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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Lissauer, Ernst: Über Friedrich Naumann als Prosaiker
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Bassewitz, Gerdt von: St. Peter zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0150

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Über Friedrich Naumann als Prosaiker.

samrnen, und es ist hrerfür äußerst bezeichnend, daß er
den RubenSschcn „Sturz der Verdammten" eine „Pre-
digt" rrennt, und am ehcsten bei den großen kirchlichen
Rcdnern des vierten und siebzehnten Jahrhunderts etwas
von der Massenphantasic der religiösen Bilder Rubens'
findct.

Über all diese Eigenschaften Naurnannö des Pro-
saikers hinauS ist von lctztlicher Bedeutung die Tatsache,
daß er als Persönlichkeit zum erstenmal eine gewisse
Synthese der moderncn Kultur in sich verkörpert. Er
ist ein Mann der „Bildung" im alten, ursprünglichcn
Sinn deö Wortes: cr hat sich gebaut und gebildet nnd
alle seine Kräste organisch auögestaltet. Er ist weit
entsernt, „daö wandelnde Ohr" zu sein, von dem
Nietzsche spricht: er ist kein Spezialist. Von ihm gilt,
was Sombart in jener Schrist von Marx sagt: er ist
ein großer Erleber. Er besitzt selbst, waS er Rembrandt
zuerkennt, „jenc unerschöpfliche Neugierde, die Gott
denen schenkt, durch die er seine Merkwürdigkciten den
Sterblichen offenbaren will". Er hat die Krast des
nichtS ist ihm serner, alö daö törichte „Iiil
ailiiiii-ai-i^ deS Horaz. Vieler Menschen Städte und
Länder hat er gesehen und Sitte gelernt. Nicht nur in
einem Fach, er weiß in großen Teilen der heutigen Kultur
Bescheid. DaS macht ihn gerade unscrn Tagen so wcrt-
voll, in denen sich die Iersplitterung der Geistigkeit auch
darin erweist, daß der Struktur unsrer geistigen Arbeiter
jede Synthese mangelt. In dicseni Sinne ist Nau-
mann ein Vorbild.

Er findet bei dem hannovcrschen Palmenhauö aller-
lei feine Ansätze, „gewissermaßen kleine Weissagungen
des großen Stilcs, dessen wir warten". Solche sind auch
in seinem Wcrk tausendsach verstreut. An nicht wenigen
Stellen ift der große Stil selber da. Überall aber in
diesem Werk ist seine Gestalt und Stimme hörbar, weiö-
sagend den großen Stil, dcssen wir warten.

Ernst Lissauer.

t. Peter zu Köln.

Dunkle Kolonnen ziehn über die Fliesen der
Hauptportale, lange Kolvnncn; Priester mit
weißen und roten Fahnen, Priefterschüler und Mönche;
Mädchen, die ernst gekleidet sind, stumpf blickende
Männer und Kinder mit großen vcrwunderten Augen.

Die offnen Portale atmen Weihrauch — — Echo
fernen Gesangeö weht her — — tief gencigt sind dic
Nacken der Schüler und Mönche.

Wunderlich ftarren Grimassen der Heiligcn auf den
Sockeln zur Rcchten und Linken; darunter weht ein
grüner Schleier im Winde gegcn graueö Gestein —
eine weiße Hand hebt sich gegen die Sonne. — — —

Vornehme Fremde harren am Eingang und mustern
den Zug der Gläubigen.

„Sie haben schöne Spitzen, diese Priester, scltene
Brokate, wahrlich!" — Man sähe gern solch matten
Glanz daheim aus dem Prunktisch; so feierliche Falten
rinnend über schlanken Füßen, die leise gehen aus
dunklen, persischen Decken — „schade!"

Ein hoheö Fest muß es heute sein — der Kardinal
amtiert!

Summen ist in der weiten Grust, wie von tausend
Bienen, ein Raunen, gleich dem, das aus bauchigen
Muscheln kommt.

Auf kühlen Stcinen drängen sich Hunderte. — Die
Demut hat die Stirn geneigt, die Neugier fliegt aus
blanken Augen um Kreuz und Lichter und auswärtö
an grauen Pfeilerbündeln, die enge stehen, untcr das
himmelhohe Dach.

Höher alö der Himmel scheint dies Gewölbe. (Iu
hvch ist eö für seine Breite, sagen die Architekten.)

Oben blitzen die Wände hell — kalte Farben, neues
GlaS; harte Funken springen da von Säulen zu
Säulen. Unten aber sließt Gold auf die Fliescn der
Seitcnschiffe aus Fcnftern sechz'ehnten Jahrhundertö.

Und über dem Schnitzwerk des Chorgestühles, das
schwarz ist von Alter und blank von dem Streichen
demütiger Fingcr, glimmen aus staubigem Stabwerk,
wie Blumenbeete, Fenstcr, die übcr ein halb Jahrtausend
alt sind.

Jm Kreuzschiff drängen sich die Menschen — —
etwas Großes muß jetzt wohl geschehen.

Süßer Gesang geht aus hinter Gittern von schwarzem
und goldenem, rankendem Eiscn — süßer Gesang-

Wohl hundert und mehr junge Kinder singen des
alten Gottcö Lob.

Es ist, als würde es heller im Raum, hellen Vögeln
gleich sliegen die Töne her, sern klingt es im Echo
wieder. — — Hinreißend schön ift das!

^8a1vs rsKina, niLtsr niissrieoräias, — —
vita, äiilssclo st 8p68 iiostra, salvs - - -

Jetzt slutet eö vom Querschiff her aus tiefen Tastcn-
gängcn der Orgel und süllt die Kirche mit schwercn
Wogen - - Palestrina.

Schon zittert das Herz!

ZRauch geht aus bronzenen Gefäßen und wölkt sich
übcr dem Hochaltar mit süßem, schwcrcm Dust; blaue
Pfade werden die Sonnenstrahlen vom Estrich zu den
blühenden Fenstern, Hunderte von Flämmchen wehen
auf ftarren, wächsernen Säulen.

Da wird ein silbernes Glöckchcn geschwungcn -
ein Rauschen - - dunkcl ist die Erde, denn Tausend
knien.

Noch einmal die Glocke — —

Am Hochaltar steht ein klciner Mann in roter
Seide und Gold — beide Hände erhoben — — darin
das Heilige!

Als wehe ein Wind jetzt durch das Gewölbe, neigen
sich alle Nacken — selbst die der Fremden; sie beugen
sich schncll, sie wagen nicht ausrecht zu bleiben. Sie
tun wohl recht, sind ja zu Gaste in diesem Tempel,
und der Geist des Herrn weht just durch sein Haus.

Ein weißer Lichtkegel sällt durch das Langschiff.
(Ein Scheinwerser wird dort hinten gerichtet.) Blitze
springen vom Schrcin der Hoftie, Blitze von Gold;
und Priefter und Götterbilder stehen in einem Mantel
von Helligkeit.

„Der Himmel ist offen," so denken die dumpfcn
Stirnen. Die schlichten Seelen der Weiber zittern,
Kinderaugen leuchten in heller Freude!

„Wandlung!"

Und wieder schwingt der silberne Ton - -
 
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