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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 7
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Lüthgen, Eugen: Echte Spitzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0025

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Abb. I. Jtal. Näbspihe, Rcticella. lö. Jahrh.

Abb. 2. Retieella und xunta a koxliame. IS.-I7. Iahrh.

Sannnlung Wedekind.

Echte Spitzen.

chtc Spitzen gibt eö scit der Renaissancc. Erst
nach der Mittc des 16. Jahrhundcrts hat sich
dic eigentliche Spitzcntechnik ausgebildet. Das
Charakteristiknm dicscr Tecbnik ist dieS, daß ent-
wcder, wie eS bei der Nadclspitzc der Fall ist, ein cinzelner
Faden durch knnstrwlle Vcrscstigung und Umschlingung
mit Einzelsäden zu eincm in sich zusammcnhängcnden
Gcbildc verwandelt wird vder daß, wie dieS der Klöppcl-
spitze eigentümlich ist, parallel nebencinandcr lauscnde,
srcihangende Fadenpaare durch Umsclstingung und Ver-
slechtung, nichl aber durch Verknotung, zu dcm schlcicr-
artigen Gcwcbe der Spitze verarbeitet werdcn. Vor-
läuser dieser Art Leincnarbeit gibt cö eine ganze Anzahl.
Allc drängcn gcwistcrmaßcn aus die Spitze hin; und
vicllcicht ist cs kein Zusall, daß die Spitzentechnik in
dcr Rcnaissance auskam, da das sormalc, streng tek-
tonische Gcsühl, daS dic Renaissancekünstlcr auözeicbnet,
die Grundlage der neuen Technik bildete, zu dcr der
Oricnt die erste Anrcgung gegeben hat.

IedeS Leinengewcbe droht an den Seiten, dic nicht
von dcr Sohlkante eingcsaßt sind, auszusransen. Um
diese Auslösung des GewebcS zu vcrhindern, gibt eö drci
Wege. Man kann die durch das Ausfranscn loSgelöstcn,
freihängendcn Endcn der Kcttcnsäden verknüpscn. Ge-
schicht dicS aus kunstvolle Wcise, so zeigt scho» dicse Ver-
knüpsung der Fädcn cine große Ähnlichkeit mit der
L-pitze. Von lolcher Knüpfarbcit, dic Macramö genannt
wird, ei» Name, der aus dcn arabischen Ursprung dicser
Lemenarbeiten deutct, bi'S zur Klöppcltechnik ist nur cin
Schritt. Denn beim Klöppcl» wcrdcn ebcnso wic bci
dcm Macramö parallel hängcnde Fadcnpaare zu sestcn
Forme» verbunden, nur mit dcm Untcrschiede, daß die

Abb. Z. Nähspihe, Späkenaiffancc-Typus. I. Hälfte 17. Jahrh.

Fädcn nicht gcknüpft, sondern gcflochtcn, d. h. umcin-
ander gedreht werden.

Anstatt die Fädcn eincs ausgcsranstcn Leincnstückes
zu verkniipsen, kann man dic Rändcr des Stoffcö durch
Schlingsäden verfestigcn. Bei dicscn Schlingfäden liegt
cö nahe, nicht dcr scbarsen Kontur der Lcinwand zu
solgcn, sondern durch kleine Bogcn odcr Stäbchcn das
allmähliche Ubergleiten dcö sestcn Geivcbeö in das Nichtö
anzudeuten. Hicr licgt der Ausgangöpunkt sür dic
Nadelspitze.

Eine dritte Stcllc, an der sich aus äsibctischen Er-
sordcrnissen spitzenartige Gcbilde cinstcllen mußten, sind
die Nähte zusammcngcsetzter Leinwandstücke. Dem tck-
tonischcn Sinn der Rcnaissance, die es licbte, jedcö
cinzelne Glied eincs Ganzen in seincr sunktioncllen
Tätigkcit durch abstraktc Formen zu spmbolisicren, cnt-
sprach eö, daö Gewand in scine weseutlichen Tcile zn
zerlcgen und dadurch zu bctoncn. So werden die
Nähte an den Nrmcleinsätzcn, am Schultcrstück, an dem
Gcwandsaum, durch Durchbrucharbeiten klar hervor-
gehoben. Solche einfache Durchbrüche drängten natur-
gemäß darauf, durch dic edleren Formcn dcr Spitze
crsctzt zu wcrdcn.

Der einsache und der doppelte Leincndurchbruch ist
in diesem Falle dcr direkte Vorläufer der Spitzc. Nicht
nur die Entwicklung der Spitzentechnik zcigt dieö. Auch
die formalen Motive der crstcn Spitzen wciscn auf den
Formcharakter der Durchbrucharbcitcn zurück. I» den
auö dcr Leinwand gcschaffenen Durchbrüchen werden i'n
dcr Hauptsache geometrische Mustcr und zwar kreis-
förmige eingearbeitet. Diese strcng lincaren, vorwiegend
aus dcm Quadrat, dem Kreise und seinen harmonisch

Abb. 4. Übergang zur Barockspitze. I. Hälste 17. Jahrff.

Sammluag Wedekiad.


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