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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Schäfer, Wilhelm: Ketzerei im Heimatschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0143

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Ketzerei im Heimatschutz.

("X>ch weiß, ich
werde Man-

M chen mit dic-
sem Bekennt-
nid betrüben, daS sich
an einen sogenannten
brennenden Fall mei-
ncr rheinländischen
Hcimat k'nüpst, aber
von allgemeiner Gel-
tung sein möchte. Jn
meinem lieben Düsscl-
dors, das einmal eine
Kunst- und Garten-
stadt genannt wurde
und hcutc cinc Jn-
dustriehauptstadt ist,
gibt es ein altes Rat-
haus aus dem 16.

Jahrhundert, das im
Jahre 1749 vom Ge-
schmack derZeit srisicrt
wurde und beute von einem Anbau aus dem 19. Jahr-
hundert überschattct wird: Ein schlichteö Ding, wie es
dcr kleincn Residcnzstadt von dazumal eutsprach, längst
viel zu klcin sür seinc Zwccke und als Erscheinung ciner
Großstadt von hcute nicht mehr angemessen. Auch
ohne „Kunstwcrt" im Sinn der Stilgelehrtcn; doch rein-
lich gegliedert und mit dem Rciterstandbild dcö Jan
Willem von Grupcllo allcn Düsseldorfcrn cin Sinnbild
der gutcn altcn Zeit.

Also gesährdct durch die ncue Ieit und cine Sorgc
für Jene, die sich daö gute Altc nicht dnrch das schlimmc
Neue zerstören lasscn wollcn. Die Zcntralstclle deö
Bundcö sür Heimatschutz in Mciningen ist schon mit
Ausmerk'samkcit dabci, und mir sind die Zuschristen aus
den Tisch geflogen, in
den „Rheinlandcn"
gegen dic beabsichtigtc
Icrstörung auszutre-
ten. Jch will nicht
leuguen, daß ich zu-
erst andcrs dachte.

Wer, wie ich, cin sol-
ches Bauwerk seit sei-
ner frühesten Jugend
kennt, dem wird eö
nicht lcicht, eincs Ta-
ges die Brechcisen
und den Schutt in
seinen aufgcrissencn
Mauern zu sehen.
klnd wenn einc L>tadt
allmählich so wenig
gutc Bauwerk'e der
alten und so vicle
schlechte der neuen Zeit
Herzeigt wie Düstel-
dorf, gchört schon eine

Portion von Rück-
sichrslosigkeit dazu,
dicsesRathaus nicder-
zulegen, wie eö dic
Vcrwaltung tatsäch-
lich vorhat.

Es fragt sich mir —
und darum wird dic-
ses lokale Beispiel hicr
dcr Allgcmeinheit
untcrbrcitct — ob cine
solche Rücksichtolosig-
keit unter llmständen
nicht richtigcr ist als
die liebendc Sorgsalt
mit demAlten? Wcnn
es sich um Kunst-
werk'c erstcn Rangeö,
um unwiederbring-
lichc Schätze handelt,
wie beim Gewand-
hauö in Braunschwcig
oder bci der Dtto-Hcinrichs-Fassade am Heidclbcrger
Schloß: gcwiß nicht. llnd als die Bremer ei» Prciö-
ausschreiben machtcn um einen Neubau, der sich ihrcm
alten Rathaus angliedcrn könnte, ohnc seinc Erscheimmg
zu gesährden, taten sic sclbstvcrständlich das Richtige.
Solche Bauwerk'e sind besugt, ihrcr llmgebmig Gesetze
zu erlassen, und wer etwa das RathauS zu Münstcr i. W.
abreißcn wollte aus „Verkehrögründen", wie das hcutc
heißt, oder um einen den „Bedürfnissen dcr Ncuzcit
entsprechenden Neubau zu crstcllcn", würde von selbcr
dcm Gelächtcr der Ieitgenosscn.anheim sallen.

Ein solches Bauwerk' ist das Düsseldorfcr Rathaus
nicht, trotz seiner licbcn Erschcinung. Eö gehört zu
jcncn schlichten Stückcn, die ivir nach der ausgcdonnerten

Fassaden-Macherei der
letztcn Jahrzehntc als
Gegenbcispielc bcson-
ders gern habcn.
Wenn es in einer
rhcinischen Kleinstadt
ständc, oder wenn
Düsseldors noch dic
Kunst- und Garten-
stadt aus Jnimcr-
manns Iciten wärc:
kein Brecheisen dürfte
daran rührcn. Ob
cö aber am Mark't-
platz des modcrncn
Düsseldors stchcn blei-
bcn kann, ist einc
Gleichung, bei der dic
andere Seite gcnau bc-
rechnet werden muß.

Daß es alö Rat-
hauö dcr Stadt im
Raum längst nicht

Das Nalhaus zu Düsscldorf. (Nördlicher Flügcl.)

Das NathauL zu Düffeldorf. (Südseite mit der Markthalle.)
 
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