailreich in der Anlage
bisher niemals versucht wurdc. Sowohl das umfangrciche Ma-
terial, wie auch die künstlerische Bedeutung des Steinzeugs recht-
fertigen diese bis ins Einzelnste gehende Monographie der Crzcug-
niffe der rheinischen Töpferkunst, dcren kunsthistorischer Wert deshalb
nicht zu unterschätzen ist, weil das Steinzeug aus ganz urwüchsigen
Betrieben zur Blüte emporgestiegen ist, ohnc einer Anlehnung an
andere, fremde Kunstkreise zu bedürfen. Vielmehr trägt das
Steinzeug in Technik und Stil seinen eigenen Charakter, unberührt
von morgenländischen, italienischen und ostasiatischen Einwirkungen.
Daher prägt sich in den einfachen Formen des Steinzeugs die
Ursprünglichkeit des künstlerischen Gefühls, wie es sich frei aus
sich selbst heraus entwickelt hat, am prägnantesten aus.

Das Wcrk von Falkes gibt einen erschöpfenden Überblick
über die gesamte rheinische Töpferknnst. Um die oft eigenartigen
Formen des rheinischen Steinzeugs verstehen zu können, muß man
sich dcr Bedingtheil der ästhelischen Formen durch das Material
und den Materialcharakter bewußt werden. Diesem Zwecke ent-
spricht die eingehende Beschrcibung llber die verschiedenen Q.uali-
täten des Tones, über die Art seiner Bearbeitung insgesamt,
über die Herstellung des Steinzeuges, die der eigentlrchen Ent-
wicklungsgeschichte vorausgeschickt ist.

Die Cntwicklung des Steinzeugs wird dargelegt, wie sie
sich in den vier Aentren Köln-Frechen, Siegburg, Raeren und
Höhr-Grenzhausen vollzieht. Als wichtiges Crgebnis der Forschung
von Falkes ist die Tatsache anzusehn, daß der Mittelpunkt des
rhcinische» Kunstlebens, Köln, es war, von dcm die Anregung zu
eincr künstlerischcn Ausgestaltung keramischer Formen ausging. Nicht
in den ländlichen Betricben Racrcns hat „der Aufstieg des Stein-
zeugs vom einfachcn Gebrauchsgeschirr zu kunstvoll verzierten Krügen,
der mit dem Übergang von der Gotik zur Rcnaiffance zusammen-
fällt", seinen Ausgang genommen, „sondern er vollzog sich zuerst
in Köln, ... und in dem alten, mit Köln durch geschäftliche Be-
ziehungen eng verbundcnen Gewerbe der Siegburger Aulnerzunft".

Von den Kölner Werkstätten in der Maximinenstraße, am
Cigelstein, in der Komödienstraße, dann von Frechen wird aufs
genauestc berichtet. Die Cntwicklung zur Spätgotik gibt dem
nahen Siegburg bald einen Vorrang vor Köln. Untrr den
Monogrammisten I'. lll, unter den in Siegburger Werkstätten vor-
bildlichen Meistern Anno, Peter und Christian Knütgen, die in
dem silberhellen, grauweißen Tone Siegburgs cin so treffliches
Material besaßen, bleibt Köln bald völlig zurück.

Doch was Köln und Siegburg in langsamer Entwicklung
sich errungen hatten, sollte in der zwciten Hälfte des lö. Jahr-
hunderts dem bis dahin unbekannten Raeren zu überraschendem
Aufschwung verhelfen. Schnell nahm die künstlerische Cntwick-
lung des Raerener Steinzeugs ihren Fortgang. Und als der be-
deutendste Meister der Renaissance, Jan Cmens, dort seine Wcrk-
statt begrllndcte, vermochte Raercn in mancher Hinsicht seine
Vorläufer zu überflügeln. Don Naeren ging dann endlich, gcgcn
Ende des lö. Jahrhunderts, die anregende Wirkung auf den
Westerwald aus. Die Übersiedlung von Raercner Meistern nach
Grenzau und Grenzhausen und von Siegburgern nach Höhr gibt
den Ausschlag. „Die Mennicken und Kalb von Raeren und die
Knütgen von Sicgburg sind mittcn aus der Blütezcit ihres
heimischen Betriebes heraus gewandert, mitsamt ihren Form-
beständen, und sie haben in ihrcn neuen Wohnsitzen dicselben und
gleichwertige Werke geschaffen, wie in ihrer alten Heimat. Und
bald folgten die altangeseffencn Töpfer des Westerwalds, die
bis dahin schmuckloses Geschirr und schlichte Sauerwafferkruken
gemacht hatten, dcm Beispiel der fremden Mcister."

Lebensschicksal, Kunstauffaffung und Formcharakter dcr ein-
zelnen zahlreichen rheinischen Krugbäcker ist in die allgemeine
Cntwicklungsgeschichtc geschickt verwobcn. Wo die Anregung zu
fortgeschritteneren Formen von der Individualität eines Meisters
aus'geht, wo sie sich als Nesultat eines zeitlichen Fortschrittes der
Allgemeinheit äußert, ist überall klar herausgearbcitet.

Die Ausstattung des Werkes mit S Heliogravüren, 20 Licht-
drucktafeln und 2L2 Teptabbildungen läßt nichts zu wünschen
übrig. Dank der künstlerischen Wirkung der Abbildungen erhält
man ein abgerundetes Bild von dem reichen Material des
rheinischen Steinzeugs in seinen mannigfachen Dariationen.
 
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