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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 11
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Schwerdtfeger, Robert: Neue Edelschmiedekunst: zu den Arbeiten von Professor Enrst Riegel in Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0177

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Neue Edelschmiedekunst.

Zu den Arbeiten von Professor Ernst Riegel in Darmstadt.

^^/ndem ich im Gcist betrachte, was mir von unserer
^ modernen Kleinkunsh iin Laus der letzten Jahre vor
—^ H Augcn kam, indem ich versuche, mir aus dcm
Bcsonderen der cinzelncn Arbeiten ein Bild des
allgemcincn Stands dieses Kunstzwcigs am Baum des
HandwerkS zu sormen, um dann wieder zu sehen,
welchen Platz in dicsem Gesamtbild Ernst Riegel cin-
nehmen könnte, bemühe ich mich, das Eigcnartige und
Besondere seiner Arbeitcn zu erkennen, um eö mit
einem Wort oder Satz umschlicßcn zu könncn. Darübcr
sitze ich nun schon eine Weile ganz vcrzweifelt und finde
es nicht. Niemals vor den wirklichen Gegenständen
war ich im Zweisel, Ricgels Hand in jedem Stück, in
jeder Linie, in jeder
Form unmittelbar zu
sehen, und wcnn daö
Auge auch nur flüch-
tig über die feinen,
echt handwerklichen
Gebilde hinstreifte.

Nun aber, bci der
rckapitulierenden Re-
slexion, mit einer
Menge Matcrial vor
Augen, sodaß ich je-
den Gegenstand auf
Handgriff und Cha-
rakter nachprüsen
kann, versagt die so
sichcr geglaubte Er-
keuntniö, und ich
müßte diese erste Fra-
ge umgehen, wenn
nicht plötzlich der Ge-
danke austauchte und
sich feftsetzte, daß wc-
der die gesuchte Eigen-
artigkeit noch Be-
sondcrheit das Cha-
rakteristische dieser
Arbeitcn ist. Sic
sind, am Bild deS
Gesamtschaffens der
Gegenwart verglichen,
tatsächlich weder eigen-
artig noch besonders.

Was sie so schars
charakterisiert, daß
man bei leichter Be-
trachtung schon ihr
Wesentliches zu er-
kennen glaubt, ist —
so banal diese Sub-
ftantivierung des
Verbs auch klingen
mag - ihr Charakter.

Waö sie auszeichnet,
ist die allgemeine
Selbftverständlichkeit

ihrer Formen. Eigenart und Besonderheit im Handwerk
(und sei es eine Kunst, und sei es mehr Kunst als
Handwerk oder zur Kunst crhobcnes Handwerk) sind
doch vielleicht nichts andercö alö ein liebenöwürdiges
Zeichen von Unreise. Ein „Stil", der der Selbst-
verständlichkeit entbehrt, ist eine Zuflucht deö Nicht-
könnenS, und was wir als Stil in großen Werken
oder Ieiten entdecken und so bezeichnen, ist wohl weiter
nichts als daö Gefühl, daß hier ein künstlerischcr
Charakter auö festgefügten, sicheren und im Wesen
unwandelbaren Formen zu unö spricht.

Jch möchte mit den Begriffen Eigenartigkeit und
Besonderheit im Gegensatz zu Charakter nicht miß-

verstanden werden.
Für allcs drei sagt
man im nachlässigcn
Sprachgebrauch wohl
auch Persönlichkeit.
Dies Wort umgehe
ich, indem ich von
Charaktcr spreche,
einem Begriff, der
mir umso klarer und
doch allgcmeincr er-
scheint, als man ihn
auf Schöpser und
Geschaffcncs gleich-
zeitig anwenden und
so Ding und Künst-
ler in den für daö
.Empfinden notwendi-
gcn harmonischen Zu-
sammenhang bringen
kann. Alsred Messels,
des Architekten, For-
mcn sind weder eigen-
artig noch besonder-
lich. Aber sie haben
Charakter,zeugcn vom
künftlerischen Charak-
ter ihres Schöpfers
und werden dadurch
für uns charakteri-
stisch: wenn wir sie
sehen, dcnkcn wir an
Meffel, werdcn seine
Formen uns lebendig.
Ernst Riegel besitzt
ebensowenig wic
Meffel Eigenartigkeit
und Besondcrheit.
Seine vegetabilischen
Schmuckmotive, der
Aufbau mancherseiner
Geräte sind gewiffer-
maßen traditionell,
oder lassen doch den
Griff in alten Reich-
tum (besonders der

Abb. >. Griinc Nephritschale in Silberfasiung. Jm Besih Sr. Kgl. Hoheit
des Großherzogs von Heffen.
 
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