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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 12
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Schäfer, Wilhelm: Wie ich den Schiller kennen lernte?
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Eulenberg, Herbert: Mäuselied: für meine Knaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0232

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ie ich den Schiller kennen lernte?

Warum soll ich so etwas Dummes zu seinem
Zubiläum nicht erzählen dürsen, obwohl eS
garnichts von ihm und nur ein wenig aus meinem
Leben sagt. Jch muß damals noch jung und dumm
gewesen sein; es war so in den Ieiten, da man zum
erftenmal Rolkäppchen auf lateinisch lesen kann. Wir
wohnten in einem neuen Haus, daö draußen an der
Straße, nicht weit vom Kirchhof mit hohen Pappel-
bäumen lag, und hatten den erften Stock im gelegent-
lichen Wechsel an hohe Herren vermietet, zuerst an unsern
Pastor, nachher an einen Gcndarm mit Namen Schiller.
Daö klang wie Schäfer auch und war mir nicht be-
sonderö merkwürdig, bis eines Abends der königliche
Beamte einen furchtbaren Rausch hatte und seine eigene
Frau verprügelte. So arg, daß sie um Hilfe schrie —
sie war übrigenö eine blonde Madonna, soviel ich mich
erinnern kann, und flötete mit ihrcr Stimme, wie das
die Aniseln tun. Mein Vater lief natürlich — weil er
immer ein bißchen zornig auf das Unrecht war — die
Treppe hinauf und klopfte laut an die Tür, so wie in
allerlei Romanen der Wächter deö Gesetzeö bei irgend
einem Sünder plötzlich klopft. Hier aber war es bei
dem Wächter selber mit einem Säbel und manchmal
einem Gewehr. Er kam gleich surchtbar angeschnaubt,
war aber so betrunken, daß er sich aus den Säbel und
das Gesetz und seine patentierte Beamtenwürde garnicht
mehr besinnen konnte, sondern sich nur immer mit
fürchterlichen Worten daraus beries, daß er der große
Dichler Friedrich von Schiller und deshalb zu solchen
Dingen berechtigt sei.

Es gab damalö noch keine Kunsterziehung und ich
wußte kaum, was eigentlich ein Dichter war. Jch behielt
nur eine gespreizte Vorstclluug von etwas Unerhörtem.
Und als nicht allzulange danach der Herr Gendarm
von Schiller mit seiner blonden Frau ausziehen mußte
und ein Lehrer in die Wohnung kam, ein schwarzer,
stiller, auch sehr artiger Junggeselle mit Namen Schlur-
mann: da war mir nichts so interessant an ihm, als
daß ich eines Tages auf scinem Bücherbrett sechs Bände
mit dem Namen Schiller aus dem Rücken, altgolden
in Leinwand eingeprägt, entdeckte. Jch wartete die ersten
Fericn von ihm ab, und wcil er immer die Schlüssel
bei uns ließ, damit wir lüften und seine Pslanzen be-
gießen konnten: so saß ich manchen Abend heimlich mit
einem von den Bänden in meiner Kammer und las,
was dieser Schiller cigcntlich in seinen Büchern hatte.
Daß der Gendarm sie nicht geschrieben hatte, bezwciselte
ich keinen Augenblick; ich wußte gut, daß er ein Prahler
und dieser Schiller als ein ganz anderer gestorben war.
Aber als ich danach anfing zu lesen, war mirö doch
sonderbar, wie sehr das allcs nach dem Gleichen klang.
Jch wußre natürlich wedcr, was ein Auszug noch ein
Auftritt war, und las mit höchst verwirrten Vor-
stellungen, was da mit abgerissenen Sätzen gesprochen
wurde. Hin und wieder kam auch ein Schuß, Be-
waffnete traten auf, oder es wurde einer inö Waffer
geworfen: aber im Ganzen war es genau so fürchter-
lich mit hohen Worten wie an dem Abend, da der
betrunkene Gendarm sich nicht das Menschenrecht ver-

kürzen lassen wollte, die blonde Frau als Schiller zu
verprügeln. Jch laö trotzdem so lange, biö ich schließ-
lich wie ein Wässerchen im Gestein so in den Sätzen
und Worten stecken blieb; ich kam in einen Klang
von Vorstellungen hinei'n, der in das tägliche Leben
unseres Hauseö garnicht paßte, und es hat noch lange
und bis ins Jünglingsalter hinein gedauert, bis ich mir
meinen Schiller von diesem Pathos der Betrunkenheit
besreite.

Nachher ging frcilich bald die Schule daran, mir
einen andern Begriff des Dichters ei'nzuprägen. Der
aber war so angesüllt mit Lehrerweisheit, daß ich mich
manchmal noch nach meinem Schiller sehnte; so wie
man sich des Nachts aus seiner Kammer in wilde und
fürchterliche Dinge träumt, wie sie der Tag mit allen
Lehrern, Mitschülern und Schulbüchern zu keiner Stunde
auch nur ahnen lassen kann. Wilhelm Schäfer.

Für meine Knaben.

Von Herbert Eulenberg.

Nun, Kinder, stellt die Falle aus
und laßt uns Mäuse sangen
in diesem kleinen runden Haus
mit Törchen und mit Stangen.

Sieben Mäuse in einer Nacht.

Sie haben es voll Spott und Lift
zu toll bei uns getricben,
daß nichts im Haus mehr sicher ist
vor diesen kleinen Dieben.

Sieben Mäuse in einer Nacht.

Sie naschten Mehl, sie nahmen Speck,
im Brot sah man die Spuren,
was abends lag, war morgenö weg,
weil sies von dannen fuhren.

Sieben Mäuse in einer Nacht.

Sie haben gar zu frcch gehaust
beim Kochherd und im Keller.

Die Wäsche haben sie zerzaust,
beschmutzt die reinen Tcller.

Sieben Mäuse in einer Nacht.

Drum müssen sie zur Strafe jetzt
in dies GesängniS gehen,
in das Vielsräßigkeit sie hetzt,
ihr könnt sie morgen sehen.

Sieben Mäuse in einer Nacht.

Dann pfeisen sie: O je, o je!
matt zwischen diesen Stangen
und sehn mit Auglein klein und weh
die Welt, in der sie sprangen.

Sieben Mäuse in einer Nacht.

Und in der Frühe, wenn cs graut,
da wolln wir sie ertränken,
und eh die Sonne wiederschaut
ins stille Grab versenken.

Sieben Mäuse m einer Nacht.
 
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