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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 11
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Lissauer, Ernst: Hans Hopfen als Lyriker und Balladendichter
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Hopfen, Hans: Zwei Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0192

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Hans Hopfen als Lyriker und Ealladendichter.

Heiterkeit verhöhnt wvrden. Jm Einzelnen >st es an
komischen Einfällen reich, überschreitet aber die Grenzen
der Ariostischen Tradirion, sofern dies nicht durch den
Stoff von selbst bewirkt wird, kaum. Die Art der
Jronie oder der Anspielung ist der Art etwa Wie-
lands oder Heyses durchaus ähnlich.

Jmmer muß man die Darstellung der Hopsenschen
Lyrik auf eine Tradition ausrichten, vor allem die

der Münchner Gruppe, in der Hopfen innerlich und
technisch verwurzelt war, und ohne die er, vielleicht ab-
gesehen von der „Bauernschlacht"-Ballade, kaum denk-
bar ist. Dies gilt auch von dem eigentlich lyrischen
Teil der Gedichte. Hopsen erschließt der Lyrik keine
neuen Möglichkeiten; aber er ist ein wirklicher eigent-

licher Lyriker. Jn seinen wenigen Gedichten ist der

spezifische Ton der Lyrik häufiger getroffen alö in dem
dicken lyrischen Werk Geibels:

„Dmm dulde, daß der Parzen eine
den Herbst mir spinnc, lieb und lang,
aus halbverkiihltem Sonnenjchcine
und Müßiggang."

Eine Strophe wie diese trägt in sich etwas von

jenem glcichgewichtigen, ruhevollen Schweben, welches
das letzte undefinicrbare Wesen des Lyrischen im engsten
Sinn ausmacht. Es beruht hier vielleicht auf der
feinen Kunst, mit der rein abstrakte Dinge, wie Herbst
und Müßiggang, mit einem Konkreten und doch nicht
Greisbaren wie Sonnenschein verbunden und solcher-
maßen alles in eine Zwischensphäre des Unerreichbaren
und dennoch wieder Nahen aufgehangen ist. Außer
in diesen Versen sind Hopfen ähnliche Wirkungen noch
gelungen in Strophen deö wehend dahinstiebenden
echt traumhaften „Traum"-Gedichts und des von langem
innerem Melos durchzogenen Schlußgesanges aus dem
Zykluö „Jugendliebe". Aber auch das anmutige Lied
„Laß das Fragen!" oder ein halb mit Heiterkeit be-
strahlteö Stück wie „Aus!" gehören zu dem Grund-
bestande unserer Lyrik, — vorausgesetzt, daß man hierzu
nicht nur die Stücke erstcn Grades zählt.

Solche hat Hopfen nicht geschrieben; er ist als
Balladendichter und Lyriker ein Talent zweiten Ranges,
kein Neuerer, sondern durchaus konservativ und von
zeitlichen Strömungen wesentlich beeinflußt. Aber wie
man nach der törichten Geringschätzerei aller älteren
Dichter, die um 1880 eingeriffen war, allmählich wieder
erkcnnt, was trotz aller Mängel Heyse als Lyriker ge-
wesen ist, wie man in Lingg den bedeutenden Lyriker
crst jetzt wahrzunehmcn beginnt, so ist es an der Zeit,
daß der Allgemeinheit bewußt werde, was auch Hopfen
war. Es gibt immerhin nicht allzuviele, die Stücke
von solcher Kraft, von solcher Anmut gemacht haben.

Ernst Lissauer.

wei Gedichte von Hans Hopfen.

Friedrich Kiel, opu8 73.

Walzer für Streichquartett... O, bitte, noch einmal!...

Hör ich die knappen Melodieen geigen,

erscheint mir. . . Was? Doch nicht ein Tanzlokal?

Ein lichterheller, buntgeschmückter Saal? ...

Nein, eine schlichte Stube, ftill und eigen,
an jeder Wand ein vollgestopft Regal,
daneben Kupferftiche, Liebeszeichen
aus alter Ieit, in beiden Fenfternischen
Blattpflanzen, die bis an die Decke reichen.

Und auf dem Schreibtisch wie aus andern Tischen
Bücher und wieder Bücher und dazwischen
ein alter Herr in ungestärktem Kragen,
der eben vom Papier, das er beschreibt,
aufguckt und sich vergnügt die Hände reibt.
„Heureka!" scheint sein glänzend Aug zu sagen.

Er hat gefunden, was er lang gesucht . . .
zu einem Rätsel feftverschloßner Art
den rostigen Schlüssel mit antikem Bart. . .
daö Kernchen einer allzuharten Frucht,
die er vom Baum der Wissenschaft gelesen .. .
vielleicht nur wieder neue Hypothesen . . .
vielleicht nur einen neuen Reim... vielleicht
cin Wort, das gut bezeichnet, klar vergleicht. . .
Was es auch sei, er hat nach langen Stunden
mühvollen Forschens, was er sucht, gefunden,
und seine Freude strahlt ihm vom Gesicht
und seine abgeblaßte Lippe spricht
zum Augenblick: „du bist so schön! verweile!"

Er rückt den Stuhl und geht in mäßiger Eile
zu einem kleinen Schrank an seiner Wand,
wo hinter halbgelehrtem Hausgerät
ein blinkend Glas und eine Flasche steht.
Liebkosend greift er mit der weißen Hand
empor und schenkt mit würdevoller Ruh
sich randvoll ein und schlürft und schlägt dazu
ein Schnippchen, daß der Mittelfinger knackt.

Er wird so froh, daß er den Fuß erhebt
und hin und wieder wiegt im Walzertakt.

Der graukarierte Schlafrockzipfel schwebt,
die Quaste fliegt, das dünne Haar erbebt.

Der Herr Profeffor trällert so vorbei,
ins Wackeln kommt beinah die Bücherei. . .

Da klopst es plötzlich an die Tür. . . „Herein!"
und tief gebückt tritt ein Studiosus ein.

Der alte Herr hat vollendö seine Würde
und seinen Ernft und gibt von seiner Bürde
wohl abgefächerter Gelehrsamkeit
ein satt gesalzen Quentchen zum Bescheid
dem Jünger, der sein durstig Ohr ihm leiht.

Der Schüler sucht der Weisheit Brot zu fassen
und wird vornehm und huldreich bald entlaffen.
Der Doktor sitzt vor seinem Schreibtisch nieder,
das Kinn in seiner Hand, und lächelt wieder.

Und durch die kaum verkühlte Seele ziehn
noch einmal jene holden Melodien
voll Sonnenschein, voll Traubensüße,
und unterm Schreibtisch tänzeln seine Füße.

Was er da hört, muß ungefähr so klingen
wie jene Walzer oxus 73.

Wann wird sie Joachim uns wiederbringen? .. .
Sieh da! . . . aus meinem Tageblatt ergibt sich:
Am Freitag ist Quartett. . . schon übermorgen?
Zch will doch gleich mir einen Sitz besorgen.

Z88
 
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