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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 11
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Ammann, Karl Heinz: Die Geschichte des Goldsäckleins
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0183

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ie Geschichte des Goldsäckleins.

Von Karl Heinz Ammann.

Mag es sich für ein rechtschaffenes Säcklein Gold
wohl schicken, und seinem- Ruf nicht weiter Abtrag
tun, daß eS dreimal gestohlen wird, so zeigt diese Drci-
faltigkeit sciner Geschichte zugleich, wie ein Ding zwar
ehrenhaft erworben werden, aber mit minderer Ehrlichkeit
in andere Hände kommen kann, sodaß sich die Be-
gebnisse sast der Worte schämen müssen, womit sie sich
schildern und offenbaren sollen. Nur das erste redet
frei und ohne Scheuleder daher, wie dcr Vater es
erlebt hat und dem ncugierigen Knaben erzählt, und
beginnt mit dem Halsschmuck der Mutter, einer ossen-
bar farbensreudigen Frauensperson; denn sie liest, indem
dic Geschichte einsetzt, bei rotcm Wein und gelbem
Kuchen in einer veilchenblauen Bibel mit goldenem
Schnitt, und liegt doch draußen ein lichtblauer Frühlings-
tag über cinem um und um weißblühcnden Land.

An diesem Sonntagnachmittag, wo die Mutter ihrer
llbung gemäß in der Bibel liest, kommt Leodegar, ihr
Jüngster, von der Straße zu ihr herauf, drückt sich ihr
ums Knie und bettelt um Kuchen. Die Mutter zieht
dcn Schmeichelnden an sich, der geschäftig-spielerisch
unverweilt nach ihrer haargeslochtenen Kette greift und
die beiden feinen Goldschieber hin- und herschiebt, jetzt
hinab zur grünseidenen Schürze, dann den Weg zurück
bis hinauf an den Hals. Dort gerät der eine davon
mit der Brosche zusammen, und wie die beiden Gold-
gebilde so aneinanderliegen, schön zusammengeschmiegt,
wie der Kopf der Muttergotteö mit der Backe deö
Kindes, vergleicht sie der Knabe miteinander und besieht
sich dabei zum erstenmal ausmerkender die Brosche.
Es war diese nun einem seingeschaffenen Träublein sehr
ähnlich, indem oben zwei gezackte Weinblätter erschienen,
unten aber die goldene Traube in reichen Beeren
hervorquoll. Wie die Mutter dicse Schaugier sieht,
löst sie das Schmuckding vom Hals und vertraut es
den Fingern des Knaben an, der nun auch gerne wüßte,
wer es gefertigt hat. „Niemand hat es gemacht!"
sagt die Mutter. „So wie du's da in Händen führst,
hat eö Gott im Boden wachsen lassen und deinem
Vater dcn Weg ins Goldland gewiesen, daß er es finden
und deiner Mutter schicken solle. Die Nadel freilich
hat der Goldschmied drangelötet; wie könnte ich das
Ding sonst da am Hals tragen?" Damit hat sie sich
erhoben, geht an den Schrank und kommt mit ciner
roten, mit Perlmutter eingelegten Schatulle zurück,
deren Deckel sie auf dem Schoß aufspringen läßt.
Und indem der Knabe das offene Geläßchen mit den
Blicken überfällt, holt die Mutter unter alten zusammen-
gebundenen Briesen hervor ein handlanges Säcklein,
gelb, aus Wildleder, das einige rostrote Flecke trägt,
entschnürt es und schüttet, was eS birgt, in ihre
Schürze aus.

Wie aber der Knabe in den hingebreitcten Stücken
nichts mehr der Brosche VergleichbareS, sondern nur
größere oder bescheidenere Goldkörner findet, auch un-
regelmäßige Plättchen oder aber Quarzstücke, die adern-
ähnlich das gelbe Metall im Leibe sühren, und nun

ob solcher Enttäuschung auss neue zu förscheln und zu
sragen beginnt, erhebt sich die Geplagte wieder, dies-
mal um ab der Wand eine Tasel zu holen, die mehrere
Gcgenden wies, alle mit Unterschriften in sremder
Sprache, die die Mutter nicht verstand. Unter einer
stand: 61üll686 6ountzi, unter der nächsten abcr, die ein
großes Blockhäuserdorf am Meer zeigtc: Korba Luolla
und: „Da herum irgendwo ist die Brosche und daö
Gold gefunden worden!" sagt die Mutter. Wolle er
aber hören, wie eö sich mit dem Fund verhalte und
was das Stück durchgemacht habe, so wisse ihm der
Vater eine Geschichte darüber. Von dicsem erpreßt sie
noch selbigen Tages der Knabe, und der Vatcr erzählt,
wie solgt:

Unsern der Stelle, wo wir unser drei Deutsche
Gold wuschen, hatte sich eine Französin angesiedelt, eine
kurzangebundene, unternehmende Weibsperson, und trieb
in cinem einstöckigen, selbsterbauten Holzhäuslein eine
Art Marketenderei, auö der sie keinen üblen Gewinn
zog, dcnn daö Lebcn dort war kostspielig, und essen
müssen die Goldgräber, wie anderc Menschen auch.
Weil eö nun dazumal in jener Gegend nicht ratsam
war, viel Geld oder Geldeswert bei sich zu tragen, da
allcrlei Mord- und Raubvolk sich wie die Geier umtrieb
und öftcrö recht einträgliche Überfälle verübte, hatte
ich mit der Wirtin verabredet, sie jeden Sonntag sür
genossene Zehrung zu zahlen. Ich trug nämlich immer
SamStagnachmittagS meine Goldausbeute nach San
FranciSco, vielmehr nach Korbki Liionll, wie eö damals
noch hieß, um eö bei einem Regierungsbeamtcn gegen
gemünztes Gold auözutauschen. Unterweilen aber ließ
ich — denn man traute einander nicht über den Weg —
der Marketenderin immer einen Teil meincs gewaschenen
Goldes zum Psand, dcr wohlabgewogen in einem mit
meinem Petschast versiegelten -Wildledersäcklein unter-
gebracht war.

Nun besaß ich seit kurzem ein Stück Gold, das
mir besondere Freude machte - es stellte ein Träublein
mit zwei Weinblättern vor — nnd das ich so, wie ich
es ausgefunden hatte, mit nächster Post in die Heimat
schicken wollte, bis dahin aber sorglich unter meincr
Pistolengurt verwahrt hielt. Da bcgab es sich, daß ich
einige Zeit eine so dürftige Ausbeute machte, daß es
nicht lohnte, sie zum Münzbeamten zu tragen- Da ich
so aber auch kein Geld für die Wirtin hatte, gab ich
endlich widerstrebend, nur um mein Pfand vollwertig
zu machen, das wohlgehütete Stück zum llbrigen und
konnte damit die Französin, die schon ungeduldig ge-
worden war, beruhigen. Meine Ersparnisse nämlich
schickte ich immer zu Monatscnde in die Heimat; denn
es gab am Orte zu viele Gelegenheiten, besonderö in
den spanischen und mexikanischen Spielhäusern, an einem
einzigen Abend zu verspielen, was man den Monat
über in harter Arbeit erbeutet hatte. Die Französin
hingegen hielt, wie sich später erwies, ihr Geld und
die Goldpfänder stets unter ihrem Bett in einem Koffer
verborgen, worin sie, wahrscheinlich um den Verdacht
der Diebe abzulenken, auch ihren Kaffeevorrat aus-
bewahrte. Sie hatte aber zu ihrer Sicherheit einige
Pistolen und einen Reitersäbel, eine alte gewaltige Waffe,
die, wie sie erzählte, schon ihr Großonkel in den
 
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