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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Clément, Frantz: Luxemburg und die Luxemburger
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Christiansen, Broder: Ein Problem der Porträtkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0157

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Cin Problem der Porträtkunst.

des PatriotiSmuS, daS Militär, fehlt, während seme
auSgesprochene Gleichgültigkeit gegen alleö, waS mit
dcr Monarchie und der Dynaftic zusammenhängt, eher
aus das oben festgeftcllte starke demokratische Empfinden
zurückzuführen ist. Denn diescs besteht, und es ist so
stark, daß der Deutsche es, besonders in den Beziehungen
dcr niederen Krcise zu den leitenden, alö direkt respekt-
los empfindet. Der Luxemburger cmpfindct diese Eigen-
schaft — und darin ist er meines Ermessens für seine
Verhältniffe ganz richtig orientiert — alö Qualität und
nicht als sozial - ethisches Manko, wenn er sich auch
zumeift übcr die tiefcren Ursächlichkeitcn, die hier zu-
grunde liegcn, täuscht-

*

Zn allem, was Luxemburg zurückhält, ist ein glcicher
Kern, scine Kleinheit. Es ist dem Luxcmburger nicht
gegeben, sich alö Glied cines Riesenorganismus zu
fühlen, in einem Lande zu lcben, wo man das Arbeiten
der Welthirne, die man Großftädte nennt, wie im eige-
nen Blute spürt, wo man sich sättigen kann, wenn
man Hunger hat. Und doch muß man annehmcn,
daß wir mehr aufbringcn könnten, wenn wir unö ein-
mal selbst gefunden habcn. Kultur haben wir nicht,
wcil wir noch kein Kulturbewußtsein haben. Kultur
ist Rhythmik in den höchsten geistigen wie auch in den
niedcrftcn Lebensäußerungen, Kultur ist organische Ent-
wicklung, Wissen um sich selbft, tägliche Bereicherung
zum Iwecke täglicher Verschwendung. Daß wir aber
nie Kultur haben können, kann kein Mensch behaupten,
denn keiner und auch nicht wir selbst kennen unsere
Kräfte. Wir haben z. B. cine Bcdingung: Tradition,
denn wenn wir zueinander rcden, verstchen wir unö.
Nur eine Kulturbasis haben wir nicht, weil wir um
alles herumfliegen und nicht den Mut haben, uns in
einem Reiche daucrnd niederzulassen, um daö andere
dcfto sicherer geistig zu erobern. Aber ist zur Kultur
eine Kulturbasis nötig? Zur Entwicklung schöpferischer
Mcnschen ist sie vielleicht nicht zu umgehen, aber muß
man ein schöpferischer Mensch sein, um Kultur zu haben?
Jch glaube, man muß vor allem zu genießen und ein-
sach, reich zu leben verftehen. Wir Mischlinge haben
hierzu mindestens ebensoviel Möglichkeiten als rein-
rassige Menschen und leisten an Genuß schon täglich
Unberechenbares. Wir lesen gleichmäßig Verse von
Verlaine und solche von Dehmcl und keine ihrer Arten
und Unarten entgeht unö. So haben wir viel gesunde
Anlage zur Kritik und sind wie geschaffen, vielseitige
behende Ausnchmcr zu werden. Franz Clement.

in Problem der Porträtkunst.*

Beim Porträt hat daS Gegenftändliche den
Primat. Schon darum, weil das menschlichc
Antlitz unter allen empirischen Objekten das sür die
Kunst bedeutungsvollste ist, denn sein direkter Beitrag

Aus ciner Philosophie der Kunst von Broder Christiansen,
verlegt bei Claus s- Feddersen, Hanau. Siehe die Bcsprechung
am Schluß des Hcftes.

zum Gehalt deö Werkeö kann größer sein als der
irgend welcheS andern Objektes. Daö menschliche Ant-
litz erscheint unS durch die physiognomische Gcwöhnung
als eine sinnliche Spiegelung des Seelischen; wir sehen
hier das Psychische genau so unmittelbar, wie wir etwa
in der perspektivischen Raumdarstellung die Tiese er-
fassen. Aber auch ist es Absicht deö Porträts, das
Gegcnständliche in den Vordergrund zu ftellcn. Dcnn
es will — und daö gerade macht eö erst zum Porträt —
einen individuell beftimmten Menschen schildern, wie
er tatsächlich ist. Die Absicht auf Ahnlichkeit ist dem
Porträt wesentlich. Ein Künstlcr kann anknüpfend an
ein individuelles Gesicht ein Werk schaffen, daS auch
ohne Ahnlichkeit ästhetisch wertvoll ist; aber nur wcnn
Ahnlichkeit beabsichtigt und erreicht wird, ift eö ein Porträt.

DaS Verhältnis des Künstlers zum Gegenständlichen
ist daher beim Bildnis exzeptionell. Sonft entnimmt er
der Wirklichkeit, was er brauchen kann, und eö macht
ihm keine Not, ob es so, wie er es malt, Exiftenz hat
oder nicht. Hier aber bindet ihn ein Stück Wirklichkeit;
er soll es darstellen, wie es ist; und er ift gebunden
durch alle Zufälligkeiten deö Tatsächlichen. Und es
bindet ihn um so mehr, weil cs den Anspruch crhebt,
das Ganze seines Werkes auszumachen. Der Porträt-
künstler soll das Bild eineS individuellen Menschen
gcben, seiner körperlichen und seelischen Beschaffenhcit
und nichtö hineinfügen, das nicht dieseö Menschen
eigen wäre.

Nun soll es aber doch auch ein Kunstwerk sein,
und dazu wird mehr erfordert als bloße Ahnlichkeit.
Es genügt auch nicht, daß ctwa noch hinzukommt ein
geschmackvolles Arrangieren und wohlgesällige Auf-
teilung der Bildfläche. Daö Dekorative hängt nur
äußerlich mit dcr Kunst zusammcn, alö Mittcl, den
Beschauer anzulocken und feftzuhalten; der Wohlklang
der Form gibt keinen äfthttischen Selbstwert und ist
nicmals ausreichend. Soll daö Porträt Kunstwerk sein,
hohe Kunst, so wird vcrlangt eine Erhebung des Objek-
tiven auf die Stufe deS Metaphysischen. Denn daö
sanden wir als Kennzeichen der Kunst, wenn sie mehr
sein will als ein Schmuck oder cine Unterhaltung müßiger
Stunden.

Diese Erhebung inö Metaphysische wird bei den
meisten Kunstwerken bewirkt durch die Eigensprache dcr
Form. Jn der Musik schon darum, weil hier die
Schilderung eineö Gegenftändlichen fehlt. Darum bleibt
in der Musik das Metaphysische ungegenständlich, doch
unverkennbar die Nähe einer höhern Wirklichkeit an-
zeigend. Bietet aber daö Kunstwerk ein GegcnständlicheS
dar, geeignet den Formengehalt in sich aufzunehmen,
so wird das Metaphysische inkorporiert. Das geschieht
schon bei Landschaftsbildcrn; eö geschieht leichtcr noch
bei Darstellung eineö Menschlichen, und wird beim
Bildnis, daö den Menschen zur Hauptsache und eigentlich
zum Ganzen dcs Werkes macht, unvermeidlich sein.
Der ganze Formengehalt eines PorträtS wird eingelegt
werden in die Psyche deö Dargcstellten, als Substanz
oder als momentaneö Erlcbniö, hinzutretend zu dem,
was schon durch das Physiognomische gegeben war.
So ist begreiflich, wie der Künstler durch seine Formen-
sprache das Bildnis aus die Stufe deö Metaphysischcn

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