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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Bassewitz, Gerdt von: St. Peter zu Köln
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Koester, Reinhard: Ritter Blaubart
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0151

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St. Peter zu Köln.

Da wird der Kelch gehoben.

„Wir sind nicht würdig," beten die Seelen.

Hoch steht der Kardinal und gerade, wie eine
Flamme leuchtet die Mitra. — Er hat ein glattes, ge-
sundes Antlitz — und er trinkt den hciligen Wein!

Dazu schwingen die Glockcn in den Türmen; alle
Gläubigen erfahren daö Wunder in dcr heiligen Stadt
am Rhcin. - Hunderttausendfach wird daS Kreuz ge-
schlagen: „Wir sind nicht würdig!"

Welch eine Macht!

Seltsam auch, wie in diesem Bild die Geschichte
deS Domeö lebt.

Meister GerhardS feiner Chorbau aus 1248 hebt
sich über den Hütern deö Heiligen, die in eifrigcm
Bemühen deö Mittelalterö Ritus üben, und daö Mystc-
rium strahlt hinauö von diesem alten Hintergrunde in
Hallen epigonischer Vollendung, dic das neunzehnte
Zahrhundert schuf. Dort neigt sich die farbige Jünger-
gemeindc der Domvikare, Kapitulare, Bischöfe, Erzpricster
und Pricstcr — hier knien sie in moderner Gewandung,
andächtigc und neugierige Betcr. Auch freie Geister,
die sehen und wundern wollen; die stehcn an den
Dtrebepseilern in dunkleren Winkeln, ein wenig scheu,
ein wenig verlegen, wie Diebe, die in fremdem Hauö
auf Kundschaft gehen.

Durch das Langhauö fällt der Schein des Spiegelö,
dem Mittelalter mehr Glanz zu geben, und in den
Triforien flammt der Draht modcrner Jngenieure.

Die heilige Handlung ist vorüber. Wieder singcn
die Kindcr wie Engel.

Die Orgcl rauscht Triumphgesang; eö scheint, als
würden die Lichter bewegt vom Rauschen der Orgel.
Die Menge drängt zum Chor, und in dem Umgang
ordnet sich dcr Zug der Würdigen.

Unter dem Bilde der süßen Mutter Gotteö von
Stephan Lochner wandeln sie vorübcr; die blickt aus
ihrem golddunklen Grunde und lächelt selig: „Jhr liebt
mich noch immer!"

^Vir —Av, vir —xi —uuin prki,« — ola — ra-"

Die Stimmen dcr singenden Schüler loben; jcde
Silbe klingt allein; lang sind die Pauseu, daß tönendes
Echo auö hundert Vogen wiedcrkehrt.

Weit ftehen die Tore deö Chorhauses auf, Menschen-
maucrn zu zwei Seiten - nun ziehn sie vorüber.

Rot und Gold und Veilchenfarben, klingender
Ketten Schmuck, silberncs Rasscln und Flüstern von
Seide und Raunen von schwerem Sammet. Uber vier
reich beschlagcnen Schäften schwankt blaugolden der
Baldachin-

Er hat cin sehr zuftiedenes Antlitz, Kardinal-Erz-
bischof Doktor Fischer; und kleine, runde Hände hat
er, mit dcnen er segnet — drei Finger gestreckt, und
zwei nach innen gebogen. Er ist ein kleiner, breiter
Mann, wie er ernsthaft unter dcm Baldachin wandelt;
seine Augen sind wie blaues Wasser, darmnen sich
weißer Himmel spiegclt; er segnet alle — mich segnct
er auch. — Er ist zufrieden, der Kardinal.

Der Iug ist vorüber, sie drängen hinaus — leerer
wird die Kathedrale — kühler scheint es unter den Säulen.

Seitlich ist eine kleine Kapelle. Vasen von blauem
und rotem Glase, Pcrlenkcttcn, Feldblumen und Gräser;

die Opfergaben der Nrmsten umdrängen andächtig unter
der kleinen Ampel ein Gottesangesicht. Betbänke stehen
geduldig und nahe, und auf dem Estrich ist cin Stern
von weißem Mosaikgefüge. Dort kniet ein Bauer,
armselig und alt, und ftaubig von weitem Weg. Er
hat dic Stirn tief niedergebogen, cr betet laut, seine
Stimme zittert, ist hart vom Wcinen. — Ebcn hat ihn
dcr Bischof gescgnet. — Er neigt sich und biegt sich
und schlägt mit dcn gefalteten Händcn wieder und
wicder an seine Stirn. Tränen bespritzen ihm Gesicht
u»d Hände. Viele stehcn umher und sehen es.

So still ift es im Dom geworden; ein Duft von
welkenden Rosen ist da.

Jch tretc hinaus und Mittag lcuchtet. Hcll sprüht
daö Licht über dem Iackengewirr der tausend türmenden
Fialen.

Von dumpfem Donner bebcn die Türme — die
Kaiserglocke schwingt.

Einst strafften 56 Arme daö mächtige Glockenseil —
hcut treibt die Kraft schwcigsamer Dynamos ein stähler-
nes Radgetriebe; und lcicht und gehorsam tanzt dcr
Koloß nach dem Ieigerschlag einer winzigen Uhr.

Brüllen ift der Ton dieser Glocke, die einft aus
zweiundzwanzig Geschützen ihre Speise fand.

Siebcnmal im Jahr zittcrt Erde und Luft von diescr
Stimme.

Siebenmal im Jahre betet daö alte Köln zu dem
alten Gott. Gerdt von Bassewitz.

itter Blaubart.

Von Reinhard Koestcr.

An dem Tage, da Ritter Blaubart scine sechstc
Gemahlin heimführen wollte, hing ein dumpfer Himmel
über dem kleinen Städtchen, das sich wie ein treuer
Hund den mächtigen Felsen der Ritterburg anschmiegte.
Die Häuscr recktcn ihre schmalbrüftigen Giebel ängftlich
empor, wie wenn sie lauschcn wollten, oder neigten
sich in verschüchterter Furcht zu einander, wie Kinder,
wenn es gewittert. Einige wiederum standen alten
Weibern gleich in Häuflei» zusammen und schiencn
einander irgend eine Heimlichkeit zuzuflüftern.

Fünfmal schon hatten die sonst so stillen Gasscn
erschreckt die jubelndcn Töne dcr Hochzeitöweise ver-
nommen, fünfmal schon war der hetle Iug unter dem
Jubel deö Volkes in dem Burgtor verschwunden, und
fünsmal schon hatte sich ein dunkler und ftiller Iug
wiedcrum dem Tore entwunden, um deö Ritters
Gemahlin, deren glänzende Augen sich geschlossen hatten,
in die schweigende Erde zu betten. Trauer und Fcstes-
freude waren schnell wechselnde Gäfte in der klcinen
Stadt.

Heute war kein Jubeln im Volke, und aus dcn
Festgewändern schauten ernste, zweifelnde und wut-
erfüllte Gesichter. Ein Rauncn und Flüftern war
im Volke entftanden, das nun zu eincm drohenden
Murmeln heranwuchö. Eine grausige Kunde wars, die
den zischelnden Lippen entglitt und mit schreckhaftem
Entsctzen von den Ohren getrunken wurde. Alle die
 
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